„Nur mit Rückschau und Analyse erreichen wir Vision Zero nicht“
Sofia Salek de Braun ist Expertin für Verkehrssicherheit und fordert mehr proaktive Maßnahmen zur Unfallvermeidung
Es gibt Dinge, gegen die eigentlich niemand was haben kann. Zum Beispiel, dass möglichst keine Menschen durch den Straßenverkehr sterben. Tatsächlich jedoch tun das erschreckend viele: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 2.782 Verkehrstote gezählt, europaweit waren es mehr als 20.000. Und weltweit sterben nach Schätzungen jedes Jahr über 1 Million Menschen. Unfälle im Straßenverkehr sind laut WHO die häufigste Todesursache von Kindern und jungen Menschen.
Eigentlich logisch, dass jede Anstrengung unternommen werden muss, den Straßenverkehr sicherer zu machen. „Vision Zero“ heißt das Konzept, das Verkehr als Todesursache abschaffen will. Wie das genau geht und woran die Welt ohne Verkehrstote bislang noch viel zu oft scheitet, darum geht es in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts mit Sofia Salek de Braun.
„Autonome Fahrzeuge könnten zur Verkehrssicherheit beizutragen“
Sofia Salek de Braun
Salek de Braun arbeitet als Solution Director Traffic Safety bei der PTV Group. Das IT- und Beratungsunternehmen entwickelt Software für Städte und Mobilitätsanbieter, wie zum Beispiel Simulations- oder Modellierungstools. Die helfen den Kund*innen, Mobilität und Verkehr zu planen und effizienter zu machen. Aber auch die Sicherheit des Straßenverkehrs ist ein Thema, das bei der PTV Group immer wichtiger wird.
Zum Thema „Vision Zero“ kam Salek de Braun auf denkbar tragische Weise: Bei einem Unfall starben eines ihrer Kinder und ihre Schwiegereltern. Dieses persönliche Unglück wurde für sie zum Ausgangspunkt der Mission, Straßen global sicherer zu machen. Zunächst neben dem Job und mittlerweile full-time bei der PTV Group.
Als einen der wichtigsten Schritte nennt Salek de Braun einen Perspektivwechsel. „Allein mit Rückschau und Analyse werden wir Vision Zero nicht erreichen“, sagt sie im Podcast. Denn nach aktueller Gesetzeslage müsse immer erst etwas passiert sein, ehe an Gefahrenstellen für mehr Sicherheit gesorgt werden muss.
Um das zu ändern, appelliert Salek de Braun dafür, dass Städte und Kommunen häufiger Expert*innen für Verkehrssicherheit schon während der Planungsphase neuer Infrastruktur hinzuziehen und in Simulationen das Thema Unfallgefahr gegenüber der gesetzlich geforderten Leistungsfähigkeit stärker zu gewichten.
Positiv blickt Salek de Braun in die Zukunft. „Autonome Fahrzeuge haben ein großes Potenzial zur Verkehrssicherheit beizutragen“, sagt sie. Aufgrund der Vielzahl von Daten, die sie erfassen, und ihrer Rundumsicht könnten sie weniger gefährlich für andere Verkehrsteilnehmende sein. Allerdings fehle ihnen eine Eigenschaft, die helfen könne, Unfälle zu vermeiden: Intuition.
Doch es gebe auch Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit in der Gegenwart, die zudem komplett ohne Daten und Tools auskommen. Etwa die Senkung der Geschwindigkeit an potenziellen Gefahrenstellen – ein Weg, dem das BMDV nach zähem Widerstand nun ein wenig die juristische Tür öffnen will, wie am Tag der Aufnahme dieses Podcasts bekannt wurde.
Über diese Themen spricht Sofia Salek de Braun im Podcast:
… die Akzeptanz von Unfällen als Teil der Mobilität (02:34)
… die problematische Strategie der Verkehrssicherheit (04:59)
… proaktive Audits und mehr Eigenverantwortung (08:07)
… den tödlichen Verkehrsunfall ihrer Familie (11:00)
… wie sie zur Aktivistin für mehr Sicherheit wurde (17:16)
… von privatem Engagement zur beruflichen Aufgabe (22:54)
… digitale Tools für die Verkehrsplanung und -sicherheit (23:22)
… das Projekt gefahrenstellen.de (28:30)
… ein produktiverer Umgang mit Gefahrenstellen (34:04)
… wie Fahrraddaten den Verkehr sicherer machen (39:31)
… ob autonome Autos sicherer sind (42:42)
… die dringlichsten To-Dos für mehr Sicherheit (46:14)
… ihren „Mix der Woche“ (49:12)
… wann „Vision Zero“ zu erreichen ist (54:23)