„Mir wird vorgeworfen, ich wolle die Industrie zerstören“
FUTURE MOVES Podcast #29: Jan Hegenberg aka „Der Graslutscher“ ist Twitters emsigster Faktenchecker in Sachen Energie- und Verkehrswende. Warum tut er sich das an?
„Ja, genau so isses.“ Immer wenn Jan Hegenberg diesen Satz auf Twitter liest, dann denkt er sich: „Ja, genau so ist es eben nicht.“ Denn sobald es um komplexe Themen wie den CO2-neutralen Umbau der Energieversorgung oder Rohstoffe für die Antriebswende geht, gibt es in der Regel eben keine einfachen Antworten. Was es dafür umso mehr gibt: Fake-News. Und wie viele Menschen, die Ahnung von Fakten und ihren Zusammenhängen haben, kann sich auch Hegenberg, der bei Twitter unter dem Handle @DerGraslutscher unterwegs ist, über den Quatsch, der da steht, ziemlich aufregen.
Doch statt direkt zurückzutrollen macht er sich an die Arbeit und checkt in mühevollen Recherchen alle Aussagen, um in der Regel jede Menge sachliche Fehler zu finden. Dabei belässt er es nicht. Hegenberg schreibt die Ergebnisse seiner Recherchen in ausführlichen, auch für Laien verständlichen und ziemlich unterhaltsamen Blogposts zusammen. So hat er es zunächst mit Mythen zum Thema Veganismus gemacht – aus dieser Zeit stammt sein Pseudonym – und so tut er es seit ein paar Jahren bei den Themen Ausbau der Erneuerbaren Energien und Elektroautos.
Dabei hält sich Hegenberg nicht mit dem Quatsch auf, den selbsterklärte Expert:innen auf Twitter raushauen. Triggern würden ihn vor allem, wenn sichtlich falsche oder irreführende Stellen aus TV-Dokumentationen, News-Artikel oder Aussagen populärer Wissenschaftler:innen auftauchen und von Gegner:innen der Energiewende Tausendfach in sozialen Medien geteilt würden. Und dann schnappe er sich eben das, was ihn am meisten aufregt. „Das schiebe ich einfach vor alles andere – auch vor die Steuererklärung die ich eigentlich machen müsste“, sagt Hegenberg.
„Meine Hoffnung ist, nicht mehr über jeden Pups streiten zu müssen“
Jan Hegenberg, Blogger und Buchautor
Die Reaktionen auf seine Faktenchecks sind mitunter nicht weniger skurril als die Fake-News, an denen Hegenberg sich abarbeitet. „Mir wird vorgeworfen, ich wolle die deutsche Industrie zerstören.“ Solche Sachen höre er immer wieder. Doch die Mehrheit seiner inzwischen über 65.000 Twitter-Follower:innen schätzt seine Faktencheck, lasse ihm aber keine Ungenauigkeit durchgehen, so Hegenberg. „Ich kriege auch immer noch schön viel Kritik von meinen eigenen Leserinnen.“ Und das sei durchaus in seinem Sinn. Wer wolle seinem Publikum Argumente gegen Fakenews in die Hand geben, es aber auch dazu anregen, sich selbst ein Bild zu machen.
Der Blick auf seine Anfänge ist er hoffnungsvoll. Bei vielem, was damals in den sozialen Medien noch als Fakt zum Thema Veganismus gehandelt wurde, sei mittlerweile selbst Omnivoren klar, dass es sich um einen Mythos handelt. Hegenberg glaubt, dass es bei den Themen E-Auto und Energiewende ebenso können dürfte. Dass es schon einmal geklappt habe, sei ein großer Antrieb. „Meine Hoffnung ist“, sagt Hegenberg, „dass wir in fünf Jahren nicht mehr die absurden Debatten führen wie heute und wir nicht mehr über jeden kleinen Pups streiten müssen.“
Über diese Themen spricht Jan Hegenberg im FUTURE MOVES Podcast:
… wie er zum Fact-Checking kam und wie er vorgeht (3:00)
… die Top-Fünf-E-Auto-Mythen und warum es alternativlos ist (6:24)
… welche Zielgruppen er mit einen Recherchen erreicht (11:49)
… Quellen von Fake-News über die Energie- und Antriebswende (16:47)
… wie Russlands Angriff auf die Ukraine seine Arbeit beeinflusst hat (21:19)
… Schritte, um die Energiewende an die aktuelle Krise anzupassen (25:53)
… wieso Zukunftstechnologie weniger verehrt wird als der Diesel (30:11)
… die Motivlage der Verteidiger der Verbrennertechnologie (34:01)
… Mobility-Innovationen, die mehr Beachtung verdienen (35:44)
… die Propaganda für eine bessere Zukunft (39:11)
… Follower:innen, die ihn um Rat bitten (42:09)
… die unterschiedlichen Bubbles, die er erreicht (44:04)
… seinen „Mix der Woche“ (46:12)
… Multimodalität auf dem Weg vom Wunsch zu Wirklichkeit (48:23)