EV-DOOH: Mehr Schnellladesäulen dank Werbung?
Digital-Out-of-Home (DOOH) könnte einen massiven Einfluss darauf haben, wo die nächsten Schnellladesäulen entstehen. Kombiniert mit der passenden Technik erschließt das Kemptner Start-up Numbat dank Werbung zügig den Hypercharger-Markt
Bei der Abkehr von der fossilen Mobilität zählt im Grunde jeder Tag. Darum macht es Sinn, wie das Allgäuer Clean-Tech-Start-up Numbat nicht auf die eine geniale Idee zu warten, sondern einfach drei bestehende Konzepte smart zu einem Produkt zu kombinieren, das für mehr Tempo bei der Antriebswende sorgen dürfte.
Der US-Ladesäulenbetreiber Volta Charging bietet eine halbe Stunde Gratisladen – weil auf der Säule Werbung blinkt. 300-kW-Hypercharging ist inzwischen ohne Verlegung neuer Stromkabel möglich – wenn die Hersteller ihre Schnellladesäulen mit Batteriespeichern ausstatten. Die Lebensdauer von Hochvoltbatterien lässt sich massiv steigern – wenn spezielle Fachbetriebe sie untersuchen und warten. Diese drei Ideen kombiniert Numbat in einem Produkt: einer Schnellladestation mit Batteriespeicher und großem Werbedisplay.
Nein, es ist natürlich kein Zufall, dass im Logo von Numbat das gleichnamige vom Aussterben bedrohte Beuteltier stilisiert wird. „Die Story hat sich ganz gut ergeben. Das, was wir tun, ist auch ein Kampf gegen den Klimawandel“, erklärt Uli Benker, Head of Marketing bei der Numbat GmbH. Das 2021 in Kempten gegründete Unternehmen hat die drei eingangs erwähnten und ziemlich guten Ideen zu einer neuen Idee kombiniert. Einzigartig machen Numbat zwei 75-Zoll-Displays, auf denen DOOH, also digitale Außenwerbung läuft, sowie das Versprechen, dass eine Batterie bis zu dreimal länger hält als es sonst der Fall wäre. Dadurch soll die Installation nicht nur dort lohnen, wo andere Betreiber niemals Ladestationen aufbauen würden, also in kleinen Städten und Orten auf dem Land. Das Ganze soll auch besonders nachhaltig sein.
„60 Prozent der Bevölkerung haben nicht die Möglichkeit, zu Hause zu laden“
Uli Benker, Head of Marketing Numbat
Benker erklärt im Gespräch mit FUTURE MOVES die Notwendigkeit für eine derartige Lösung so: „Jede Ladeform hat ihre Berechtigung. Die Wallbox ist super, vor allem wenn ich eine lange Aufenthaltsdauer habe. Von der KfW gibt es eine Studie, dass 60 Prozent der Bevölkerung eben nicht über die Möglichkeit verfügen, zu Hause zu laden.“ Das Aufladen an 11-kW-AC-Ladern, wie sie am Straßenrand zu finden sind? „Das wird nicht so funktionieren“, sagt Benker. „Wir brauchen Ladesäulen und High Power Charger mit Geschwindigkeit von 10 bis 25 Minuten.“ Im besten Fall sollen die auf dem Supermarktparkplatz stehen, um den wöchentlichen Strombedarf beim Einkauf nebenbei zu decken. In Zukunft werde das sogar wettbewerbsrelevant für Supermärkte, prophezeit Benker.
Doch für Elektromobilität offene und interessierte Marktleiter*innen stoßen schnell auf Herausforderungen: „Wenn ich weiß, dass heute ein Unternehmen 100 kW Anschlussleistung hat und die schon im Peak benutzt und jetzt noch 300 kW zusätzlich verwenden will, da merken wir schon, das geht nicht so cool“, sagt Benker. Gerade in Städten sei es komplex, die nötige Leistung für das Schnellladen zu beschaffen. Die mit Batteriespeicher ausgestatteten Schnelllader von Numbat haben potenziell „einen signifikanten Einfluss auf die Netze“, so Benker, weil ihre Installation die vorhandene Infrastruktur nicht belastet.
Ein Niederspannunganschluss reicht, Bauarbeiten für den Anschluss ans Mittelspannungsnetz entfallen. Lädt ein Auto mit maximaler Leistung, wird das mit Hilfe des Speichers gepuffert. Sobald sich die Ladeleistung des Autos reduziert, steigt der Füllstand des Speichers auch wieder. Leer werden soll er eigentlich nie, auch nicht bei mehreren aufeinander folgenden Ladungen mit besonders stromhungrigen E-Autos, sagt Benker: „Das ist eher unwahrscheinlich, zumindest in den nächsten Jahren.“ Und bedarfsweise ergänzt Numbat weitere Batteriespeicher. Deren Lebensdauer sei bis zu dreimal so lang, weil das Unternehmen auf das gezielte Reparieren und Austauschen von Batteriezellmodulen spezialisiert sei. Statt einen Akkupack im gesamten zu recyceln, werden nur jene Module getauscht, die tatsächlich verbraucht sind. Das spart Ressourcen und verbessert die Umweltbilanz immens.
„Wir können dazu beitragen, Primärregelleistungen zu übernehmen“
Uli Benker
Das gelte auch für die Umweltbilanz bei der Stromgewinnung und des -verbrauchs: „Wir können unter Umständen dazu beitragen, Primärregelleistungen zu übernehmen. Wir können Netze im Gesamten entlasten. Wenn wir 100 Numbats in einer Region haben, dann reden wir im Schwarm über virtuelle Kraftwerke. Lokal am Standort können wir Peakshaving übernehmen, also Lastspitzen kappen.“ Und das kann sich finanziell lohnen.
Der Betreiber Numbat refinanziert seinen Invest gleich mit mehreren Umsatzerlösen: Zum einen durch die von Benker angesprochene Partizipation an den Einsparungen bei Netzentgelten und Stromkosten und insbesondere dann, wenn der Markt eine Photovoltaikanlage installiert. Zweitens fallen für die Ladungen natürlich Stromkosten an, die Einkäufer*innen an der Ladesäule bezahlen. Der dritte Umsatzerlös ist Werbung. Mit der DOOH-Vermarktung Goldbach hat Numbat bereits eine Partnerschaft geschlossen, um Digitalwerbung auf den 75-Zoll-Bildschirmen auszuspielen.
Umsätze sind dann weniger vom Standort abhängig, was die Erschließung von zunächst wenig lohnenswert anmutenden Gebieten begünstigt: „Haben wir einen Standort näher an der Autobahn, ist das Thema Erlöse aus dem Laden wichtiger. Ist es ein Standort, der vielleicht hoch frequentiert ist, etwa eine Innenstadtlage, dann ist vielleicht das Thema Advertising ein bisschen höher.“ Die installierenden Betriebe könnten mit einem Return of Invest von drei bis sechs Jahren rechnen. Besonders sollen von DOOH-Ladesäulen Standorte profitieren, die sonst – gelinde gesagt – vergessen würden. Die Supermarktketten Tegut und Feneberg haben bereits Verträge mit Numbat unterschrieben. Bei Tegut entstehen demnächst 1.000 Schnellladepunkte, in Teilen dort, wo sich andere Anbieter sich nicht hintrauen. DOOH könnte also die Antriebswende auf dem Land voranbringen.
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Martin Schall
Nahezu zehn Jahre lang war er zunächst bei Manz, einem Hersteller von Solarmodulen, Displays, Batterien und Kondensatoren, Anfang 2021 gründete Martin Schall dann die Numbat GmbH und wurde ihr Geschäftsführer.
Brandt Hastings
DOOH und Elektroautos? Das kennt man auch schon von Volta Charging. Das amerikanische Unternehmen wurde temporär von Brandt Hastings geleitet, dem kaufmännischen Leiter von Volta. Hastings sitzt seit April dieses Jahres auch in einem Nachhaltigkeits-Board von Boom Supersonic.