Elektroautos sind ja etwas Tolles – aber nichts ist öder als die Wartezeit auf dem Autobahnparkplatz, während der Schnelllader die Akkus mit Energie für die Weiterreise füllt. Trotz Gleichstrom dauert das eine halbe Stunde. Und was machst du in der Zeit? Aufs Klo gehen? Musst du gerade nicht. Einen Cappuccino trinken und Shoppen in der Raststätte? Och nö. Spätestens nach dem zweiten Lunch wäre es viel netter, im Auto sitzen zu bleiben und die Lieblingsserie zu gucken. Nicht auf dem kleinen Smartphone, sondern mit richtig Kino-Feeling, auf dem großen Display im Armaturenbrett. Wie bei Tesla eben.

Genau das dachte sich die US-Amerikanerin Rana June, als sie vor fünf Jahren zum ersten Mal an einer Ladesäule stand. Rana, die sich selbst RJ nennt, ist eine Frau, die ziemlich viel kann, sowohl als Musikerin als auch als Softwareentwicklerin. Jetzt ist sie auch noch Unternehmerin, und zwar eine sehr erfolgreiche. Im Oktober 2019 gründete Rana in Kalifornien das Software-Startup Zync und holte Experten von Apple, BMW, Nike und vom Uber-Konkurrenten Lyft in ihr Team. Ihr Ziel: Das In-Car-Entertainment auf ein völlig neues Level zu heben – mit E-Commerce, Gaming und Videostreaming.

Zync bringt Inhalte aufs Display, um die Zeit beim Laden oder beim autonomen Fahren totzuschlagen. Foto: Zync

Was genau bietet Zync? Die Softwareplattform bringt Streaming-Dienste, Videos, Online-Games, Liveübertragungen und Newsfeeds wie vom Sender N-TV ins Auto; sie kann es in ein Kino oder in eine Kunstgalerie verwandeln. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Online-Shopping. Bei allen Angeboten versucht die Künstliche Intelligenz von Zync, den Nutzer:innen passende Vorschläge zu machen. Dabei richtet sie sich an deren bevorzugten Interessen aus, an der geplanten Fahrtroute und an der Verkehrssituation – ob beim Ladestopp oder beim Stillstand im Stau.

Auch für das autonome Fahren sind die Angebote von Zync interessant – und diese Zukunft beginnt jetzt: Die S-Klasse von Mercedes-Benz kann auf deutschen Autobahnen bis 60 km/h automatisiert fahren, also auf dem so genannten Level 3. In diesen Phasen dürfen die Fahrer:innen das Entertainment uneingeschränkt nutzen, müssen aber stets bereit sein, die Verantwortung wieder zu übernehmen. „Wir alle werden künftig mehr passive Zeit im Auto verbringen“, sagt Rana. „Und daraus ergeben sich hochinteressante Möglichkeiten für das In-Car-Entertainment.“

„Wir alle werden mehr passive Zeit im Auto verbringen“

Rana June, Gründerin Zync

Als Full-Service-Anbieter bringt Zync nicht nur das Infotainment ins Auto, sondern übernimmt auch zahlreiche Dienste im Hintergrund. Das Startup, das Niederlassungen in San Francisco und München besitzt, vermittelt die Kontakte zwischen Autoherstellern und Content-Anbietern. Es wickelt die Zahlung bei Käufen und Buchungen ab, kümmert sich um die Verwaltung von Rechten und sorgt mit variablen Datenraten für störungsfreie Übertragung.

Die Softwareplattform, so heißt es, sei mit dem Infotainment vieler Marken kompatibel und lasse sich ohne Hardware-Anpassungen in 70 Millionen Neuwagen jährlich installieren. Bei Porsche dürfte das besonders einfach funktionieren: In ihrer jüngsten Evolutionsstufe integriert die Infotainment-Hardware eine Container-Lösung vom Softwarespezialisten Docker. Sie erlaubt es Third-Party-Entwicklern, ihre Apps in Containern zu bündeln, auf das System zu pushen und dort mit relativ geringen Ressourcen zu betreiben.

Zync will noch im Jahr 2022 in Europa und den USA an den Start gehen, mit mehreren Autoherstellern existieren Verträge. Porsche ist über seinen Startup-Inkubator Forward 31 sogar als strategischer Partner bei Zync eingestiegen. So könnte schon bald nicht nur das Auto, sondern auch das Entertainment auf Tesla-Niveau sein.

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Rana June

Rana June

Rana June schaffte es als DJ bis zu einem Auftritt im Weißen Haus, als Softwareentwicklerin spezialisierte sie sich auf die Gebiete Human Interface, KI und Neue Medien. Ihre Idee hinter Zync: „Wir verstehen das Auto als digitale Leinwand. Es wird Zeit, dass die endlich richtig bespielt wird.“

Christian Knörle

Christian Knörle

Christian Knörle ist Leiter Company Building der Porsche Digital, einem Tochterunternehmen der Sportwagen-Marke. Zu seinen Geschäftseinheiten gehört „Forward31“ – eine Business Unit, die ein Portfolio attraktiver Start-ups aufbaut. „Wir müssen wir uns im digitalen Umfeld neu erfinden“, sagt Knörle. „Forward 31 ist ein Ansatz dazu.“