Dieses Auto soll 40 Jahre halten
Wie zwei Brüder aus Österreich mit ihrem Familienkombi Alveri Falco die Idee vom Refurbishing von Elektrogeräten auf die Mobilität übertragen
„Wir wollen nicht nur die Konsumenten von Produkten sein, die aus den USA und oder China geliefert werden, sondern selber Gestalter der Mobilität der Zukunft.“ Das sagt der 32-jährige Ehsan Zadmard zur Motivation, gemeinsam mit seinem Bruder Jakob 2019 eine Firma im Mobility-Bereich zu gründen: Alveri. Klingt italienisch, dabei befindet sich der Firmensitz rund 50 Kilometer südlich von Passau in der österreichischen Kleinstadt Ried im Innkreis.
Als erstes Produkt hat Alveri Ende 2020 eine kostenlose App herausgebracht, die das Fahrverhalten der User trackt und ihnen anschließend ein für ihren Bedarf passendes Elektroauto vorschlägt. Mit Analysen für Flottenkunden wird sogar etwas Geld verdient. Außerdem vertreibt Alveri Ladestationen unterschiedlicher Hersteller und hat im Juni 2021 den Prototypen eines Laderoboters präsentiert, der eines Tages selbstständig auf Parkplätzen umherfahren und Elektroautos betanken soll. Gerade hat Alveri ein drittes Standbein vorgestellt: Das Startup will ein eigenes Auto auf den Markt bringen. Ein Projekt, so visionär wie waghalsig. Und darum hätten die Brüder sich keinen passenderen Namenspaten dafür aussuchen können.
Falco soll das Elektroauto von Alveri heißen. Benannt nach dem genialen, aber für seine Drogenprobleme auch berüchtigten und 1998 ausgerechnet bei einem einem Autounfall ums Leben gekommenen Sänger. Warum also dieser Name? „Falco war der einzige Österreicher, der es geschafft hat, in den USA auf Platz eins in den Charts zu sein“, sagt Zadmard. Und dass der Name polarisiert – erst recht in Österreich – sei ihnen natürlich klar gewesen. Aber er brachte eben auch jede Menge Aufmerksamkeit.
Neben der zu erwartenden Häme, wenn zwei Typen aus der Provinz ohne Branchenhintergrund ein Auto bauen wollen, hätte es vor allem Anerkennung für ihr Konzept gegeben, so Zadmard. Dass dürfte vor allem daran gelegen haben, dass ihr Falco nicht wie bei Elektroauto-Startups üblich ein weiteres futuristisches Hightech-Supercar sein will, sondern so ziemlich das genaue Gegenteil.
„Wir sind keine Fahrzeugbauer und werden auch nie Fahrzeugbauer“
Ehsan Zadmard
Alveri will einen Kombi bauen. Dieser Karosserietyp ist in China quasi unverkäuflich und steht deshalb auf der Elektroauto-Roadmap aller großen Hersteller ganz hinten. „Bei unserem Design merkt man, es ist für den mitteleuropäischen Markt gedacht“, sagt Zadmard. Außerdem soll es ein Design für die Ewigkeit werden, zumindest fast. Die kalkulierte Nutzungsdauer des Falco liegt bei 40 Jahren – also deutlich über dem, was in der Branche üblich ist.
Darum versucht sich Alveri gar nicht erst an der Entwicklung der technischen Komponenten. „Wir sind keine Fahrzeugbauer und werden auch nie Fahrzeugbauer“, sagt Zadmard. Man werde das komplette Chassis und die Technik zukaufen. In der Region sowie im benachbarten Bayern gebe es eine riesige Zahl von Anbietern. Und von denen würden sie bereits positives Feedback bekommen. „Die Zulieferer müssen neue Themen bespielen“, sagt der Alveri-Gründer. Und mit ihnen käme ein neuer Player um die Ecke, der freimütig einräumt, keine Ahnung vom Autobau zu haben, dafür den festen Willen, vieles anders als die etablierten Hersteller zu machen.
„Unser Mehrwert liegt im Design und in der Verwendung der Materialien“, sagt Zadmard. Man mache sich vor allem Gedanken, wie man die Haltbarkeit von Komponenten erhöhe, welche Lacke 20 Jahre halten und nicht nur fünf, wie sich Teile unkompliziert erneuern ließen. Zum Designteam von Alveri gehören Leute aus Möbelbereich, so Zadmard, denn dort sei das Thema Refurbishing schon größer als in der Autobranche.
„Wir wollen das Auto möglichst lange am Leben erhalten“, sagt der Alveri-Gründer. Am liebsten natürlich auf den Straßen. Darum werden neben der Software auch der Antrieb und die Batterie aktualisierbar sein. Sollte das aufgrund steigender Sicherheitsstandards nicht mehr möglich sein, könne der Falco immer noch als Stromspeicher in einem Smart Grid agieren.
Der Zeitplan der Österreicher ist ambitioniert. Bereits Ende 2022 wollen sie den ersten Prototypen des Falco vorstellen. Ein Jahr später soll das Auto bereits in Serie gehen. Voraussetzung dafür ist, dass sie bis dahin 150 bis 250 Millionen Euro beschaffen können. Aktuell sind zwei Firmen an Alveri beteiligt, die Brüder besitzen noch die Mehrheit an dem Startup. Künftig sollen weitere strategische Investoren aus den Bereichen Mobilität und Energie hinzukommen.
Zadmard selbst sieht in der Finanzierung gar nicht einmal den wesentlichen Faktor, wenn es um Alveris Zukunft geht. Es komme vor allem darauf an, mit seiner Idee den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, sagt der Unternehmer, der mit 23 Jahren seine erste Firma gegründet hat und 2016 durch einen Management-Buyout zum Inhaber eines mittelständischen Eisenwarenhandels wurde.
Nun will er mit seinem Bruder in nur vier Jahren einen App-Anbieter zur Automarke machen. Kann das klappen? „Der Zeitplan ist ambitioniert, aber sicherlich möglich“, sagt Zadmard. Auch wenn die Zulieferer, mit denen er spricht, ihm oft raten würden, die Sache etwas langsamer anzugehen, bleibe er dabei: „Wir wissen, was wir können und wie schnell wir es können.“
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Kambis Kohansal Vajargah, Head of Startup-Services WKÖ
Selbst Mitgründer mehrere Startups, sieht Kohansal Vajargah in Ideen wie Alveris auf jahrzehntelange Nutzung ausgelegtem Auto „gesellschaftliches Innovationspotenzial“. Als Head of Startup-Services der Wirtschaftskammer Österreich hilft er der Szene, sich zu vernetzen und gemeinsam zu wachsen.
Jan Samal, CEO Nimble Energy
Kein Roboter wie Alveris Charbo, aber ebenfalls eine smarte Alternative zur starren Säule. Mit Nimbee hat Jan Samal eine flexible Ladestation für E-Autos entwickelt, die auf Bestellung zum Kunden kommt. Der Testbetrieb in mehreren Ländern soll 2022 starten.