Ist Carsharing nur für Großstadt-Menschen?
Die Wege auf dem Land oder in einer Kleinstadt sind lang – die Infrastruktur ist oft nur für Autos ausgelegt. Wie bringt man die Menschen trotzdem dazu aufs eigene Auto zu verzichten? Mit Carsharing
In Großstädten wie Hamburg, Berlin und München ist es für viele schon zur Normalität geworden: das Carsharing. Über die App ein Auto buchen, reinsetzen und los geht’s. Versicherung, Steuern, Werkstattkosten, Tanken und Waschen: das alles sind Kosten, die man spart, wenn man Carsharing statt einem eigenen Auto nutzt.
Doch nicht nur Kosten sondern auch Zeit und Nerven lassen sich damit sparen, denn dank reservierter Abstellflächen und Mobilitätshubs findet man leichter einen Parkplatz. Doch warum gibt es dieses Prinzip kaum bis gar nicht auf dem Land – dort, wo die Wege weit und die Verkehrsanbindungen schlecht sind?
Fakt ist: Die Verkehrswende wird in der Stadt und auf dem Land anders aussehen. In der Stadt werden die Menschen häufiger mit neuen Entwicklungen und Diensten gelockt. Die Auswahl ist groß: Bus, S- oder U-Bahn, Taxi, (E-)Roller, E-Scooter, (E-)Fahrrad und zahlreiche Carsharing-Angebote – theoretisch könnte man für jede Strecke ein anderes Fahrzeug nehmen.
Auf dem Land hingegen ist man ohne ein eigenes Auto oft aufgeschmissen. Busse fahren selten, teilweise nur einmal in der Stunde und in manchen Orten sogar nur einmal am Tag. Die Wege sind häufig zu lang, um sie zu Fuß oder mit dem Rad zu bewältigen und auch nach S- und U-Bahnen kann man Vergeblich suchen. Und genau das ist der Punkt: Wo die Wege weiter sind, gestaltet sich eben auch die Disposition für Carsharing-Anbieter wesentlich schwieriger. Eine Lösung hat die Energie Calw GmbH mit Sitz in Baden-Württemberg im Angebot: Sie möchte mit ihrem Carsharing-Angebot Deer die mobile Flexibilität ermöglichen, ohne selbst Eigentümer eines eigenen Pkws zu sein. Das E-Carsharing soll die Umwelt schonen und gleichzeitig den ländlichen mit dem urbanen Raum und wichtigen Verkehrspunkten verbinden.
„Die Disposition ist der größte Aufwand“
Andree Stimmer, Energie Calw
Deer ist ein sogenanntes stationsbasiertes Carsharing. Anders als bei anderen Carsharing-Anbietern sind auf der Karte nur Ladestationen angezeigt, nicht die Autos selber. Nach der Buchung können Mieter:innen das Auto an einem dieser Deer Standorte abholen, doch das ist aufwendig: „Die Disposition ist der größte Aufwand. Ein Fahrzeug muss bei einem gewählten Standort abgestellt werden, ein anderes muss von einem Standort abgeholt werden“, so Andree Stimmer von Energie Calw.
Doch den nimmt Deer in Kauf, denn das Unternehmen möchte nicht zusätzliche Fahrzeuge auf die Straßen stellen, sondern dass sämtliche vorhandene Fahrzeuge möglichst viel auf den Straßen unterwegs sind. Neben dem Carsharing-Angebot bietet das Start-up von Energie Calw ein Abo-System an, in dem vorhandene E-Autos mit einer flexiblen Laufzeit zwischen drei, 24 oder 36 Monaten gebucht werden können. Ohne Startgebühr und mit einer monatlichen Laufleistung von bis zu 1.750 Kilometern. Regulär wird jedoch nach einem bekannten Schema abgerechnet: Die Buchung endet erst nach dem Anschließen des Autos an der vorgesehenen Ladestationen, abgerechnet wird in Stunden- oder Tagessätzen. Die elektrisch betriebenen Fahrzeuge haben eine Reichweite bis zu 300 Kilometern.
„Bevor Fahrzeuge rumstehen, können sie doch von Mitarbeitern genutzt werden“
Andree Stimmer, Energie Calw
Deer macht jedoch nicht nur in Carsharing für Privatmenschen und einer eigenen Ladeinfrastruktur, sondern greift auf eine Expertise im gewerblichen Fuhrparkmanagement zurück. Um die Standzeiten von Firmenfahrzeugen außerhalb der Arbeitszeiten zu verringern und auch diese freien Kapazitäten zu nutzen, hat Deer „Public E-Carsharing“ für Firmenkund:innen eingeführt. Stimmer erklärt das so: „Bevor die Fahrzeuge nur auf dem Hof rumstehen, können die Autos doch von den Mitarbeitern genutzt werden.“ Teilnehmende Unternehmen legen fest, ob alle Fahrzeuge oder nur ein Teil davon zur Verfügung stehen sollen und in welchem Zeitraum. Mitarbeitende können sie dann nach Feierabend oder am Wochenende für Einkäufe, Besorgungen oder Ähnliches nutzen. Die Buchung läuft sowohl zur privaten als auch geschäftlichen Nutzung per Deer-App.
Die Deer-Idee kommt gut an: Weiteren Kommunen und Bundesländer sind mit Energie Calw im Austausch, um das Prinzip auszuweiten: Auch E-Scooter und E-Roller sollen so künftig privat und geschäftlich genutzt werden.
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Horst Graef
Seit der Gründung 2007 ist er Geschäftsführer bei Energie Calw. Das Unternehmen beschäftigt sich seit Langem mit der CO2-freien Mobilität. Mit der Gründung einer Tochterfirma, ist Dipl.-Ing. Horst Graef seit Januar 2019 ebenfalls der Geschäftsführer von Deer und möchte dazu beitragen, dass Menschen Mobilität neu denken.
Thomas Zimmermann
Thomas Zimmermann ist frisch gebackener CEO von FREE NOW und möchte das Teilen von Fahrzeugen zur Normalität entwickeln. Mit der App FREE NOW werden Carsharing-Anbieter bis hin zu E-Scooter aufgelistet und zur Nutzung freigegeben – ohne für jeden Dienst eine neue App zu laden. Am 17. Mai spricht er auf dem FUTURE MOVES Summit.