Wie ein Ex-Flughafen zum Umweltvorbild werden soll
Auf dem ehemaligen Gelände des Flughafen Berlin Tegel soll ein Leuchtturmprojekt entstehen. Ein Holzhaus-Quartier mit bezahlbarem Wohnraum für alle, autoarm und klimaneutral
Nach 60 Jahren Betriebszeit hob am 8. November 2020 der letzte Flug von Berlin Tegel ab. Doch bereits seit 2008 wird der Frage nachgegangen, was aus dem Gelände wird, wenn der Flughafen stillgelegt wird. Im August 2021 erfolgte die Übernahme durch die Tegel Projekt GmbH, denn es gibt neue, innovative Pläne für das Gelände.
Auf dem circa 500 Hektar großen Grundstück sind über 5.000 Wohnungen für mehr als 10.000 Menschen geplant. Doch damit nicht genug: Die Pläne sehen eine kleine eigene futuristische Stadt samt klimaneutraler Energieversorgung und umweltfreundlicher Mobilitätsgarantie vor.
„Über viele Jahre hinweg wurde das Tegel Projekt ausgearbeitet“, so Till Richter, Projektleiter des Schumacher-Quartiers. Neben den Wohnflächen sollen auf dem ehemaligen Flughafengelände eine Kita, eine Hochschule, Schulen, Sportanlagen, Gewerbeflächen und Landschaftsflächen entstehen. Circa 70 Mitarbeiter*innen umfasst aktuell das Tegel-Projekt, von Städtebauer*innen bis hin zu Architekt*innen.
„Das Tegel-Projekt umfasst zwei große Bereiche: die Urban Tech Republic und das Schumacher-Quartier“, sagt Till Richter. In der Urban Tech Republic ist eine Hochschule mit Platz für 5.000 Student*innen geplant sowie Raum für bis zu 1.000 Unternehmen, Institute und Forschungseinrichtungen. Der Fokus liegt hier auf Planung und Entwicklung und soll laut eigenen Aussagen zum Startplatz für grüne Zukunftstechnologien werden.
Dazu gehört auch, dass das Quartier autoarm angelegt sein soll. Dafür braucht es gut ausgebaute und breite Fahrrad- und Fußgängerwege, die die Verkehrswende fördern sollen: „Die Zufahrt ist lediglich für Rettungskräfte, Anlieferungen oder mit Sondergenehmigungen, beispielsweise für mobilitätseingeschränkte Personen oder bei Umzügen gestattet“, verrät Till Richter im Interview gegenüber FUTURE MOVES. Geplant seien lediglich Parkplätze für Menschen mit Behinderung.
Zwei Radschnellwege sind ebenfalls geplant, um die beiden großen Bereiche miteinander zu verbinden. Umsetzbar ist das Ganze durch die zentrale Lage des Quartiers zwischen zwei Hauptverkehrsadern. Damit das autofreie Quartier realisierbar ist, ermöglichen sogenannte Mobility Hubs den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf Fahrräder und den ÖPNV. Gleichzeitig stehen hier Dienste wie Car- und Bikesharing und Ladestationen sowie Fahrradreparaturwerkstätten zur Verfügung. Die letzten maximal 300 Meter bis zur eigenen Haustür sollen dann zu Fuß oder mit dem Fahrrad gemeistert werden.
Auch die letzte Meile von Paket- und Postzustellungen erfolgt autoarm, mit dem Lastenrad, über Paketabholstationen oder künftig auch via Drohnen. Bei der Urban Tech Republic hingegen ist dies anders geplant: Der Fokus liegt zwar dennoch auf der Nahmobilität, Beschränkungen gibt es hier für die Betriebe aber keine.
„Sowohl der Bau als auch der Betrieb sollen klimaneutral und umweltgerecht erfolgen“
Till Richter, Projektleiter vom Schumacher Quartier
Soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte sollen im gesamten Projekt miteinander in Einklang gebracht werden. „Sowohl der Bau als auch der Betrieb sollen klimaneutral und umweltgerecht erfolgen“, so Richter. Dafür ist einiges geplant: Geothermie sowie die Begrünung und die Installation von PV-Anlagen sind vorgesehen. Zusätzlich soll das Schumacher-Quartier ein Modellquartier für urbanen Holzbau werden, als Baustein der Klimaneutralität und zur Speicherung von CO2.
Neben der Integration von Biodiversität mit Hilfe von Animal-Aided Design und der Planung der Schwammstadt sollen zahlreiche Grün- und Landschaftsbereiche für Mensch und Tier geschaffen werden, um artgerechte Lebensbedingungen zu schaffen sowie Nachhaltigkeit und Tierschutz zu fördern. „Aktuell läuft auf dem Gelände noch die Kampfmittelräumung, um anschließend mit dem Bau zu beginnen“, so Till Richter. Geplant ist, dass bereits 2027 die ersten Bewohner in die klimaneutrale Kleinstadt einziehen.
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Till Richter
Bachelor im Verkehrswesen, Master in Energy und Transport Management. Im Anschluss daran war Till Richter Ingenieur für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, heute ist er der Projektleiter Verkehr für das Schumacher Quartier. Hier unterstützt Richter bei der Planung und Entwicklung.
Gudrun Sack
Nach ihrem Architekturstudium konnte Gudrun Sack zahlreiche Erfahrungen sammeln. Ihre Schwerpunkte liegen im nachhaltigen Planen und Bauen. Seit dem 1. Mai 2021 ist Gudrun Sack Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH und ist somit für die Nachnutzung des ehemaligen Flughafengeländes zuständig.