Online einen Mietwagen zum Flug dazu buchen, ist heute möglich, ohne dass man dafür mehrere Plattformen abklappern müsste. Doch der Logistikbereich hinkt in Sachen digitale Buchungsportale hinterher – mit spürbaren Folgen für die Umwelt. Viele Unternehmen sind zwar interessiert ihre Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Doch die Organisation solcher intermodalen Transportketten ist aktuell deutlich komplizierter – und damit teurer – als der Transport nur mit dem LKW. Und so bleibt alles wie gehabt. Noch. Denn gleich zwei Startup-Projekte arbeiten an einer Lösung dieses Problems im Lieferverkehr. 

„CO2-Ziele sind einfach zu erreichen, wenn der Verkehrsträger geändert wird.“

Martin Roggermann, Projektleiter bei Truck2Train

„Ein intensiverer Umwelt- und Klimaschutz wird sich im Lieferverkehr nur einstellen, wenn auch der Anteil der Schiene wächst“, sagt Martin Roggermann, Referent für Verkehrspolitik bei dem Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene und Projektleiter für Truck2Train. Im Straßengüterverkehr gebe es einen gewissen Veränderungsdruck, immer mehr Verlader hätten jetzt CO2-Ziele, sagt Roggermann, „diese Ziele sind einfach zu erreichen, wenn der Verkehrsträger geändert wird.“ Dabei muss die Schiene gar kein vollständiger Ersatz für die Straße sein. Die Lösung heißt: Kombinierter Verkehr. 

Beim Kombinierten Verkehr (KV) werden für die Lieferstrecke unterschiedliche Verkehrsmittel genutzt. Für die letzte Meile werden die Güter meist per LKW transportiert, die langen Strecken auf der Schiene. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen sei der Personalaufwand, um eine Transportkette im KV zu organisieren, einfach zu groß, erklärt Roggermann. Trotz der steigenden KV-Nachfrage, folgt darum bislang kaum eine Steigerung des Angebots. 

Mit dem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Projekt Truck2Train sollen bestehende Hürden für den KV ausfindig gemacht und bessere Lösungen gesucht werden. Ziel ist, dass auch kleinere Transportunternehmen den Schienengüterverkehr nutzen können. „Wir wollen die Straße und Schiene zusammenbringen und in einer Blaupause zusammenfassen, was gebraucht wird, damit solche Plattformen funktionieren“, sagt Roggermann. Das Ergebnis: Handlungsempfehlungen für digitale Plattformbetreiber und Operateure von KV. Die Erkenntnisse sind öffentlich, das heißt alle können die Ergebnisse des Projekts nutzen.

Zwei deutsche Firmen sind schon in Aktion getreten. Modility und Rail-Flow arbeiten an digitalen Buchungssystemen, die den Einstieg in den KV vereinfachen. „Wir wollen Spediteure und Operateure auf unserem Online-Marktplatz zusammenbringen und den Kombinierten Verkehr in Europa stärken“, sagt Nils Funke vom Startup modility, einem Spinn-Off der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), das 2020 ausgegründet wurde.

„Spediteure können die CO-Emissionen jeder Route sehen und die CO2-günstigere wählen.“

Nils Funke, Modility

„Mit unserem Tool kann man ohne große Vorkenntnisse im Kombinierten Verkehr Verbindungen selbstständig finden, planen und buchen“, sagt Funke. Über 350 Verbindungen und 40 registrierte Operateure könne das Unternehmen schon vorweisen. „Die bisher aufwendige Organisation von intermodalen Lieferketten lässt sich damit einfacher umsetzen“, so Funke.

Im Kombinierten Verkehr läuft viel über Fax und Telefon. Modility bringt die Branche mit seinem Buchungsportal in die digitale Gegenwart

Je länger der Transportweg ist, desto größer wird das Potenzial,  CO2-Emissionen einzusparen. Daten des Umweltbundesamtes zeigen: Der Gütertransport auf der Schiene kann gegenüber dem Straßengüterverkehr Emissionen um den Faktor sieben einsparen. „Spediteure können bei der Buchung die CO2 Emissionen der jeweiligen Route sehen und dann die CO2-günstigere wählen“, sagt Funke von Modility. 

Die nächsten Meilensteine stehen für das Unternehmen schon fest: Das Netzwerk in Deutschland und Europa soll vergrößert werden. „Wir wollen die Bekanntheit von Modility steigern, die Nutzung des Tools im Alltag der Disponenten etablieren und das Portal bedarfsgerecht weiterentwickeln“, sagt Funke.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Startup Rail-Flow aus Frankfurt am Main. Das 2020 gegründete Unternehmen will mit seinem SaaS-Tool (Software as a Service) Lösungen den Schienenverkehr zugänglicher machen. „Bisher ist die Buchung von Intermodalen Stellplätzen mit viel manuellem Aufwand verbunden, es fehlte ein digitales und neutrales Vermittlungsportal, das Transparenz über freie Transportkapazitäten am Markt schafft und eine direkte Buchung und Abwicklung ermöglicht“, sagt Dominik Fürste, CEO von Rail-Flow. Kleine Spediteure hätten oft nicht das Netzwerk und könnten mit ihren kleinen Einheiten keinen ganzen Zug buchen. Eine weitere Sache, an der der Einstieg in den KV oft noch scheitert.

Mit dem Intermodal Capacity Broker von Rail-Flow können Transportunternehmen und Spediteure freie Kapazitäten auf der Schiene sowie den Vor- und Nachlauf mit dem LKW buchen. Das Unternehmen geht jedoch noch einen Schritt weiter und bietet eine ganze Reihe an SaaS-Lösungen an, die von der Suche eines Transportpartners bis zur Rechnungsstellung reichen. Fürste spricht von einem „Ökosystem von innovativen Kollaborationslösungen“.

Die nächsten Meilensteine stehen für Truck2Train und die beiden deutschen Unternehmen fest: Die Produkte weiter ausbauen und das Netzwerk erweitern. Doch es gibt in der Logistikbranche eine weitere Herausforderung, der auch nicht mit der besten Software beizukommen ist: Es fehlt am notwendigen Equipment. „Viele Unternehmen besitzen nur nicht kranbare Einheiten, die im kombinierten Verkehr nicht genutzt werden können“, sagt Roggermann. Bleibt zu hoffen, dass auch hier jemand bereits an einer Lösung arbeitet. Denn die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn der Transport auf der Schiene an Fahrt gewinnt.

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Martin Roggermann

Martin Roggermann

Roggermann Ist Referent bei Allianz Pro Schiene und Projektleiter Truck2Train. Er sagt: Die Initiative, hinter der als weiterer Partner der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung steckt, könne bei der Verlagerung von Lieferverkehr auf die Schiene eine besondere Vermittlungsrolle spielen.

Shift2030

Shift2030

Auch Shift2030 setzt sich mit Unterstützung von EU Förderung für die Schiene ein. In dem Projekt werden konkrete Innovationen gefördert, wie beispielsweise ein Adaptersystem für den kombinierten Verkehr. Damit kann der Einstieg in den intermodalen Transport weiter vereinfacht werden.