Wie Tinder fürs Trampen
Gemeinsam im gleichen Auto in die gleiche Richtung. Anstatt noch weitere Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, möchte ein Start-up das Trampen neu erfinden
Viele Menschen nutzen das eigene Auto, um in die Stadt, zu einem Termin oder zur Arbeit zu kommen. Die Straßen sind überfüllt, viele Sitzplätze in den Autos hingegen leer. Die Folge: Alle stehen im Stau, obwohl sie in dieselbe Richtung wollen. Geht das nicht smarter, vor allem in Zeiten hoher Spritpreise und einer Klimakrise, die sich nicht wegargumentieren lässt?
Das Berliner Start-up City Hitcher greift ein Konzept auf, das per se nicht neu ist, aber dank Digitalisierung dabei helfen könnte, umweltbewusster von A nach B zu kommen: mit digitalem Trampen.
„30 Fahrten zum Mond – und zurück“
City Hitcher
Die meisten alternativen Mobilitätsanbieter bringen weitere Fahrzeuge auf die Straßen, ohne dass es dem Privatwagen in Deutschland so richtig an den Kragen gehen würde. Die Folge: Der durchschnittliche Pkw-Besetzungsgrad liegt zurzeit bei rund 1,5 Personen pro Auto. In den meisten Fällen ist nur der Fahrersitz besitzt, in den wenigsten mehr als der Beifahrersitz. Wenn man bedenkt, dass die meisten Fahrzeuge eine Kapazität von vier bis fünf Personen hätten, ist dies eine sehr schlechte Quote.
Um das Problem mit der fehlenden Auslastung zu verdeutlichen, rechnet City Hitcher vor, dass täglich allein in Berlin eine Strecke von 25 Millionen Kilometern mit Autos zurückgelegt wird. Vergleichbar sei dies mit 30 Fahrten zum Mond und wieder zurück. In der Tat betrug die Zahl der in Berlin gemeldeten Fahrzeuge vor Corona 1,4 Millionen, was im Bundesvergleich immerhin unterdurchschnittlich, aber dennoch zu viel ist. Ebenfalls unterdurchschnittlich: die Fahrleistung der Berliner:innen, die als einzige bundesweit unter 10.000 Kilometer pro Jahr liegt. Die Zahl ist also realistisch. Um die Anzahl der Autofahrten in Deutschlands Hauptstadt zu reduzieren sowie wirkungsvoll Staus und den CO2-Ausstoß zu minimieren, sollen künftig die Sitzplätze der Privatautos geteilt werden.
„Leider war niemand bereit mich mitzunehmen“
Finn Runkel, Gründer City Hitcher
Die Idee ist so simpel wie bekannt: Trampen. Auch bei Taxianbietern und Ridehailing-Diensten gab es zumindest vor der Pandemie die Möglichkeit, Fahrten und Kosten zu teilen und damit unnötige Strecken zu reduzieren. Und auch auf der Langstrecke haben Mitfahrzentralen wie Blablacar ein ähnliches Versprechen. Für private Pkw auf der Kurzstrecke gab es bislang noch keine Tramping-App.
„Wenn ich mal den Bus verpasst habe, habe ich es selber ein paar mal an der Bushaltestelle probiert den Daumen rauszuhalten, doch leider war nie jemand bereit dazu mich mitzunehmen“, sagt Gründer Finn Runkel. Mit City Hitcher soll die Organisation einer Mitfahrgelegenheit per App nur wenige Sekunden dauern und kann sowohl spontan als auch im Voraus erfolgen.
Während die Lieblings-Navi-App nur die beste Route zum Ziel findet, spuckt City Hitcher nach Eingabe des Ziels automatisch das passende Match aus, also die beste Kombination von Fahrer:innen und Mitfahrer:innen. Mit Bestätigung beider Seiten ermittelt die App den perfekten Treffpunkt. Nein, wir sprechen nicht von Tinder, hier geht’s wirklich um Ridesharing. Das merkt man spätestens nach Ende der Fahrt, denn dann darf man die Mitfahrer:innen im Sternesystem bewerten. „Dating ist zwar nicht das Ziel aber solange dadurch Fahrgemeinschaften entstehen, ist es super“, ergänzt Runkel.
Zur Zeit befindet sich City Hitcher noch in der Vorbereitung. Spätestens Anfang Juni sollen Interessierte den Dienst erstmals in Berlin ausprobieren können. Weitere Städte und auch Länder sind bereits im Gespräch. Pro Kilometer Fahrt ruft City Hitcher 25 Cent auf, bei längeren Mitfahrten sinkt der Kilometerpreis. Das Ziel sind Preise, die mit einer Einzelfahrkarte für ÖPNV vergleichbar sind. Auch wenn der aus Umweltsicht natürlich ungeschlagen bleiben dürfte.
Want to know more?
Finn Runkel
Vom Ingenieur zum Gründer. Nach Abschluss seines Studiums in Maschinenbau hat er 12 Jahre lang als Ingenieur in einer Spanischen Firma gearbeitet. Als er zurück nach Deutschland gekommen ist, wollte er seinen Jugendtraum in die Realität umwandeln. Heute ist Finn Runkel CEO von City Hitcher und möchte die urbane Mobilität revolutionieren und Autos besser auslasten.
Frédéric Mazzella
Bereits 2006 gründete Frédéric Mazzella BlaBlaCar: ein Unternehmen mit den gleichen Zielen wie City Hitcher, allerdings für Langstrecken. Mittlerweile bietet das Unternehmen internationale Fahrten mit Privat-Pkw und Fernbussen an und ist auf dem Markt etabliert. Der Mitgründer und aktuelle Geschäftsführer Nicolas Brusson spricht am 17. Mai übrigens auf dem FUTURE MOVES – New Mobility Summit.