E-Mobilität liegt in der Luft
Ein Projekt, zwei Jahre Arbeit und rund 20 ETH-Studierende aus Zürich, die gemeinsam ein Ziel verfolgen: ein nachhaltiges, batteriebetriebenes Kleinflugzeug entwickeln und bauen
Dass der Flugverkehr unser Klima belastet, ist nicht neu. Doch leider gibt es bis heute kaum grüne Alternativen für Kerosin. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur die CO2-Emissionen durch den Treibstoff erhebliche Auswirkungen auf das Klima haben, sondern auch die im Flug emittierten Stickoxide sowie die Kondensstreifen. Letztere hängen zwar von Feuchtigkeit und Umgebungstemperatur ab und sind deshalb nicht immer in der Luft, haben jedoch wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge im Schnitt einen ebenso hohen Einfluss auf das Klima wie das CO2 selbst. Ob diese Nicht-CO2-Klimaeffekte durch Alternativen wie Sustainable Aviation Fuel oder Wasserstoff negiert werden, das wird aktuell untersucht.
Der ehemalige Weltrekordhalter und Seriengründer Carlo Schmid umrundete vor rund zehn Jahren die Welt in einem Kleinmotorflugzeug als jüngster Pilot bisher. Daraus entstand der Traum, elektrisch betriebenes Kleinflugzeug zu entwickeln. Nach einem Meeting mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich entstand die Idee, aus der Vision E-Luftfahrt ein Projekt für Studierende zu machen. Die Herausforderungen bei E-Antrieben in der Luftfahrt sind enorm: Gewicht und die Reichweite der Batterien spielen noch nicht so recht mit. Ein nachhaltiges, batteriebetriebenes Kleinflugzeug in der Schweiz – ob aus diesem Traum Wirklichkeit wurde?
Nach der Idee folgte recht schnell die Umsetzung. Mehrere Maschinenbau- und Elektrotechnik-Studierende der ETH haben sich in einem Fokusprojekt zusammengetan und sich der Aufgabe gestellt. Das Kernelement bildet eine Sling TSi vom südafrikanischen Flugzeughersteller Sling Aircraft, welche als Bausatz im Container in die Schweiz gelangte. „Den Motor haben wir uns erst gar nicht mitliefern lassen“, so Maurice Kaulich, Projektleiter der e-Sling. Lediglich die Flugzeugstruktur wurde übernommen. Das Projekt wird in einem Hangar des Innovationsparks Zürich in Dübendorf umgesetzt, durch den angeschlossenen Flugplatz die passende Location.
Mit dem Projekt kam allerdings auch die Pandemie: „Corona-bedingt mussten wir viel Homeoffice machen“, sagt Kaulich. Im September 2020 war der Projektstart, doch außer einer Konstruktionszeichnung mittels 3D und dem Wissen, dass ein elektrischer Antriebsstrang entwickelt werden muss, gab es noch nicht allzu viel Fundament, um mit dem Projekt zu starten. „Mit der Lieferung des Flugzeugs Ende November hat die Motivation zugenommen“.
„Das Know-how kommt häufig aus dem Internet“
Maurice Kaulich, Projektleiter von e-Sling
Berechnungen zur nötigen Größe der Schrauben und zur Gewichtsverteilung wurden während des Studiums gelehrt, doch das Wissen, wie man nun alles richtig zusammenbaut oder welcher Stecker benötigt wird, stammte aus einer anderen Quelle: „Das Know-how kommt häufig aus dem Internet“, verrät Maurice Kaulich. Und genau damit wurde letztendlich auch der Antriebsstrang gebaut. „Durch den Bau und die Arbeit mit den einzelnen Materialien hat man dann ein Gefühl dafür entwickelt.“
Ein weiterer wichtiger Ansprechpartner bei offenen Fragen war Sling Aircraft selbst. Zur Verfügung stand den Studierenden ein Chefingenieur, der bei offenen Fragen und Problemen immer erreichbar war: „Per Whatsapp-Video-Call hat er uns erklärt, wie wir spezifische Probleme beim Zusammenbau des Kits lösen können“, sagt Kaulich.
Über 150 Sponsor*innen unterstützen sowohl finanziell als auch mit ihrem Know-how die Studierenden bei ihrem Projekt. Im Sommer dieses Jahres wurde das Flugzeug in der Kategorie „homebuilt“ vom Schweizer Bundesamt für zivile Luftfahrt zugelassen. Vor wenigen Wochen ist der Traum dann in Erfüllung gegangen, denn am 19. September 2022 hob das vierplätzige, elektrische Kleinflugzeug e-Sling mit modularem Batteriesystem zum ersten Mal ab.
Um den Betrieb und den Unterhalt des Flugzeugs zu gewährleisten, haben die Studierenden schon im Sommer dieses Jahres einen Verein namens Cellsius gegründet. Die ETH Zürich möchte die Forschungen und Entwicklungen indes weiter vorantreiben: Das nächste Fokusprojekt für den nächsten Jahrgang ist bereits im Gange: Ein Batterie-Wasserstoff-Flugzeug, um künftig emissionsfreies Fliegen mit höherer Reichweite zu ermöglichen.
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Maurice Kaulich
Nach seinem Abitur war Maurice Kaulich als Infanterist in der Schweizer Armee eingesetzt. Seit September 2020 ist er durch sein Maschinenbaustudium an der ETH Zürich Teil des e-Sling Projekts und bis heute Leiter des Projekts.
Carlo Schmid
Nach der Ausbildung zum Segelflugpiloten absolvierte Carlo Schmid eine Motorflugausbildung. 2011 gründete er die RTW GmbH und flog im Rahmen eines Projektes als jüngster Pilot im Alleinflug in einem Kleinmotorflugzeug um die Welt.