Die Idee ist ein No-Brainer. Niemand will den halben Tag auf Paketbote:innen warten oder – der wahrscheinlichere Fall – auf der Suche nach seinem Päckchen mit dem Abholschein in der Hand vor einer verschlossenen Kiosk-Tür stehen oder Nachbar:innen beim Abendbrot stören. Stattdessen bestellt man Pakete direkt in den Automaten. Der hat rund um die Uhr geöffnet und nötigt einem auch keinen Smalltalk ab. Kein Wunder, dass die Deutsche-Post-Tochter DHL nach eigenen Angaben mittlerweile über 10.000 ihrer Packstationen in Deutschland aufgestellt hat. 

Das Problem daran: DHL ist Quasi-Monopolist. Es gibt zwar noch eine Handvoll Amazon Locker und immer wieder versuchen sich regionale Anbieter. Aber mit Parcellock hat der wichtigste DHL-Rivale, hinter dem die Paketdienste DPD und Hermes standen, sein Geschäft zum 31. Juli eingestellt. Für die Kund:innen heißt das: Entweder per DHL bestellen – oder mit dem Abholzettel nach Feierabend noch mal los. Oder darauf hoffen, dass drei Österreichern gelingt, woran bislang alle gescheitert sind.   

Im Heimatmarkt betreibt Myflexbox bereits mehr als 300 Paketautomaten. Bis 2025 sollen es österreichweit 1.000 sein. Damit hätte das Start-up aus Salzburg dort dann ähnlich viele Stationen pro Einwohner wie DHL aktuell in Deutschland. Diesen Abdeckungsgrad wollen die Österreicher in ein paar Jahren auch hierzulande erreichen, nennen aber bislang keine konkreten Zahlen.

„Flexible Paketzustellung wie bei Netflix und Co.“

Jonathan Grothaus, Gründer Myflexbox

Das Marktpotenzial für Paketstationen ist zumindest enorm. 4,51 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen wurden im Jahr 2021 in Deutschland verschickt. Bei weiterhin steigender Tendenz. Hinzu kommt, dass viele Pakete nicht beim ersten Zustellversuch übergeben werden können. Es folgt ein zweiter oder sogar dritter Versuch. Mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit ist ein dichtes Netz aus fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbaren Abholboxen darum wünschenswert. Myflexbox nennt CO2-Einsparungen von 66 Prozent der Emissionen pro Paket, zumindest im städtischen Gebiet.

Beim Eintritt in den deutschen Markt setzen die Salzburger wie im Heimatmarkt zunächst auf die Metropolen. In Wien wurde gerade die 100ste Station eingeweiht, 20 weitere sind derzeit in Planung. In Deutschland sollen Berlin und München den Anfang machen. Mit Hamburg dann schnellstmöglich eine dritte Millionenstadt folgen. Im Anschluss sind weitere Standorte auch in kleineren Städten dran. 

Die drei Myflexbox-Gründer Lukas Wieser, Jonathan Grothaus und Peter Klima (v.l.)

Ob der Sprung gelingt, hängt am Ende vor allem von drei Faktoren ab: Zum einen muss Myflexbox schnell sein. Denn DHL erweitert sein Packstationen-Netzwerk in rasendem Tempo. In Kooperation mit der Deutschen Bahn werden gerade 800 Stationen aufgestellt, es gibt inzwischen einen Deal mit einer Fast-Food-Kette, die hunderte potenzielle Standorte mitbringt. Bis Ende 2023 will DHL seine 15.000ste Packstation eröffnet haben.

Zum anderen muss sich zeigen, ob Myflexbox seinen größten Vorteil auch in Deutschland ausspielen kann: die Unabhängigkeit. In Österreich verfügt das Start-up über eine große Zahl von Partnerschaften – darunter mit den großen Paket- und Logistikdienstleistern UPS, DPD, GLS – und auch DHL gehört zu den Kunden. Außerdem macht Myflexbox die aus dem E-Commerce vertraute „flexible Paketzustellung wie bei Netflix und Co.“, wie Mitgründer Jonathan Grothaus es nennt, auch lokalen Händlern zugänglich. Die können gegen eine Gebühr von 0,95 Euro ihre Waren zur Abholung für ihre Kund:innen einstellen.

Vor allem unterhält Myflexbox Kooperationen mit diversen Supermarkt-Ketten. In Österreich stehen die Stationen vor Lidl-Märkten sowie Geschäften von M Preis und der Rewe-Tochter Billa. Darüber sei auch der Impuls gekommen, das funktionierende System ins Ausland zu übertragen und die Expansion nach Deutschland anzugehen. Es wird spannend, wie DHL darauf, wenn bei Rewe oder Lidl – die beide schon länger mit dem Paketdienst zusammenarbeiten – demnächst eine zweite Station auf dem Parkplatz stehen sollte.

Als dritter erfolgskritischer Faktor spielt eine Rolle, dass hinter Myflexbox kein Konglomerat aus Paketdiensten steht, die möglichst billig eine Automaten-Infrastruktur aufbauen wollen, sondern die Salzburg AG. Innerhalb des Energie-, Telko und ÖPNV-Unternehmens mit zuletzt 1,7 Milliarden Euro Umsatz entstand die Idee 2018 im Rahmen eines Innovationswettbewerbs als Lager- und Ausliefermöglichkeit für interne Zwecke. 

„Durch unsere Software haben wir einen riesigen Vorteil anderen Anbietern gegenüber“

Jonathan Grothaus

Das Konzept wurde weiterentwickelt, zur B2C-Lösung, seit dem vergangenen Jahr österreichweit ausgerollt, und soll nun ins Ausland gebracht werden. Zu diesem Zweck hat die Salzburg AG Myflexbox sogar zu einer eigenständigen Tochterfirma gemacht – ausgerechnet im selben Monat, in dem der deutsche Mitbewerber Parcellock die Segel streichen sollte.  

Bei Myflexbox sieht man sich zumindest gut vorbereitet. „Durch unsere Software und die Vernetzungen haben wir einen riesigen Vorteil anderen Anbietern gegenüber“, sagt Grothaus selbstbewusst. Offene Schnittstellen und die Unabhängigkeit von einem bestimmten Dienstleister führten zu einer hohen Akzeptanz im Heimatmarkt. Dort helfen unter anderem Deals mit Wohnungsbaugenossenschaften, die Zahl der Stationen in einer Stadt direkt zweistellig zu erhöhen. 

Natürlich profitiert das Start-up in Österreich davon, dass die lokale Post nicht so stark beim Thema Abholstationen engagiert ist wie DHL in Deutschland. Mit Blick auf die Expansion ein klarer Startnachteil. Ob der offenere Ansatz von Myflexbox diesen Startnachteil ausgleicht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn der nächste David gegen den gelben Giganten in den Ring steigt.

StartnachteilOb der offenere Ansatz von Myflexbox diesen ausgleicht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn der nächste David gegen den gelben Giganten in den Ring steigt.

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Jonathan Grothaus

Jonathan Grothaus

Nach seinem Studium in Volkswirtschaft hat Jonathan Grothaus seinen Weg Richtung Entrepreneurship eingeschlagen. Konzepte und Geschäftsfelder entwickeln und ausarbeiten sind seine Stärken. Im Jahr 2018 hat er zusammen mit Lukas Wieser und Peter Klima das Startup Myflexbox ins Leben gerufen.

Peter Klima

Peter Klima

Der gelernte Softwareentwickler Peter Klima sammelte zunächst mehrere Jahre Erfahrung in diesem Bereich als Software Architect und Entwickler bei der Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation. Seit 2018 ist er Co-Founder und Chief Technology Officer bei Myflexbox.