Am Ende sind Autos auch nur Menschen. Zumindest selbstfahrende Pkw, die einfach erstarren, sobald der Stress für sie zu groß wird. „Ein gutes, autonom ausgerüstetes Fahrzeug steht zitternd im dichten Pendlerverkehr vor lauter Angst, sich bewegen zu können. Weil nämlich ein solches Fahrzeug sich an alle Verkehrsregeln hält. Und das führt dazu, dass es meistens steht.“ 

Das sagt Günther Schuh, Ingenieur und Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen. Bekannter ist er jedoch für seine unternehmerischen Tätigkeiten als Serien-Gründer erst des E-Lieferauto-Herstellers Streetscooter, dann des Kleinwagen-Start-ups e.Go Mobile. Und vor kurzem hat Schuh sein neuestes Mobility-Projekt enthüllt: Meta, ein Shuttle, mit dem der Gründer die Zukunft des Pendelns neu definieren will – und aus diesem Grund an einer entscheidenden Stelle äußerst konservativ unterwegs ist.

„Wir haben im Prinzip nur drei Stunden Verkehrsproblem pro Tag“

Günther Schuh

„Typisch akademische Produkte“ – so nennt Günther Schuh seine Erfindungen in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts. Das klingt zunächst überraschend und eher nach irgendwelchen Innovationen knapp oberhalb von Grundlagenforschung. Doch seine Fahrzeugkonzepte basierten immer auf einer wissenschaftlichen Analysen, so Schuh. Auch wenn sie im Grunde „No-Brainer“ seien. Etwa das Lieferfahrzeug Screetscooter, mit dem er 2010 die Lieferung auf der letzten Meile elektrifiziert hat – zu einem Preis, der mit dem Verbrenner konkurrieren kann.

Nun also greift Schuh sich das Problem des Berufsverkehrs – oder vielmehr das von dadurch verursachte Übel. „Wir haben im Prinzip nur drei Stunden Verkehrsproblem pro Tag“, sagt er. Nämlich dann, wenn alle zur selben Zeit irgendwie rein und raus aus der Stadt wollen. Daran würde auch eine Umstellung auf selbstfahrende Pkw nichts ändern. „Autonomes Fahren ist keine Lösung für den Verkehrsinfarkt“, so Schuh – Begründung siehe oben.

Dem täglichen Stau könne man allein dadurch begegnen, indem der Verkehr verringert wird. Es geht also darum, einen Weg zu finden, Personen mit dem gleichen Weg in weniger Fahrzeugen zu bündeln. Die naheliegende Idee, die Bildung von Fahrgemeinschaften stärker zu fördern, sei allein allerdings keine zielführende Option, so Schuh. Befragungen hätten gezeigt, dass viele Leute nicht bereit seien, Tag für Tag Knie an Knie mit Kolleg:innen ins Büro zu pendeln.

Mit Meta will Schuh darum ein Mobilitätsökosystem erschaffen, das nicht nur eine attraktivere Alternative bietet. Es soll einen Mehrwert für alle am Thema Berufsverkehr Beteiligten schaffen. Das verlangt logischerweise eine deutlich höhere Komplexität als das klassische Carpooling. Schuhs Vision sieht so aus: e.Volution, die Firma hinter Meta, wird seine Shuttles an Unternehmen vermieten. Diese können dann ihren Mitarbeitenden eine für sie kostenlose Pendeloption anbieten, weil die elektrischen Shuttles in die CO2-Bilanz der Unternehmen angerechnet werden können. 

Futuristisches Design und innovatives Konzept als Lösung für ein Problem der Gegenwart: Günther Schuhs „Meta“-Shuttle. Foto: e.Volution

Um die Kosten gering zu halten, sollen Kolleg:innen die Steuerung der Shuttles übernehmen. Wofür sie im Gegenzug das Fahrzeug in ihrer Freizeit kostenfrei nutzen können. Durch ein System aus Mobility-Hubs soll sichergestellt werden, dass der Verkehr in gewissem Maße zentralisiert wird und so eine dichte Folge von Shuttles angeboten werden kann. Besonders geeignet sei dieses Modell dort, wo es ein großes oder viele räumlich geballte Unternehmen gibt. Sein Start-up spreche bereits mit der Telekom in Bonn, so Schuh. Weitere Pilotprojekte seien in Münster, Aachen und Bochum geplant. 

In der aktuellen Podcast-Episode gewährt Günther Schuh aber nicht nur tiefe Einblicke in sein neues Venture Meta. Er blickt auch zurück auf seine früheren Unternehmen Streetscooter und e.Go Mobile. Außerdem geht es im Innovationskultur in der deutschen Autoindustrie, Zulieferer als Wegbereiter neuer Technologien und To-dos für die Politik, um mehr Akademiker:innen zur Unternehmensgründer:innen zu machen.

Über diese Themen spricht Günther Schuh im FUTURE MOVES Podcast:

… warum das Meta-Shuttle (zunächst) nicht autonom fahren soll (3:22)

… das Problem an klassischen Fahrgemeinschaften (8:27)

… den USP der Meta-Shuttles und potenzielle Kunden (12:08)

… den Zeitplan der Produktion und geplante Stückzahlen (18:05)

… die Bewertung des Start-ups und eine geplante Fundingrunde (19:51)

… welche Rolle modifizierte Parkhäuser im Meta-Konzept spielen (20:55)

… wie man Menschen zur Nutzung innovativer Mobility-Ideen bewegt (24:16)

… die Wahl des Namens „Meta“ (27:04)

… den Status der Antriebswende und die Zukunft von Verbrennern (27:57)

… Rolle der Zulieferer als Wegbereiter von Innovationen (32:54)

… wie offene Haftungsfragen bei AVs Auto-Abomodelle befördern (36:27)

… warum er Meta nicht zusammen mit einem OEM realisiert (37:39)

… die Bedeutung von Ratgebern aus der klassischen Autoindustrie (39:25)

… wieso er nach seinem Ausstieg bei e.Go erneut gegründet hat (42:13)

… die Funktion als Role Model für Akademiker:innen (44:19)

… seinen „Mix der Woche“ (52:54)