Hier entsteht das nachhaltige Flugzeug von morgen
Das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) wollte vor zwei Jahren wissen, ob Bau, Betrieb und Entsorgung eines umweltfreundlichen Flugzeugs möglich sind. Nun sind Resultate des Projekts EXACT da
„Ohne das Team wären wir niemals so weit gekommen“, sagt Johannes Hartmann stolz. Er ist der Projektleiter von EXACT, Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies, einem Projekt des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt. Seit zwei Jahren arbeiten knapp 200 Menschen aus zwanzig verschiedenen DLR-Instituten an einem digitalen Entwurf eines klimafreundlichen Flugzeugs. „Wir sind eine Mischung verschiedenster Menschen, mit unterschiedlichsten kulturellen und fachlichen Hintergründen. Von Aerodynamiker bis hin zu Expertinnen von Life-Cycling haben wir hier alles“, erzählt Hartmann im Gespräch mit FUTURE MOVES.
Das ambitionierte Ziel des Projektes erfordert eine derart große Bandbreite an Spezialist:innen, denn das DLR soll die Grundlagenforschung des ganzen Lebenszyklus eines nachhaltigen Flugzeugs betreiben. Von der Planung, der Produktion, über den Betrieb bis hin zum Recycling des Fliegers arbeiten die Forschenden an der Entwicklung des Flugzeugs der Zukunft. Nun ist Halbzeit bei EXACT, zeit für eine Zwischenbilanz. Kann es so etwas wie das nachhaltige Flugzeug geben?
„Es gibt nicht nur einen Flugzeugantrieb, eine Flugzeuggröße oder eine Reichweite“
Johannes Hartmann, Projektleitung EXACT, DLR
Die gute Nachricht: „Es gibt nicht nur einen Flugzeugantrieb, eine Flugzeuggröße oder eine Reichweite, sondern zahlreiche verschiedene Lösungen mit Potenzial, die weiter vertieft werden müssen.“EXACT forscht deshalb an verschiedenen Flugzeugtypen gleichzeitig, weil sie alle ihre eigenen Vorteile und Herausforderungen besitzen.
Nachhaltige Kraftstoffe wie SAF auf der Basis von Biomasse sind eine gute Übergangslösung, doch deren Produktion wird voraussichtlich nicht ausreichen, um den weltweiten Bedarf zu decken. Für rein elektrisch betriebene Flugzeuge mit nennenswerter Reichweite, sind derzeit keine Batterietechnologien in Sicht, die genügend leicht sind. „Wir sehen hier das Potenzial von Plug-in-Hybriden oder Brennstoffzellen-elektrischen Flugzeugen“, so Hartmann. Mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge würden emissionsfrei fliegen, aber die heutige Flugzeugform dürfte neu gedacht werden, ausserdem müsste die dabei entstehende Wärme abgeleitet werden. Auch hier hat das EXACT-Team Ideen: „Wir haben neue Ideen gefunden, um die Installation der Brennstoffzellen im Flugzeug zu verbessern.“ Doch darüber spricht man noch nicht.
„Während des Flugzeugbetriebs lässt sich auch der Strombedarf im Flug reduzieren. Und am Rande erforschen wir auch die Wiederverwertbarkeit eines ausgemusterten Flugzeugs“, sagt Johannes Hartmann. Konzepte für einen klimafreundlicheren Flugzeugbau verfolgt EXACT ebenso.
Damit all die Ideen auch in die Tat umgesetzt werden können, ist das EXACT-Team mit zahlreichen anderen Akteuren in Kontakt. Man führt gemeinsame Forschungsprojekte mit der Industrie durch, spricht sich mit Fluggesellschaften, Zulieferer und Kund:innen ab oder prüft die Wechselwirkung der mit der Flughafeninfrastruktur. „Hierbei besprechen wir mit den Flughäfen, wie der Umbau auch mit der bestehenden Flotte möglich ist und die Sicherheit nach wie vor garantiert werden kann“, so der EXACT-Projektleiter. Am Hamburg Airport dient etwa neuerdings ein ausrangierter A320 als „Hydrogen Aviation Lab“, um die Abläufe und Prozesse am Boden im Umgang mit Wasserstoff zu überprüfen. Auch der Energiesektor sei ein nicht zu unterschätzender Spieler.
„Je weiter wir in die Zukunft blicken, desto abgefahrenere Technologien können im Einsatz sein“
Johannes Hartmann, Projektleitung EXACT, DLR
Die Forschung umgesetzt sieht Hartmann etwa 2035, die ersten Flieger könnten 2040 auf dem Markt erhältlich sein. „Und je weiter wir in die Zukunft blicken, desto abgefahrenere Technologien können im Einsatz sein. Ich denke hierbei an neue Batterien- und Brennstoffzellentechnologien“, so Hartmann weiter. EXACT möchte durchaus einen Paradigmenwechsel herbeiführen: „Wir arbeiten derzeit an der Skalierbarkeit von kleinen Flugzeugen, es können also andere Flugzeuggrößen angedacht werden. Und vielleicht wird jede Flugzeuggröße das optimale Antriebssystem dazu haben.“ In den nächsten zwei Jahren wird weiter an verschiedenen Fluggeschwindigkeiten und deren Wechselwirkungen auf das Flugzeug geforscht, das daraus entstandene Wissen im Anschluss veröffentlicht. Hartmann ist zuversichtlich: „Das Projektziel werden wir erreichen.“
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Johannes Hartmann
Nach einem Studium in Luft- und Raumfahrttechnik war Johannes Hartmann als Lehrassistent an der Technischen Universität Berlin tätig. Anschließend zog es ihn zu Airbus, wo er als Forschungsingenieur arbeitete. Bei Airbus war er immer wieder mit dem Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt in Kontakt, wo er heute die Projektleitung von EXACT übernimmt.
Annette Mann
Sie ist CEO von Austrian und war bis vor Kurzem Head of Corporate Social Responsibility in der Lufthansa Group. Annette Mann hatte in dieser Rolle mit den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart, dass sich Gesellschaft an einem Pionierprojekt zur Erzeugung von „grünem Wasserstoff“ beteiligt. Mitwirkende: das Energieministerium in Abu Dhabi, Siemens Energy, die Khalifa University und Ethihad Airways.