„Metalle sind für 60% der CO2-Emissionen eines Autos verantwortlich“
FUTURE MOVES Podcast #13: Merle Groneweg von der NGO Power Shift über Rohstoffe in der Autoindustrie zwischen Problem und Hebel für eine gerechtere Weltwirtschaft
Digitalisierung hin, Antriebswende her, am Ende ist auch das modernste Auto noch immer eine Blechkiste. Das sagt Merle Groneweg. Und die Rohstoffexpertin muss es wissen. Sie hat sich eingehend mit den im Automobilbau verwendeten Materialien und ihrer Gewinnung sowie den Folgen für Mensch und Umwelt auseinandergesetzt. Ihr Fazit fällt ernüchternd aus: „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“. So lautet der Titel einer Studie, die sie verfasst hat.
Denn die große Bedeutung, die Metalle im Automobilbau haben – die Branche nimmt etwa ein Viertel des weltweit produzierten Stahls ab – sind in mehrerer Hinsicht problematisch. Zunächst werden diese Rohstoffe in der Regel durch extrem energieintensiven Bergbau gewonnen. „Metalle sind für viele der Emissionen in der Produktion eines Autos verantwortlich“, sagt Groneweg in der aktuellen Episode des FUTURE MOVES Podcast. „Es können bis zu 60 Prozent sein.“ Doch das ist nicht das einzige Problem.
Die Antriebswende hat die Herkunft der in Autos verbauten Rohstoffe zum Thema gemacht. Denn die sind in vielen Fällen außer konfliktreich, weil ihre Gewinnung mit negativen Effekten für die Umwelt oder die beteiligten Menschen verbunden ist. Vor allem die negativen Begleiterscheinungen der für die Herstellung von Batteriezellen wesentlichen Metalle Kobalt und Lithium haben das Bewusstsein für problematische Rohstoffe geschärft.
„Eine wahnsinnig große Herausforderung“
Merle Groneweg
So führt die Gewinnung von Lithium aus Solen etwa zur massiven Entnahme von Wasser in ohnehin schon trockenen Regionen Südamerikas. Im Fall von Kobalt sind es die prekären Abbaubedingungen und verbreitete Kinderarbeit. Wenn Groneweg in ihrer Studie also eine Reduzierung der Pkw-Anzahl oder zumindest ihrer Dimensionen fordert, dann aus einem einfachen Grund: „Was kleiner ist, da ist weniger Rohstoff drin, da reduziert man natürlich die eingebauten Konflikte automatisch.“
Dass Autokonzerne die Produktion von SUV trotz vorhandener Nachfrage zugunsten von Kleinwagen drosseln, ist nicht zu erwarten. Doch immerhin beobachtet die Rohstoffexpertin bei den Herstellern ein wachsendes Bewusstsein für das Thema Rohstoffe. Eine guten Entwicklung sei beispielsweise, dass BMW, Mercedes und mittlerweile auch VW der „Initiative for Responsible Mining Assurance“ beitreten. Die NGO setzt sich für bessere Arbeits- und Umweltbedingungen in Minen ein.
Groneweg wünscht sich allerdings mehr Tempo und mehr Transparenz von den Herstellern – erkennt aber an, dass es sich bei Autos, etwa im Vergleich zu Smartphones, um extrem komplexe Produkte handele: „Also ich ich will mich gar nicht da hinstellen und sagen, die Autokonzerne sind einfach blöd und kriegen es nicht hin, sondern es ist eine wahnsinnig große Herausforderung.“
Dennoch will Groneweg sich nicht auf freiwillige Programme und Selbstverpflichtungen verlassen. Nur über Regulierungen wie Lieferkettengesetze oder die EU-Batterieverordnung, die steigende Recyclingquoten vorschreibe, sei ein Wandel erreichbar, sagt die Expertin. Wie diese Regulierungen zu einer Verbesserung der Rohstoffsituation beitragen werden, warum man in den USA bei dem Thema bereits viel weiter ist als in Europa, und welche Autohersteller sich im Bemühen um eine fairere und umweltfreundlichere Rohstoffproduktion hervortuen, das erklärt Merle Groneweg in dieser Episode des FUTURE MOVES Podcast.
Die Themen im FUTURE MOVES Podcast mit Merle Groneweg:
… welche Rohstoffe den größten CO2-Fußabdruck haben (3:28)
… mit Blick auf Umwelt und Menschenrechte problematische Rohstoffe (9:39)
… den Umgang der Autoindustrie mit dem Thema (9:39)
… die Macht der Industrie, Verbesserungen durchzusetzen (11:47)
… Firmen, die beispielhaft für die Autobranche sein könnten (13:44)
… die Komplexität der Lieferketten und Intransparenz (16:33)
… das EU-Lieferkettengesetz und ein Vergleich zu den USA (19:16)
… den Einfluss von Konsument:innen (23:50)
… gesetzliche Regulierungen vs. Selbstverpflichtungen der Industrie (28:33)
… Maßnahmen, um Wirtschaftsbeziehungen gerechter zu gestalten (30:05)
… wie sich der Anteil recycelter Rohstoffe erhöhen ließe (35:45)
… mehr Transparenz in der Darstellung von Lieferketten (38:03)
… ihren „Mix der Woche“ (40:43)
… das Thema Rohstoffe in der Fahrradbranche (41:55)