Warum tun sich deutsche Autobauer so schwer, die Digitalisierung nicht nur zu wollen, sondern tatsächlich zu leben? Anja Hendel, Geschäftsführerin der zum VW-Konzern gehörenden Digitalisierungsagentur Diconium erklärt die Herausforderung in der neuen Episode des FUTURE MOVES-Podcasts. Der Spalt, der zwischen den beiden Welten Automotive und Software überbrückt werden muss, ist riesig.  

Ein Auto von der ersten Skizze bis zum fertigen Produkt zu entwickeln, das im Autohaus steht, ist extrem aufwendig, so Hendel. Dieser komplexe Prozess braucht Jahre und verschlingt Milliarden. Würde man ihr als IT-lerin zwei Milliarden Euro in die Hand drücken, um eine Software zu bauen, auf die sie dann nach sieben Jahren überhaupt zum allerersten Mal ein Feedback des Kunden bekommt – ihr würde angst und bange.

„Man muss was bauen, das Kontakt hat, aber anders funktioniert“

Anja Hendel, Diconium

Die 1995 in Stuttgart gegründete Digitalagentur Diconium hat sich darauf spezialisiert, Brücken zwischen klassischen Hardware-Unternehmen und neuen digitalen Geschäftsmodellen zu bauen. Die Agentur baut Softwarentwicklungsabteilungen auf, die anschließend Teil der Kunden-Unternehmen werden. Denn der in der Industrie gelebte Perfektionsanspruch und die Prozesse, die diese Perfektion ermöglichen, seinen nicht direkt auf die Entwicklung von Software übertragbar, sagt Hendel. Beides in einer Organisation sei nicht möglich. Darum müsse man etwas dazu bauen, „das damit in Kontakt ist, aber eben doch anders funktioniert.“

Genau das hatten die Stuttgarter auch einmal für Volkswagen gemacht. Der Autokonzern war von dem Ansatz dann so überzeugt, das er Diconium am Ende komplett übernommen hat. Diconium arbeitet aber auch weiterhin für andere Unternehmen wie beispielsweise Stihl und Bosch.

Hendel, die 2020 als Managing Director zu Diconium wechselte, beschäftigt sich schon lange mit der Digitalisierung der Autoindustrie. Zuvor hat sie sich bei Porsche sechs Jahre lang mit digitalen Innovations- und Transformationsthemen befasst. Was sie dort gelernt hat: Wenn zwei so unterschiedliche Ingenieurskulturen wie Autobau und Software zusammenfinden sollen, dann braucht es maximale Diversität in den Teams – und Zeit, damit gegenseitiges Verständnis als Basis für gemeinsames Arbeiten entsteht. „Automobilkonzerne müssen anfangen, Software mitzudenken“, sagt Hendel.

Außerdem erklärt Anja Hendel in dieser Podcast-Episode, wo der Automobilbau der Innovationskultur der Software-Branche klare Grenzen setzt, warum Käufer:innen deutscher Autos in Asien häufig als erstes das eingebaute Entertainmentsystem austauschen, und wie radikal neue Businessmodelle rund um autonome Fahrzeuge die Rolle der Hersteller künftig noch herausfordern werden.

Über diese Themen spricht Anja Hendel im FUTURE MOVES Podcast:

… wieso sich die Autoindustrie mit der Digitalisierung so schwer tut (3:06)

… die Bedeutung von Teams, die analoge und digitale Prozesse kennen (6:08)

… Diconiums Ansatz, IT-Units außerhalb der Konzerne aufzubauen (11:12)

… Direct-to-Consumer-Ansätze in der Autoindustrie (13:50)

… digitale „Gamechanger“-Businessmodelle als in der Mobilität (16:02)

… Einfluss digitaler Rückkanäle auf künftige Produktentwicklung (24:24)

… international unterschiedliche Kund:innenerwartungen (29:10)

… der Perfektionsanspruch der OEMs im Digitalzeitalter (31:47)

… OEMs, die digitale Projekte als White-Label-Produkte testen (35:44)

… wie Premium-Brands sich im Digitalzeitalter neu definieren müssen (39:01)

… deutsche Autobauer und Newcomer wie Sony und Apple (46:50)

… ihren „Mix der Woche“ (49:55)