Vor nicht einmal einem halben Jahr hat Greenpeace gefordert, bestimmte Kurzstreckenflüge zu verbieten. Natürlich entbrach direkt eine wütende Diskussion. Die Argumentationen der Gegner:innen des Verbots sind dabei so irrational wie jene zum Tempolimit und nicht weniger verfehlt: Unter anderem wird behauptet, dass es erst Alternativen braucht bevor man etwas verbietet. Das ist jedoch falsch.

Denn zum einen kann sich die Menschheit nur weiterentwickeln, wenn sie sich infrage stellt und Privilegien – meist ohnehin nur mit Arroganz garnierte Gewohnheiten – ablegen muss. Zum anderen: Welche Autorität sollte die  Schwere des Verzichts objektiv beurteilen und Alternativen bewerten? Doch bevor es philosophisch wird, sprechen wir lieber über ein Urteil des Bundeskartellamts, das mindestens auf Stirnrunzeln in der FUTURE MOVES-Redaktion stieß. Darin zwingt die Behörde die Lufthansa dazu, Zubringerflüge für die Condor anzubieten.

Kartellrecht versus Umwelt

Kartellamtspräsident Andreas Mundt argumentiert, dass „die Lufthansa-Gruppe auf dem Zubringermarkt, der überwiegend deutsche Flughäfen mit dem Langstreckennetz von Condor verbindet, marktbeherrschend“ ist. „Keine andere Fluggesellschaft kann über Einzelflüge hinaus eine Zubringung zu den bedeutenden deutschen Drehkreuzen Frankfurt, München und Düsseldorf anbieten.“ Die Lufthansa darf folglich das sogenannte „Special Prorate Agreement“, das der Condor einräumt, Lufthansa-Zubringer zum vergünstigten Tarif zu buchen nicht kündigen. 

Das tat sie jedoch Ende 2020 und das dürfte einen speziellen Grund haben: 2021 ging Eurowings Discover an den Start. Die Billigtochter fliegt unter anderem die Kanarischen Inseln und die Dominikanische Republik an – und steht damit in direkter Konkurrenz zu Condor. Es liegt also nahe, dass die Lufthansa hier eine Rivalin schwächen wollte. Gegenüber FUTURE MOVES äußerte die Fluggesellschaft hierzu nur, dass sie dem „Bundeskartellamt antworten und umfassend Stellung beziehen“ werde. Das Hauptverfahren folgt noch und wird aus kartellrechtlicher Sicht aller Voraussicht nach zu Recht zugunsten der Condor entschieden werden.

Die Convenience-Spirale umdrehen

Die Bahn fährt bereits zu den großen Drehkreuzen in Europa. Foto: DB

Doch gesamtgesellschaftlich wirft das Urteil die Frage auf, warum die Condor in Zeiten des Klimawandels überhaupt die Lufthansa für Zubringer braucht, wenn die Drehkreuze Frankfurt, München und Düsseldorf auch mit der Bahn zu erreichen sind – übrigens für nur 29 Euro pro Strecke. Nicht immer sei das praktikabel, sagte eine Condor-Sprecherin hierzu gegenüber FUTURE MOVES. Kund:innen aus Prag, Stockholm oder Wien in die Bahn nach Düsseldorf oder Frankfurt zu setzen wäre sicher ein wenig viel verlangt, doch das dürfte ohnehin eher die Ausnahme sein. Gegner:innen des Verbots argumentieren, dass auf mehr als der Hälfte der Strecken Anreisezeiten von über acht Stunden die Regel wären, lassen jedoch außer Acht, dass man normalerweise nicht den am weitesten entfernten Flughafen für Buchungen wählt – und mehr als drei Viertel der Deutschen in Städten mit Bahnhöfen wohnen.

Denn mit Rail & Fly gibt es ja eine klimafreundliche Alternative zum Zubringerflug. Konkrete Zahlen zur Nutzung verraten übrigens weder Condor noch Lufthansa oder die Deutsche Bahn. Von einer DB-Sprecherin heißt es lediglich: “Wir beobachten, dass die klimafreundliche Anreise zum Flughafen zunehmend an Bedeutung gewinnt.” In den letzten Jahren sei die Zahl der Rail-&-Fly-Partner von 80 im Jahr 2018 auf heute 130 Veranstalter gewachsen, darunter 50 Airlines. Doch vor allem für kleinere Veranstalter sei Rail & Fly attraktiv. Condor sagt, dass viele preisbewusste Konsument:innen bereits mit dem Zug zum Flug anreisen. Zwischen den Zeilen wird klar: Der Zug zum Flug ist noch kein Riesenerfolg.

„Die klimafreundliche Anreise zum Flughafen gewinnt an Bedeutung“

Unternehmenssprecherin Condor

Der Grund dafür sind eben schon Abkommen wie jenes zwischen Lufthansa und Condor. Sie fördern die Bequemlichkeit der Deutschen, die zu haarsträubenden Argumentationen und der Meinung führen, dass ein Zubringerflug von München oder Stuttgart nach Frankfurt oder Düsseldorf akzeptabel ist. Was sonst soll gegen ein solches Verhalten von Fluggesellschaften und ihrer Kundschaft helfen, wenn nicht entweder Zubringerzüge zum Nulltarif was zu einer ganz neuen Diskussion führen würde – oder eben ein Verbot.

Natürlich sind Verbote ein Teil der Lösung

Dass die beim Thema Verkehrswende zum Erfolg führen können, zeigt ein Beispiel aus den Niederlanden. Viele glauben, dass die viel gelobten Radwege dort immer schon existierten. Dabei war das Land mal für kurze Zeit eine Nation der Autofahrer:innen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden massenweise vierspurige Autobahnen gebaut. Als in den Städten historische Häuser zugunsten der Verkehrsachsen niedergemäht und Brücken über Grachten in Amsterdam gebaut werden sollten, begannen die Kindermoord-Proteste. Die Menschen im Nachbarland lehnten sich auf, obwohl es keine Alternativen gab. Erst später wurden die mittlerweile weltberühmten und cleveren Radwege gebaut. 

Mit Blick auf die Zubringerflüge für Urlauber heißt das: Sicher würde ein Verbot für eine gewisse Zahl an Reisenden Unannehmlichkeiten und in einigen Fällen eine verlängerte Anreise mit sich bringen. Und vermutlich würden betroffene Airlines Kund:innen verlieren. Eben darum müssen für alle dieselben Regeln gelten. Und bis es soweit ist, könnten die Airlines selbst mehr Engagement zeigen. Wie wäre es zum Beispiel damit, das Rail-&-Fly-Angebot über den Preis hinaus attraktiver zu machen? Eine längere Anreise zum Flughafen nervt, aber ein Gutschein für einen Cocktail an Bord macht den Start in den Dom-Rep-Urlaub vielleicht gleich viel erträglicher.

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Michael O’Leary

Michael O’Leary

Der exzentrische Ryanair-Chef Michael O’Leary macht immer wieder mit Nachrichten in Trump-Manier und Aggressionen gegen die Lufthansa von sich Reden. Der Ire, für den es mehr ums Geld als ums Klima geht, rechnete jedoch kürzlich vor, dass kürzere Strecken fürs Klima besser sein können, statt Zubringerflüge aus Verboten auszuklammern und wie die Lufthansa-Gruppe jedes Ziel nur mit Umsteigen zu erreichen. Vielleicht ein interessanter Denkanstoß. (Foto: World Travel & Tourism Council)

Andreas Mundt

Andreas Mundt

Der Präsident des Bundeskartellamts hat seit 2009 das Amt inne. Freilich richtet er in seiner Position nicht über die Klimaverträglichkeit von Abkommen, seine Aufgabe umfasst die Bewertung von (Quasi-)Monopolen wie jenes der Lufthansa. Andreas Mundt ist FDP-Mitglied und war bereits in den 1990er-Jahren im Wirtschaftsministerium und als Sprecher der Bundestagsfraktion tätig. Er verantwortete die Bereiche Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.