Fußgänger:innen haben in Deutschland keine Lobby, heißt es oft. Das stimmt aber nicht. Bereits seit 1985 setzt sich der Fachverband Fußverkehr Deutschland, kurz FUSS e.V, für die Belange von Menschen ein, die ihre Wege vor allem auf den eigenen Beinen zurücklegen.

Allerdings ist der Verein mit unter 1.000 Mitgliedern eher klein – der ADAC gehören über 20 Millionen Menschen an. Dennoch hat die Interessenvertretung einige Erfolge vorzuweisen: Eine Kampagne von FUSS hatte erheblichen Anteil daran, dass E-Scooter in Deutschland nicht auf Gehwegen fahren dürfen. Regelmäßig beraten Mitglieder Kommunen zum Thema Fußverkehr. Und gerade mischt sich FUSS leidenschaftlich in die Debatte und Tempo 30 ein, wie Vorstand Roland Stimpel im FUTURE MOVES Podcast berichtet.  

Die wohl größte Herausforderung, mit der sich FUSS konfrontiert sieht: „Am meisten zu Fuß gehen Grundschulkinder und ältere Leute im Rentenalter“, sagt Stimpel. Die legten zum Teil über die Hälfte ihrer Wege ohne Fahrzeuge zurück. Wobei auch beim Rest der bequem gewordenen Gesellschaft der Fußverkehr eine größere Rolle spielt als man zunächst denken mag: Im Durchschnitt würden 22 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt, so Stimpel. In Metropolen seien es sogar bis einem Drittel aller Strecken. 

„Leute fragen: Was hat zu Fuß gehen denn mit Verkehr zu tun?“

Roland Stimpel

Dennoch finde der Fußverkehr eine viel zu geringe Beachtung, so FUSS-Vorstand Stimpel. Es gebe Lehrstühle für den Automobil-, Eisenbahn- und mittlerweile auf Radverkehr, aber keinen, der sich mit dem Fußverkehr befasse. „Gehen ist in der Fachwelt einfach vergessen worden“, sagt Stimpel, selbst ausgebildeter Raumplaner. Und nicht nur dort: „Es gibt immer noch Leute, die uns fragen: Was hat zu Fuß gehen denn mit Verkehr zu tun?“

Dabei bietet laut Stimpel insbesondere der Fußverkehr großes Potenzial für eine nachhaltige Verkehrswende. Er verweist auf die Effizienz, insbesondere im Verbund mit dem ÖPNV: In Städten wie New York, Tokio und Paris würden so 90 Prozent aller Wege ohne das Auto abgewickelt. In der französischen Hauptstadt – die gerade als Blaupause der 15-Minuten-Stadt weltweit Vorbildcharakter genießt – entfiele sogar die Hälfte aller Wege auf den Fußverkehr. „Da, wo die Welt am vollsten und am engsten ist, keineswegs nur in ärmeren Teilen der Welt, sondern in richtig reichen Metropolen spielt das zu Fuß gehen die größte Rolle, einfach weil man die vielen Menschen gar nicht auf andere Weise irgendwo hin bewegen könnte“, sagt Stimpel.

Allerdings brauche es aktive Umgestaltung des öffentlichen Raum, um das Gehen zu einem gleichwertigen Teil eines multimodalen Mixes zu machen, so Stimpel. Wenn Leute auf die Straße treten, dann sollen sie ein gutes Gefühl haben. Ein gut gestaltetes Umfeld mit viel Grün, Schatten und breiten Wegen könne helfen, den Einzugsbereich einer U-Bahnstation zu verdoppeln, sagt Stimpel.

Was es unbedingt zu vermeiden gelte, ist das Gefühl von Bedrängnis und von Stress. Denn der löse den Impuls aus, direkt in den nächsten U-Bahn-Eingang oder den Schutzraum des eigenen Fahrzeugs fliehen zu müssen, so Stimpel. In einem entspannten Verkehrsraum dagegen seien die Menschen auch bereit, ein paar Hundert Meter zur Carsharing-Station zu gehen. 

„Räume so gestalten, dass alle gut miteinander klarkommen“

Roland Stimpel

Ohnehin gebe es am Ende keine gute Alternative dazu, die verschiedenen Verkehrsträger gleichwertig zu behandeln. Denn alle paar Hundert Meter begegneten sich an der Kreuzung alle wieder. Mobilität funktioniere nur miteinander, so Stimpel. Man müsse darum gucken, „dass Räume so gestaltet werden, dass alle gut miteinander klarkommen“. Das heiße, alle sollten eher langsam unterwegs sein, die Augen offen haben und aufeinander achten – vor allem auf, die sie nicht auf sich selbst achten können.

Wo in Europa sich das Gehen bereits gut als Facette der Multimodalität etabliert hat. Was die Verantwortlichen unternommen haben, mit das passiert, und mit welcher Erwartung der Fußverkehrs-Lobbyist Roland Stimpel auf Assistenzsysteme und autonome Fahrzeuge blickt – die Antworten gibt es in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts mit Roland Stimpel von FUSS e.V.

Über diese Themen spricht Roland Stimpel im FUTURE MOVES Podcast 

… warum Fußgänger:innen eine Lobby brauchen (2:44)

… Trends, die den Fußverkehr in den Fokus rücken (7:00)

… wie der Verein hilft, Fußwege zu optimieren (11:33)

… der Einfluss des Klimawandels auf städtische Mobilität (16:01)

… Mangel an Daten über den Fußverkehr (16:55) 

… Beispiele für Fußgänger:innen-freundliche Gestaltung (20:09)

… seine Erwartungen an das autonome Fahren  (21:54)

… erfolgreiche Kampagnen seines Vereins (25:01) 

… Ökofreaks, Esoteriker:innen und „Wutgänger“ (28:55)

… ein kollaboratives Miteinander im Verkehr (31:00)

… seinen „Mix der Woche“ (33:01)

… Gehen und Gesundheit (36:28)