Camping mit dem E-Wohnmobil? Geht das?
Die Hersteller jener Fahrzeuge, die als Basis für Wohnmobile dienen, stellen den Verkauf von Verbrennern ein. Hat das Auswirkungen auf den Megatrend Caravaning? Wir sprechen pünktlich zur Reisezeit mit zwei Expert:innen
„Reisemobilist:innen sind zwar ein Schlag Mensch, nichtsdestotrotz kann man sie in zwei Schubladen stecken. Es gibt Stellplatzfahrer:innen und Wildcamper:innen“, erklärt Alexander Kornelsen. Und er muss es wissen: Er hat vor rund zwei Monaten seinen Job als Marketingleiter in einer Agentur aufgegeben, um mit einem zum Mini-Wohnmobil umgebauten Suzuki Jimny um die Welt zu fahren und Aufmerksamkeit zu erzeugen für ein Umweltschutzthema. Dazu beizeiten mehr. Kornelsen ist Wiederholungstäter: Mit 29 trennte er sich von einem Großteil seines Besitzes, zog aus seiner Wohnung aus und in einem Wohnmobil ein. Er kennt sich mit „Reisemobilistas“, wie er sie nennt, also aus.
Wer glaubt, dass Camper:innen wie er Geld sparen, irrt: „Mit einem neuen Bus wie dem VW T6.1 California ist man schnell bei 100.000 Euro“, erklärt Kornelsen. Ähnlich sähe es bei anderen Fabrikaten und Fahrzeugvarianten aus. Statt zu „Glampen“, bauen viele Menschen ihre Busse also selbst aus. So wie Kornelsen einst. 5.000 bis 20.000 Euro für den Umbau müsse man zusätzlich zum Fahrzeugpreis und abhängig von den Wünschen dennoch einplanen. „Für ein halbes Jahr lebte ich damals im Fahrzeug und sparte sechs Monate Miete in Düsseldorf – à 1.000 Euro. Da kannst du ein bisschen querfinanzieren und es dir schönrechnen.“ Ist angesichts solcher Kosten überhaupt an Elektrifizierung zu denken?
„Der E-Antrieb dürfte auch bei Reisemobilen kommen“
Marc Dreckmeier, Caravaning Industrie Verband
Dazu muss man wissen: Die Basisfahrzeuge vieler Wohnmobile, zu denen „Platzsteher:innen“ greifen, stammen von Fiat, Peugeot, Citroën und Opel. Der Mutterkonzern Stellantis, zu dem alle vier Marken gehören, hat bekanntgegeben, dass sie an Privatnutzer:innen nur noch in den E-Versionen verkauft werden. Ähnliche Ziele formulieren auch andere Hersteller. „Da die Basisfahrzeughersteller erste E-Modelle in den Markt bringen, dürfte der E-Antrieb auch bei Reisemobilen kommen“, sagt ein Sprecher vom Caravaning Industrie Verband (CIVD). Kompakte Modelle sind der Einschätzung des CIVD zufolge zuerst dran, der Verband rechnet mit einer langsameren Verbreitung als bei Pkw oder Lieferfahrzeugen. Aber warum? Sind Reisemobilist:innen zurückhaltender oder gar konservativer?
„Ja, das erklärt auch, warum sich die Fahrzeuge in den letzten 20 Jahren kaum verändert haben“, sagt Kornelsen. Der CIVD sieht hingegen technische Hürden. Die drehen sich zwar auch um fehlende politische Rahmenbedingungen und Infrastrukturaufgaben. Viel prekärer: „Mit den heutigen Akkus ist das 3,5-Tonnen-Limit nicht zu halten bzw. keine Zuladung mehr möglich. Wer den Führerschein nach 1999 gemacht hat, würde dann einen Lkw-Führerschein benötigen“, so der Verband. Dem Umstieg auf E-Fahrzeuge steht also der Lappen im Weg. Ein Fall für Volker Wissing und seine Brüssler Kolleg:innen. Der CIVD wolle sich gemeinsam mit dem Europäischen Caravanverband für eine Änderung bzw. Erweiterung des B-Führerscheins auf mindestens 4,25 Tonnen (zulässiges Gesamtgewicht) stark machen.
„Die wollen, dass der Planet erhalten bleibt“
Alexander Kornelsen, Wohnmobil-Experte
Ein großes Interesse für E-Fahrzeuge vermutet Kornelsen bei den vermeintlich stärker mit der Natur verbundenen, aber weniger gut situierten Wildcamper:innen. „Die wollen draußen sein und die sehen dann viel mehr von den klimatischen Veränderung. Sie wollen, dass der Planet für sie erhalten bleibt.“ Erste Konzepte gibt es sowohl für Wohnanhänger, deren Batterie als Power-Boost dienen könnte, aber auch für Wohnmobile. Mit Preisen ab 60.000 Euro ist hier aber erstmal gewaltig Luft nach unten.
Neben den finanziellen Hürden betrifft ein gewisser Elefant im Raum beide Camper-Kategorien: die Reichweite. „Aktuell legt ein Reisemobil durchschnittlich gut 10.000 km im Jahr zurück. Darin enthalten sind lange Anfahrten in die Sonne oder der Sonne hinterher sowie verhältnismäßig kurze Entfernungen im Zielgebiet“, sagt der CIVD. Letztere ließen sich wohl bewerkstelligen. Doch gerade für längere Anreisen erwarten Camper:innen laut Kornelsen eine Realreichweite von 500 Kilometern. Und solche Fahrzeuge gibt es schlicht nicht.
Eine derartig hohe Reichweite hätte weitere Vorteile: Aus einer entsprechend großen Batterie ließen sich auch beim Wildcampen Heizung und Stromversorgung absichern, eine Photovoltaik-Anlage könnte zusätzlichen Saft liefern. Doch bis dahin bleibt der elektrisch angetriebene Campingurlaub am abgelegenen norwegischen Fjord wohl – außer mit den wenigen kompakten Fahrzeugen, die es schon gibt – erstmal ein Wunschtraum. Immerhin: An der TU Eindhoven fährt schon ein Prototyp mit bis zu 730 Kilometern Reichweite.
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Alexander Kornelsen
Früher war Alexander Kornelsen Innovationsberater und lebte eine zeitlang auf dem Campingplatz, zwecks Feldforschung für einen Klienten aus der Caravan-Branche. Aktuell schläft er wieder auf den eigenen vier Rädern. Kornelsen bereist gerade Moore auf mehreren Kontinenten in einem zum Camper umgebauten Offroad-Auto – allerdings mit konventionellem Verbrennungsantrieb.
Martin Henne
Während Volkswagen eine Camper-Version des ID Buzz offiziell noch nicht bestätigt hat, legt das Start-up Electric Brands aus Itzehoe schon einmal vor. CEO Martin Henne will 2023 einen elektrischen Mini-Transporter mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern auf den Markt bringen. Der Clou: Dessen Ladefläche kann mit verschiedenen Modulen – wie einer Camping-Variante – ausgerüstet werden.