„Wir haben den ÖPNV in die falsche Richtung optimiert“
Wie steht es um den ÖPNV und was bringt das Deutschlandticket? Verkehrsökologe Jochen Eckart über die wissenschaftliche Auswertung der ARD-Aktion #besserBahnfahren
Unter dem Hashtag #besserBahnfahren haben die ARD-Sender gerade eine sogenannte Mitmach-Aktion veranstaltet. Über mehrere Wochen wurden Zuschauer*innen und -hörer*innen nach ihren persönlichen Erfahrungen im ÖPNV befragt – und wie sich diese seit dem Start des Deutschlandtickets verändert haben. Einige der Befragten wurden anschließend sogar mit der Kamera begleitet. Am Ende entstand so ein „Thementag“ der ARD (hier in der Mediathek) über die große Herausforderung der Verkehrswende: Menschen weg vom Auto hin zu Bus und Bahn zu kriegen.
Bei #besserBahnfahren ging es aber nicht nur darum, Sendungen zum Thema ÖPNV zu produzieren und auf den diversen ARD-Kanälen auszuspielen. Gewissermaßen das Zentrum der Aktion bildet eine wissenschaftliche Auswertung der gesammelten Daten. Gast in dieser Episode des FUTURE MOVES Podcasts Jochen Eckart, Professor für Verkehrsökologie am Baden-Württemberg Institut für Nachhaltige Mobilität an der Hochschule Karlsruhe.
„Pünktlichkeit ist das dominierende Belang“
Jochen Eckart
Eckart verantwortet die Erforschung des #besserBahnfahren-Datensatzes verantwortet und erteilt Auskunft, wie die Befragten den ÖPNV in Deutschland erleben, was sie nervt, aber auch welche positiven Erfahrungen sie machen. Auch wenn die wissenschaftliche Auswertung erst begonnen hat, lassen sich doch schon einige Erkenntnisse festhalten.
„Pünktlichkeit ist das dominierende Belang“, sagt Eckart. Erst mit gewissem Abstand folgen dann Aspekte wie Taktdichte, Fahrzeit und Wartezeit. Besonders interessant: Das Deutschlandticket habe dazu geführt, dass das früher bestimmende Kriterium Kosten heute fast) keine Rolle mehr spielt, so Eckart. Dies werde auch indirekt dadurch sichtbar, dass Befragten, die in der Vergangenheit den ÖPNV nur gelegentlich genutzt haben, nun zu regelmäßigen ÖPNV-Nutzer*innen geworden seine, berichtet Eckart.
Zugleich zeige die hohe Bedeutung, die dem Aspekt Pünktlichkeit beigemessen werde aber auch, dass der ÖPNV ein Problem hat, der sich durch das Deutschlandticket nicht abstellen lässt. „Wir haben uns lange Zeit in die falsche Richtung hin optimiert“, sagt Eckart. Doch für die auftragegebenden Kommunen und Länder möglichst preiswerte Busse und Bahnen seien am Ende für die Nutzenden eben weniger attraktiv als ein finanziell besser ausgestattetes System. „Ich glaube“, sagt Eckart darum, „wir müssen jetzt mal wieder schauen: Okay, wie kriegen wir das Ganze deutlich zuverlässiger.“
Über diese Themen spricht Jochen Eckart im FUTURE MOVES Podcast:
… die wissenschaftliche Begleitung der Aktion #besserbahnfahren (02:55)
… den Effekt der Einführung des Deutschlandtickets (05:35)
… was Kund*innen am ÖPNV negativ und positiv bewerten (09:00)
… welche Schlüsse Verkehrsunternehmen daraus ziehen sollten (15:02)
… Angebotsverbesserung als wichtiges To-Dos (17:02)
… Zahl und Zusammensetzung der Teilnehmenden (19:12)
… die Weiterentwicklung des Forschungsformats (22:37)
… die Rolle des Fahrrads im ÖPNV-Kontext (24:42)
… ob das Deutschlandticket Menschen vom Auto wegbringt (29:57)
… nachvollziehbare Gründe für die Nichtnutzung des ÖV (32:29)
… das Deutschlandticket als Produkt für urbane Kund*innen (35:05)
… differenziertere Angebote im ÖPNV auf dem Land (38:13)
… seinen „Mix der Woche“ (43:44)
… Standardisierung in Befragungen zur Verkehrsmittelwahl (46:38)
… Effekt der Klimakrise auf den ÖPNV (49:59)