Die „Leichtigkeit des Verkehrs“ – diese Wendung mutet geradezu poetisch an. In der Realität ist diese Formel aber oft der Grund, warum innovative Ansätze in Richtung Mobilitätswende kurz nach dem Start wieder gestoppt werden. Denn das von Straßenverkehrsgesetz und der daraus abgeleiteten Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgegebene Ideal des möglichst reibungslosen Vorankommens von A nach B bedeutet praktisch und historisch bedingt vor allem: Leichtigkeit für alle, die im Auto unterwegs sind.

Das Konfliktpotenzial hinsichtlich der erstrebten Verkehrswende liegt auf der Hand. Vor allem, wenn es um den urbanen Raum geht, wo die Fläche begrenzt ist. Sollen hier Rad- und Fußverkehr mehr Platz bekommen, fehlt diese zwangsläufig an anderer Stelle. Sie muss, um es offen auszusprechen, dem Auto weggenommen werden. Weil das wiederum die Leichtigkeit des Autoverkehrs beschneidet, haben Klagen gegen Experimente mit autofreien Zonen, temporären Straßensperrungen und Popup-Radwegen so oft Erfolg. 

„Kommunen müssen deutlich handlungsfähiger werden“

Janna Alljets

Die Politikwissenschaftlerin Janna Aljets, die sich beim Berliner Thinktank Agora Verkehrswende als Projektleiterin mit städtischer Mobilität befasst, kennt diesen Konflikt und seine Wirkung zu gut. „Veränderungen werden auf jeden Fall beklagt“, weiß sie aus ihrer Beschäftigung mit diversen Projekten, die bereits auf juristischem Weg ausgebremst wurden. Bestes Beispiel, wie sie in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts erläutert, sind die stark limitierten Möglichkeiten von Städten und Gemeinden, Tempo-30-Zonen auszuweisen. 

„Kommunen müssen deutlich handlungsfähiger werden, was ihren Verkehrsraum angeht“, lautet darum Aljets Forderung. Große Städte wie Berlin einen inzwischen gut darin, rechtliche Spielräume beispielsweise bei Popup-Radwegen auszunutzen – und gegebenenfalls dann nachzubessern, um die Verkehrswende gewissermaßen rechtssicher zu mache. Kleinere Gemeinden mit limitierten Ressourcen allerdings würden aus diesem Grund jede Form der mutigen Veränderung scheuen.   

Eine Reform von Straßenverkehrsgesetz und StVO ist überfällig, wenn Mobilitätswende und Modal Shift tatsächlich vorankommen sollen. Agora Verkehrswende hat dazu einige Vorschläge gemacht, die Janna Aljets im Gespräch mit Podcast-Host Christian Cohrs erläutert. Außerdem erklärt sie, warum oft erst ein Unfall passieren muss, ehe gefährliche Straßenstellen entschärft werden, weshalb eine Parkraumbewirtschaftung immer nur Straßenzug um Straßenzug eingeführt werden kann, und wieso sich vor allem CDU/CSU-geführte Kommunen dafür einsetzen, künftig über Tempo 30 innerorts selbst bestimmen zu können.

Über diese Themen spricht Janna Aljets im FUTURE MOVES Podcast:

… warum die Ausweisung von Tempolimits so kompliziert ist (03:12)

… wie sich die Situation verändern ließe (9:22)

… die Ziele von „Leichtigkeit“ und „Sicherheit“ im Verkehr (13:00)

… Infrastrukturumbau als Grundlage für den Modal Shift (14:55)

… Push- und Pull-Maßnahmen für die Mobilitätswende (22:29)

… Parkraummanagement und dessen Ausweitung (24:40)

… Ziele und Arbeitsweise von Agora Verkehrswende (28:42)

… die sektorenübergreifende Verrechnung von CO2-Zielen (32:37)

… Kommunen als Treiber der Verkehrswende (34:15)

… wichtigste Maßnahmen bei idealem Rechtsrahmen (36:17)

… das Fehlen von Experimentierräumen (38:28)

… Verkehrswende als (doppelte) Generationenfrage (40:59) 

… ihren „Mix der Woche“ (44:42)