„Auf die Notwendigkeit schauen, nicht auf jeden einzelnen Parkplatz“
Wie die Bezirksstadträtin Annika Gerold eine "Straße der Zukunft" in Berlin-Kreuzberg zur Blaupause für die autoarme Metropole machen will.
Hier mal ein kleiner Dämpfer für alle Verkehrswende-Begeisterten unter den Hörer*innen dieses Podcasts: Nach den jüngsten Zahlen des Kraftfahrtbundesamts sind in Deutschland aktuell mehr Autos zugelassen als jemals zuvor. Auf 1000 Einwohner*innen kommen mittlerweile 583 Fahrzeuge. Immerhin: In einem Bundesland geht die Pkw-Dichte zurück. In Berlin liegt der Wert bei 338 – und im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind es sogar nur 180 Autos pro 1000 Einwohner*innen.
Annika Gerold ist für diese Entwicklung nicht wirklich verantwortlich. Sie ist erst seit 2021 im Amt. Doch die Bezirksstadträtin mit Zuständigkeit für die Themen Verkehr, Grünflächen, Ordnung und Umwelt breite arbeitet gerade daran, die führende Position von Friedrichshain-Kreuzberg auszubauen und hofft darum, dass das gerade gestartete „Projekt Graefekiez“ Schule machen wird.
„Es denen leichter machen, die auf ein Auto angewiesen sind“
Annika Gerold
Dort werden gerade Parkflächen entsiegelt. Das heißt, Asphalt und Steine verschwinden, stattdessen entstehen Oberflächen, in denen Wasser versickern kann – eine Maßnahme, die bei den im Zuge der Klimakrise zunehmend erwarteten Starkregenereignissen helfen soll.
Damit verbunden ist die Frage, wie man die dem Autoverkehr entzogenen Flächen alternativ nutzen kann. Im Podcast erzählt Gerold, wie die Flächen gestalten werden sollen, damit Anwohner*innen und Gewerbetreibende davon profitieren. Aber nicht nur die werden profitieren. Es solle „auch darum gehen, es für diejenigen leichter zu machen, die auf das Auto angewiesen sind“, sagt Gerold. Etwa durch mehr Ladeflächen als bislang, wie die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen erklärt.
Nicht nur der Graefekiez, ein Dreieck, das ungefähr die Gegend zwischen Kottbusser Tor, Hermannplatz und Südstern abdeckt, ist ein Labor für die „Straße der Zukunft“, wie Gerold es nennt, sondern auch weitere Projekte im Halb-Bezirk. Etwa die Radbahn, ein Projekt, das die Fläche unter einer Hochbahnstrecke der U-Bahn in eine Fahrradmagistrale umwandeln will. Oder die bereits lange diskutierten autofreien Zonen, in Berlin Kiezblocks genannt.
Außerdem geht es um die geänderten Machtverhältnisse im Land Berlin. Denn seit einigen Monaten ist für das Thema Verkehr nun eine Senatorin von der CDU zuständig, die einen deutlich Auto-freundlcheren Kurs fährt als ihre grüne Vorgängerin.
Trotzdem hofft Gerolds, dass die zuletzt massive Ideologisierung der Verkehrspolitik überwunden wird: „Manchmal wünsche ich mir, dass wie mehr von oben auf die Notwendigkeiten schauen und nicht auf jeden einzelnen Parkplatz.“
Über diese Themen spricht Annika Gerold im FUTURE MOVES Podcast:
… das „Projekt Graefekiez“ und die „Straße der Zukunft“ (00:00)
… ihre Vision von innerstädtischer Mobilität (12:17)
… nicht kostendeckende Preise des Anwohnerparkens (16:18)
… ÖPNV und Radverkehr im Graefekiez (19:37)
… die Kreuzberger Initiative Radbahn (22:45)
… was die neuen politischen Machtverhältnisse bedeuten (25:13)
… die Vision einer autofreien Oranienstraße (27:11)
… weitere Verkehrswende-Projekte im Bezirk (29:50)
… das Ziel flächendeckender Mobilitätshubs (33:01)
… den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur (34:28)
… das Problem ignorierter Ladezonen (38:00)
… digitale Verkehrskontrollen und Tempo 30 (40:12)
… die Ideologisierung des Themas Verkehrspolitik (42:03)
… ihren „Mix der Woche“ (50:52)