„Wir testen in der Stadt, was wir eigentlich woanders bräuchten“
Der Soziologe, Autor ("Die Altenrepublik") und Podcaster Stefan Schulz über den Effekt des demographischen Wandels auf die Mobilität
Für wen machen wir eigentlich die Verkehrswende? Für’s Klima, logisch. Und natürlich für Pendler*innen, die praxistaugliche Alternativen zur Fahrt im eigenen Auto brauchen. Auf jeden Fall auch für mehr Lebensqualität in den Städten. Doch eine wesentliche Zielgruppe, die vielleicht in Expertenzirkeln mitgedacht wird, findet sich im öffentlichen Diskurs kaum wieder: die Alten.
Dabei machen Menschen im Rentenalter einen immer größeren Teil der Gesellschaft aus. Wie groß – und welche Konsequenzen daraus für das Thema Mobilität erwachsen – um diese Frage geht es in der neuen Episode des FUTURE MOVES Podcasts mit dem Soziologen und Podcaster Stefan Schulz.
Schulz hat über die gravierenden demographischen Umwälzungen, die uns demnächst bevorstehen, ein Buch geschrieben: „Die Altenrepublik“. Und die Alten sind ein tatsächlich ein gewichtiger Faktor, wenn es um die aktuellen Herausforderungen – etwa im ÖPNV – geht. „Wir haben ein erhebliches Pendlerproblem“, sagt Schulz – und das habe auch mit den Alten zu tun, wenngleich die sich ihre Rolle nicht ausgesucht hätten.
„Ein Generationen-Abriss wie sonst nur beim Medienwandel“
Stefan Schulz
Denn ein Wohnungswechsel in einer deutschen Großstadt bedeute heute eine drastische Erhöhung der eigenen Mietkosten. Zugleich gebe es keine Möglichkeit, Wohnungen zu Bestandskonditionen zu tauschen. Der Effekt ist, dass Rentner*innen in ihren viel zu großen, aber billigen Wohnungen vereinsamen, während Familien eine bezahlbare Bleibe nur am Stadtrand finden. Wenn wir das mit dem Wohnen nicht hinbekommen, so Schulz, dann erzeuge das den Bedarf nach mehr Pendel-Infrastruktur.
Natürlich sind die Alten auch direkt von Wandel der Mobilität betroffen. Und hier sieht Schulz viel Potenzial, das Smartphone, das ohnehin jede*r besitzt, zum zentralen Zugriffsmittel auf Mobilität auch für jene zu machen, die auf Hilfe angewiesen sind.
Insbesondere auf dem Land stecke hier nicht nur viel die Aussicht, Menschen zu vergleichsweise niedrigen Kosten mobil zu halten. Autonome Shuttles und durch sie erreichbare Treffpunkte könnten auch dabei helfen, die drohende Vereinsamung in den Griff zu bekommen und den Alten soziale Partizipation zu ermöglichen. Im Angesicht der Dringlichkeit dieser Aufgabe stört Schulz sich an der Fokussierung von Tests autonomer Transportsysteme auf die eigentlich gut versorgten Zentren. „Wir testen Mobilitätsprinzipien in der Stadt, die wir eigentlich woanders bräuchten“, sagt Schulz.
Außerdem ging es im Gespräch um die Bedeutung des Autos. Die scheint insbesondere bei den Älteren sehr ausgeprägt zu sein. Er habe in letzter Zeit keine lokalpolitische Veranstaltung erlebt, die nicht irgendwann von der Frage gekapert worden sei, ob man auch künftig noch mit dem Auto in die Innenstadt fahren darf, so Schulz. Autobesitz sei „eins der wenigen tatsächlich so richtig alten republikanischen Themen, wo wir einen Generationen-Abriss haben wie sonst nur beim Medienwandel“.
Das sind die Themen des Podcasts mit Stefan Schulz:
… warum wie seit 2023 in einer „Altenrepublik“ leben (02:39)
… weshalb Demographie dennoch kaum Thema ist (05:50)
… Mobilität als Folge von Renten und Mietkosten (07:48)
… die Situation im ländlichen Raum (14:44)
… On-Demand-Verkehre und Warenlieferungen (18:52)
… die Bedeutung des Autos für die Älteren (24:17)
… individuelle Mobilität ohne eigenes Auto (31:04)
… Anforderungen an die künftige Mobilitäts-Infrastruktur (34:36)
… das kommende „Familien-Buch“ und sein „Mix der Woche“ (43:38)
… sein Blick auf die Letzte Generation (52:18)