„Auch kleine Bauteile sind ein ganz schöner CO2-Hebel“
FUTURE MOVES #53: Anna Goldhofer, Expertin für Kreislaufwirtschaft bei BMW, über transparente Lieferketten, steigende Sekundärrohstoffquoten – und Fußmatten
Mit 29 Jahren erfüllt Anna Goldhofer noch knapp das Eintrittskriterium des Clubs, den sie selbst gegründet hat. Critical Friends heißt das Kollektiv junger Ingenieur*innen, das nebenberuflich Firmen zum Thema Nachhaltigkeit berät. Die Gruppe greift Unternehmen unter die Arme, um ihnen mit frischem Blick und geballter Expertise in Sachen Innovation bei der Transformation zu helfen. Konstruktiv, aber auch kritisch – wie ein Freund eben.
Goldhofers Fachgebiet ist die Kreislaufwirtschaft, also der Versuch, Produkte möglichst vollständig zu recyceln und auf die Verwendung neu gewonnener Rohstoffe weitestgehend zu verzichten. Denn genau das ist ihre Aufgabe in ihrem eigentlichen Job. Seit mehr als neun Jahren ist Goldhofer beim Autobauer BMW. Zunächst parallel zu ihrem Wirtschaftsingenieurwesen-Studium mit Schwerpunkt auf Materialwissenschaften. Seit April 2018 als Expertin für Circular-Economy-Themen.
Zunächst war Goldhofer an der Entwicklung kreislauffähiger Bauteile für den Fahrzeuginnenraum beteiligt. Eine zu 100 Prozent wiederverwertbare Fußmatte ist mittlerweile in Serie gegangen. Das Beispiel Fußmatte mag trivial klingen, so Goldhofer im FUTURE MOVES Podcast. Doch bei bei vier Fußmatten pro Fahrzeug und mehreren Millionen neu produzierter Pkw im Jahr komme man schnell auf große Stückzahlen. „Einfachere, kleinere Bauteile umzustellen, hat in Summe einen ganz schönen Hebel in puncto Materialnutzung und CO2“, sagt Goldhofer.
Aktuell kümmert sie sich sich darum, die Lieferketten des Konzerns in Richtung Senkung des Ressourcenverbrauchs zu trimmen. Die Maßnahmen, die auf dieses Ziel einzahlen, sind vielfältig. BMW will die Sekundärrohstoffquote in den kommenden Jahren von aktuell 30 auf 50 Prozent steigern. Außerdem arbeitet man daran, die Materialvielfalt in den Fahrzeugen zu reduzieren und kaum recyclebare Verbundmaterialien zu ersetzen.
„Ich bin dagegen, dass Verantwortung bei Konsument*innen liegt“
Anna Goldhofer
Das Schließen von Kreisläufen betrifft aber nicht nur das Produkt selbst, sondern auch dessen Herstellung. Hier könne BMW inzwischen erste Erfolge vorzeigen, erklärt Goldhofer. Durch die Rückführung von Wolfram-Bits, die im Werk zum Bohren und Fräsen eingesetzt werden, würde man mittlerweile mehrere Tonnen des wertvollen Rohstoffs pro Jahr wiederverwerten.
Die Bereitschaft, die eigenen Prozesse zu hinterfragen und angefangen bei kleinen Details so zu optimieren, dass die Produkte nachhaltiger werden, ist für Goldhofer eine der dringlichen Aufgaben der Industrie. „Ich bin dagegen, dass sämtliche Verantwortung in Bezug auf nachhaltigen Konsum bei Konsumentinnen liegt“, sagt sie Circular-Economy-Expertin.
Welche Rolle dabei Überzeugungsarbeit bei Zulieferern spielt, warum sie als jemand, der nie ein Auto besessen hat, heute ausgerechnet bei einem Autohersteller arbeitet, und weshalb dieser quasi fabrikneue Fahrzeuge direkt wieder auseinander schrauben lässt, das verrät Anna Goldhofer in dieser Episode des FUTURE MOVES Podcasts.
Über diese Themen spricht Anna Goldhofer im FUTURE MOVES-Podcast
… den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft (2:25)
… die Sekundärrohstoffziele von BMW (5:05)
… Produktgestaltung als Basis der Kreislaufwirtschaft (9:37)
… Kooperationen mit Zulieferern und Startups (12:17)
… Wie die Kolleg*innen für das Thema Kreislaufwirtschaft gewinnt (14:26)
… Verantwortung von Herstellern und Kund*innen (16:11)
… ihren aktueller Job, Lieferketten zu transformieren (17:30)
… Konkrete Beispiele von Closed Loops (19:26)
… wie BMW Vorserienautos auf Recyclingfähigkeit prüft (25:10)
… Materialvielfalt und mangelhafte Ausbaubarkeit als Problem (27:46)
… das von ihr mitbegründete Beratungskollektiv Critical Friends (30:39)
… ihren „Mix der Woche“ (40:38)