Die Bundesregierung hat das klare Ziel ausgegeben: Bis zum Jahr 2030 soll in Deutschland jeder zweite Linienbus einen E-Antrieb haben. Stadtbusse sind zwar deutlich klimaschonender unterwegs als Autos – die CO2-Emissionen liegen umgerechnet auf die Beförderungsleistung bei einem Drittel. Doch je weiter die Antriebswende beim Pkw voranschreitet, um so wichtiger ist es, dass der ÖPNV mitzieht, um seine überlegene Position zu halten. Die große Frage ist das Wie: Hier konkurrieren ganz unterschiedliche Technologien miteinander – Batterie, Oberleitung, Brennstoffzelle und elektrische Straße. Welche wird sich durchsetzen?

Eins wissen sie bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) schon heute sicher: Die Elektrifizierung der Busflotte wird teuer. Deutschlands größtes Nahverkehrsunternehmen will seine rund 1.500 Stadtbusse bis 2030 komplett auf E-Antrieb umstellen. Kosten dafür: rund 5 Milliarden Euro. Das meiste Geld verschlingt die Anschaffung – ein E-Bus ist mit 500.000 Euro etwa doppelt so teuer wie ein Dieselmodell. Auch der Betrieb ist kostenintensiver, denn E-Busse haben weniger Reichweite. Die Strecken sind also kürzer und es braucht mehr Fahrer:innen. Außerdem muss in die benötigte Infrastruktur investiert werden. Das alles ist lösbar. Was sie in Berlin aber noch nicht genau wissen: Welche Technologie wird sich durchsetzen? 

In Führung bei der Frage nach der Antriebstechnologie der Zukunft im Busverkehr liegen derzeit die batteriebetriebenen Fahrzeuge. Im Herbst 2021 standen in Deutschland zirka 1.200 Exemplare im Dienst. Das entspricht allerdings gerade einmal drei Prozent der insgesamt 35.000 Linienbusse. Das Geschäft machten zunächst Hersteller aus den europäischen Nachbarländern. Die im Bereich der klassischen Verbrennermodelle in Deutschland dominierenden Player – Mercedes-Benz und MAN – haben das Potenzial des E-Bus-Segments erst verspätet entdeckt. Dafür drängen sie nun umso aktiver auf den Markt.

„Es geht um Investitionen auf Jahre hinaus“

Andrea Fechter, Umweltbundesamt

Doch unabhängig von der Marke hat der reine Batterieantrieb ein Reichweitenproblem: Bei den großen Gelenkbussen speichern die Akkus etwas über 400 kWh Energie, bei Solobussen etwa 300 kWh. Je nach Streckenprofil und Jahreszeit – Stichwort Heizung – schafft ein Bus damit kaum mehr als 200 Kilometer, was den meisten Verkehrsbetrieben gerade mal so genügt. Dann muss er zum Übernacht-Laden ins Depot, wo er mit 100 bis 150 kW Leistung Gleichstrom zieht. Das klingt einfach, will aber gut geplant sein. „Verkehrsbetriebe, die sich auf das Depotladen konzentrieren, müssen ihre  Infrastruktur jetzt großzügig darauf auslegen“, sagt Andrea Fechter vom Umweltbundesamt im Gespräch mit FUTURE MOVES.

Die Reichweite ist im Alltagsbetrieb das entscheidende Nadelöhr. Bus-Hersteller, Energieversorger und Stadtwerke arbeiten darum an ganz unterschiedlichen Lösungen, um diese zu verlängern. Der neue e-Citaro von Mercedes-Benz beispielsweise ist ein Hybrid mit einer Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzelle, die seinen Aktionsradius deutlich vergrößert. In vielen Städten verkehren Batteriebusse, die an ihren Endhaltestellen kleine Energiekontingente nachladen können. Dabei nehmen das Ladegerät im Busdach und der Lademast über einen Bügel Kontakt miteinander auf, der Strom fließt drei bis sechs Minuten lang mit bis zu 450 kW Leistung. Einer im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellten Studie zufolge erhöht dieses Opportunity Charging – kurz OppCharging – die tägliche Fahrleistung von Batteriebussen um etwa ein Drittel. Eine Stärke der Technologie ist ihre offene Schnittstelle, die von allen Stromversorgern und Fahrzeugherstellern genutzt werden kann.

Im polnischen Posen baut der Bushersteller Solaris gerade eine Schnelllade-Tankstelle für Batteriebusse. Grafik: Solaris

Eine Ergänzung zum OppCharging bildet das Flash-Laden an Haltestellen. Es dauert nur 20 Sekunden und liefert Strom für bis zu drei Kilometer. Es kann ebenfalls per Bügel erfolgen oder induktiv durch Magnetspulen im Asphalt. Denkt man letzteren Ansatz weiter, landet man bei der elektrischen Straße, die Fahrzeuge jeder Größe permanent mit Strom versorgen kann. Im Versuchsstadium existiert sie bereits – was aus ihr wird, ist offen. „In China, wo ganze Städte neu gebaut werden, könnte man die Spulen oder Schienen relativ einfach installieren“, urteilt Fechter. „Aber in Deutschland sind die Straßen voller Rohre, Kabelschächten und Ähnlichem.“

Zurück zum Stromabnehmer … war da nicht mal was? Klar, da gab es die O-Busse, die wie Straßenbahnen permanent aus einer Oberleitung versorgt wurden. In der alten BRD erlebten sie ihre Blütezeit Mitte der 50er Jahre; damals existierten 56 Netze. Die DDR brachte es in den 60ern auf elf Netze. Aber danach wurden sie – im Gegensatz zu vielen europäischen Nachbarländern – fast alle wieder abgebaut. Oberleitungen sind nun mal teuer und machen Umbauten an der Straße oder neue Verkehrsführungen schwierig. Nur in Solingen, Eberswalde und Esslingen fahren heute noch O-Busse. Sie haben kompakte Batterien an Bord, dadurch können sie auch Off-Grid aufs Dorf rausfahren oder auf Umleitungsstrecken verkehren. In Berlin überlegt die BVG, probehalber neue Linien aufzubauen.

Dann gibt es noch die Wasserstoffbusse. Bei ihnen generiert eine Brennstoffzelle, die idealerweise mit nachhaltig erzeugtem H2 betrieben wird, Strom für bis zu 300 Kilometer Fahrstrecke. Die Hochvolt-Batterie dient nur zum Stützen des Antriebs und zur Energierückgewinnung beim Verzögern, fällt also klein und leicht aus. Das schafft Raum für die Passagiere, zudem lassen sich die Wasserstoff-Hochdrucktanks in nur zehn Minuten komplett füllen. 

„Bevor wir neue Busse kaufen, müssen wir erst mal neue Betriebshöfe bauen“

Rolf Erfurt, COO BVG

Das ist alles technisch elegant, aber trotzdem laufen in Deutschland nur eine Handvoll Brennstoffzellenbusse. Denn die Technologie hat noch immer große Nachteile. Sie ist in der Anschaffung teuer, das Tankstellennetz ist dünn. Die Brennstoffzelle verbraucht Wasserstoff, der für andere Zwecke sinnvoller genutzt werden könnte. Und vor allem erreicht sie in Nutzfahrzeugen nur 31 Prozent Gesamtwirkungsgrad (von der Elektrolyse an gerechnet), wie Andrea Fechter vom UBA anmerkt: „Das ist schon sehr wenig im Vergleich zum direkten elektrischen Antrieb mit etwa 73 Prozent.“ Wenn die Brennstoffzelle im Bus eine Zukunft hat, dann vielleicht auf der Langstrecke. Flix will 2024 zusammen mit den Technikfirmen Freudenberg und ZF ein Pilotprojekt für Wasserstoff-Fernbusse starten.      

Welche Technologie würde Andrea Fechter Verkehrsunternehmen also empfehlen? „Das kann man nicht pauschal beantworten. Die wichtigsten Faktoren sind sicher das Einsatzprofil der Busse vor Ort und der Wirkungsgrad. Aber wie auch immer die Entscheidung ausfällt: Es geht um Investitionen auf Jahrzehnte hinaus.“ Diesen wesentlichen Aspekt bei der Antriebswende im ÖPNV haben sie auf bei der BVG auf dem Schirm. Rolf Erfurt, der den operativen Betrieb der Verkehrsbetriebe der Hauptstadt verantwortet, betont darum den Faktor, der aktuell eine noch größere Bedeutung spielt als die abschließende Klärung der Frage der perfekten Antriebstechnologie: „Bevor wir weitere Busse kaufen, müssen wir erst mal neue Betriebshöfe bauen.“

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Jessica Sandström

Jessica Sandström

Nach dem Studium startete Jessica Sandström ihre Karriere 2003 bei Volvo. Dort leitete sie die Entwicklung eines Hybridantriebs für Busse und Lastwagen und  gründete das City Mobility Team, das sich auf neue Mobilitätslösungen für Städte fokussiert. Eine von ihnen ist das OppCharging für Batteriebusse. Heute ist Sandström Senior Vice President Management und Sustainability bei Volvo Trucks. 

Rolf Erfurt

Rolf Erfurt

Nach seinem Studium arbeitete Rolf Erfurt zunächst bei der Unternehmensberatung Roland Berger, später wechselte er zum Eisenbahnhersteller Bombardier. Vor seinem Wechsel in die Vorstandsposition der BVG war der Diplomkaufmann bei Transdev, Deutschlands größtem privaten Bus- und Bahnbetreiber, als Geschäftsführer der Nordwestbahn und der Transdev Hannover aktiv.