„Im Kern geht es immer um die Frage des guten Lebens“
Der Aktivist und Autor Heinrich Strößenreuther will Verkehrswende-Befürworter*innen und Auto-Fans versöhnen. Der Schlüssel: Emotionen statt Argumente
„Verkehrswendy und der böse Rolf“ – so sollte das Buch von Heinrich Strößenreuther und seinen beiden Co-Autoren ursprünglich heißen. Nun steht „Die Verkehrswesen“ auf dem Cover. Und der Untertitel erklärt, worum es geht: „Miteinander den Kulturkampf beenden“. Ein ambitioniertes Unterfangen, das das Trio sich gestellt hat.
Im FUTURE MOVES Podcast spricht Strößenreuther – Ex-Bahn-Manager, früherer Greenpeace-Campaigner und heute Berater von Initiativen, Unternehmen und Politiker*innen sowie „erfolgreichster Verkehrslobbyist Deutschlands“ – darüber, wie Bewegung in die festgefahrene Verkehrswende-Debatte kommen könnte.
„Manche lieben tatsächlich den Stau“
Heinrich Strößenreuther
„Im Kern geht es immer um die Frage des guten Lebens“, sagt Strößenreuther. Die Vorstellung davon mag sich unterscheiden. Sich dessen bewusst zu werden, das sei ein erster guter Schritt. Konkretes Beispiel: „Manche lieben tatsächlich den Stau“, sagt Strößenreuther. Denn das sei die Zeit am Tag, wo man weder Familie noch Chef*in oder Kolleg*innen um sich habe, sondern einfach Zeit für sich hat.
Tatsächlich sei die Beziehung zum Auto eine, in der Vernunft bei vielen nur wenig Platz habe. Ideen von Befürworter*innen der Verkehrswende hören sich darum in den Ohren passionierter Autonutzender vor allem an wie Bedrohungen. In ihrem Buch illustrieren die Autoren das mit einem schrägen Vergleich: „Stellen Sie sich einmal vor, es würden Leute weniger Sex fordern – nicht für sich selbst, sondern für andere. Oder sogar sexfreie Innenstädte. Oder bessere Alternativen zum Sex für alle, die auf Sex angewiesen sind.“
Wobei die Idee mit den sexfreien Innenstädten sogar einen wahren Kern hat. Das Auto aktiviere dieselben Hirnareale wie Sex oder Kokain, schreiben die Autoren mit Verweis auf Forschungsergebnisse. Deshalb bestehe einer der größten Fehler derer, die sich für eine Verkehrswende engagierten, darin, Auto-Fans mit Fakten und Argumenten überzeugen zu wollen. Heinrichs Gegenvorschlag: Beide sollten sich stattdessen lieber zunächst einmal auf die Sichtweise der anderen Seite einlassen.
Wie gut das dem Buch „Die Verkehrswesen“ gelingt, muss sich zeigen. Auf jeden Fall hat das Projekt mit Heinrich Strößenreuther einen Experten an Bord, wenn es darum geht, aus ambitionierten Visionen gelebte Praxis zu machen. Der Ex-Bahn-Manager, frühere Greenpeace-Campaigner und heutige Berater von Initiativen, Unternehmen und Politiker*innen gilt als „erfolgreichster Verkehrslobbyist Deutschlands“.
Er war eine der treibenden Kräfte hinter dem Volksentscheid Fahrrad in Berlin, dem die Hauptstadt das erste Radverkehrs- und Mobilitätsgesetz ihn Deutschland verdankt und der zur Blaupause für Dutzende Radentscheide in ganzen Republik wurde. Und Strößenreuther ist einer, der immer all-in geht: Um die CDU/CSU in Richtung 1,5 Grad zu trimmen, trat der ehemalige Grüne sogar in die CDU ein, und gründete die Klima Union.
Was Luisa Neubauer mit diesem Seitenwechsel zu tun hatte, warum Strößenreuther es an machen Tagen bereut, stattdessen nicht in die FDP eingetreten zu sein, und wie er gerade konservative Bürgermeister in Ostdeutschland für die Klimawende begeistert – darum geht es in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts.
Um diese Themen geht es im Podcast mit Heinrich Strößenreuther:
… ein Gegenentwurf zur Gewinner-Verlierer-Logik der Verkehrswende (02:45)
… Emotionalität, Irrationalität und moralische Überlegenheit in der Debatte (08:53)
… sichere Parkplätze als Gamechanger für die Radwende (14:12)
… das unterschätze Potenzial von Modal-Shift-Marketing (17:37)
… die ungenügende Nutzung positiver Visionen durch die Politik (19:37)
… vom Radfahrer zum Umwelt-Aktivisten und Mobility-Manager (23:07)
… der Berliner Volksentscheid Fahrrad als größter Erfolg (27:12)
… die Idee hinter der von ihm mitbegründeten Klimaunion (29:33)
… das Lokale als Spähre der Veränderung (33:51)
… Wahlerfolge für konservative Parteien durch progressive Klimapolitik (36:07)
… die „Change Wippe“ und ein positiver Ausblick (39:00)
… sein Blick auf radikale Klimaktivist*innen (43:27)
… die aktuelle Klima-Roadshow durch Ostdeutschland (46:47)
… seinen „Mix der Woche“ (49:06)