„Man kann Berlin nicht per Tram und Fahrrad erschließen“
FUTURE MOVES Podcast #22: Daniela Kluckert, parlamentarische Staatssekretärin Bundesministerium für Digitales und Verkehr, über alte Strukturen im ÖPNV und neue Autobahnen
Daniela Kluckert ist Mitglied im Bundesvorstand der FDP und parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Sie will die Berliner Stadtautobahn weiterbauen, lehnt pauschale Tempolimits ab und hält nichts von der Diskussion um die Privilegien des Autos. Klare Sache, könnte man meinen … Dass mit Kluckert durchaus eine progressive Mobilitätswende zu machen ist, erläutert sie im FUTURE MOVES Podcast.
Nicht nur sieht sie – anders als manche in ihrer Partei – keine Alternative zum E-Antrieb im Auto. Die 41-Jährige ist auch lange genug in der Verkehrspolitik unterwegs, um zu wissen wo das größte Problem liegt: in den Strukturen, die es mühsam machen, neue Ideen auf den Weg zu bringen. Darum zeigt sie großen Willen, es mit überholten Prozessen und festgefahrenem Denken aufzunehmen, das dafür verantwortlich ist, dass jede technische Innovation zunächst einmal ausgebremst wird und die Realisierung wichtiger Infrastrukturprojekte statt Jahre oft Jahrzehnte beansprucht.
„Wir müssen aufhören, Mobilität aus den Verkehrsunternehmen heraus zu denken“
Daniela Kluckert
Bestes Beispiel: Das Ticketing im ÖPNV. Kluckert sieht in einer radikalen Vereinfachung nach Vorbild des 9-Euro-Tickets einen der Schlüssel zur Mobilitätswende. Doch bislang würden viele Verkehrsunternehmen den Fahrkartenverkauf als ihre ureigenste Domäne verstehen – und entsprechend verteidigen. Den Kund:innen sei es dabei „völlig egal“, von wem sie ihr Ticket kaufen, so Kluckert. Man müsse endlich auch beim Thema öffentliche Mobilität die Nutzenden ins Zentrum stellen.
„Wir müssen aufhören, das aus den Verkehrsunternehmen heraus zu denken“, fordert Kluckert. Und passend dazu unternimmt das BMDV derzeit einen entsprechenden Vorstoß, die anbieterübergreifende digitale Buchung und Bezahlung voranzutreiben. Mit Mobility Inside ist ein von ihrem Ministerium gefördertes Projekt aktiv, das in diese Richtung geht. Doch Kluckert denkt bereits weiter. Nationale Angebote seien nur der erste Schritt, am Ende gehe es um europaweite Lösungen.
Neues Denken würde sie auch gerne im Bereich der Projektplanung etablieren. „Wir sehen jetzt bei den LNG-Terminals, dass man schnell vorankommen kann, wenn man will“, sagt Kluckert. Das solle zur „Blaupause“ für Infrastrukturprojekte im Verkehrssektor werden. Damit das gelingen kann, braucht es neben neuen Prozessen auch mehr Realismus – insbesondere auch innerhalb ihrer eigenen Berufsgruppe, so Kluckert. Politiker:innen vor Ort müssten aufhören, den Anwohner:innen direkt einen Tunnel zu versprechen, sobald es Gegenwind für Verkehrsprojekte gibt.
Was aber ist mit dem drängendsten Problem auf dem Weg zu einer klimaschonenderen Mobilität? „Ich glaube nicht, dass wir auf den individuellen motorisierten Verkehr verzichten werden“, sagt Kluckert. Natürlich sei die Antriebswende die zwingende Voraussetzung dafür, doch gerade im ländlichen Raum sieht sie keine Alternative zum Auto. Was nicht bedeuten soll, dass der ÖPNV nicht auch hier attraktiver werden müsse – allerdings mit einer in ihren Augen realistischeren Perspektive. Es wäre schon viel gewonnen, würde man darauf abzielen, „dass erst einmal das zweite Auto nicht mehr angeschafft wird.“
Auch in der Stadt führt für sie kein Weg an Pkw und Lkw vorbei. „Man kann keine Viermillionenstadt per Tram und Fahrrad erschließen“, sagt Kluckert. Darum spreche sie sich auch dafür aus, die in Berlin massiv kritisierte Verlängerung der Stadtautobahn A100 zu vollenden. Ein weitestgehender Verzicht auf individuellen, motorisierten Verkehr funktioniere nur, „wenn man im Innenstadtbereich wohnt und auch da arbeitet“, so Kluckert. „Aber das ist nicht die Realität, in der sich die allermeisten Menschen befinden.“
Was Daniela Kluckert von verkehrspolitischen Debatten auf Twitter hält, welche Bedeutung sie dem Thema Multimodalität zuschreibt und wie sie über Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr denkt, das erklärt die parlamentarische Staatssekretärin Daniela Kluckert in der aktuellen Episode des FUTURE MOVES Podcasts.
Über diese Themen spricht Daniela Kluckert im FUTURE MOVES Podcast:
… ihr erstes Fazit zum Start des 9-Euro-Tickets (3:16)
… den Ausbau von Schieneninfrastruktur und Multimodalität (5:04)
… die Herausforderung Pilotprojekte in die Praxis umzusetzen (6:59)
… Ticketing und geteilte ÖPNV-Daten als Faktoren der Mobilitätswende (10:17)
… den Fokus auf Städte in der ÖPNV-Debatte (16:48)
… Antriebsfrage und Ladeinfrastruktur (17:51)
… die Abschaffung Privilegien individueller Automobilität (23:21)
… Elektrifizierung und multimodale Vernetzung der Lkw-Logistik (26:53)
… das schleppende Tempo beim Ausbau des Schienennetzes (29:15)
… Aus- und Weiterbau des Autobahnnetzes (34:49)
… Barrierefreiheit in der neuen Mobilität (40:04)
… das Potenzial des autonomen Fahrens (46:20)
… ihren „Mix der Woche“ (49:02)
… Tempo 100 auf der Autobahn (52:06)