Ein Franzose und ein Österreicher treffen sich in einer Berliner Bar. In der beschließen sie, gemeinsam ein Problem zu lösen, das Elektroautofahrer*innen plagt: Sie wollen mit einer simplen App durch den Tarif- und Kartendschungel helfen, der damals, 2019, noch schlimmer war, als es heutzutage der Fall ist. „Ich dachte mir: Wir starten das mal, das kann ja nicht so schwer sein. Genau nach zwei Monaten war dann die erste Version fertig, in der nur zehn Tarife drin waren“, erklärt Niklas Hösl, Mitgründer von Chargeprice.

Heute sind Dutzende Tarife und Tausende Ladestationen europaweit verzeichnet. Nutzer*innen der App hinterlegen ihre Ladekarten, automatisch empfiehlt Chargeprice den günstigsten Tarif aus den vorhandenen und stellt noch günstigere Alternativen vor. „Das was du an der Oberfläche siehst, ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter sind Dutzende Tools, die einfach alle möglichen externen Datenquellen anschauen, vergleichen und zusammenfügen, damit am Ende die Daten richtig rauskommen.“ Ein aufwändiger Prozess, den Hösl und das Chargeprice-Team noch nebenher erledigen. Die nächsten Schritte: Monetarisierung, Investition, Skalierung.

„Als Techniker geht man gerne an solche Themen heran“

Niklas Hösl, Mitgründer Chargeprice
Was kostet das Aufladen? Chargeprice rechnet vor

2018 hat der Chargeprice-Mitgründer sein erstes Elektroauto erwartet: „Ich wollte immer schon ein Elektroauto haben. Als dann der Hyundai Kona vorgestellt wurde, habe ich gewusst, dass das passt. Ich habe dann ein Jahr warten müssen, bis er dann wirklich kommt und in der Zeit musste ich mich natürlich vorbereiten.“ Weil er keine eigene Wallbox hatte und für den wöchentlichen Pendelweg von 270 Kilometern pro Strecke, musste Hösl die öffentliche Infrastruktur nutzen. „Da hat sich dann schnell herausgestellt, dass es sehr viele unterschiedliche Tarife gibt und dass man die an der gleichen Ladestation unterschiedlich verwenden kann. Das Laden kann relativ umständlich werden, wenn man sich nicht richtig informiert. Als Techniker geht man gerne an solche Themen heran.“

Hösl, der im Hauptberuf Software-Entwickler bei der Adidas-Tochter Runtastic in Wien ist, hatte immer schon kleine Nebenprojekte. Mit dem Erfolg von Chargeprice hatte er zunächst gar nicht gerechnet: „Nach zwei Monaten ist Chargeprice ziemlich schnell eingeschlagen. Ich war immer schon in einer Facebookgruppe aktiv für Elektroautofahrer und da hat die App relativ schnell die Runde gemacht.“ Zu einem Anbieter von Ladestationen und -karten nahm Hösl Kontakt auf: „Ich habe dann bei Plugsurfing angefragt, um deren Daten zu integrieren. Die haben dann gesagt, dass ein ehemaliger Mitarbeiter ebenfalls an so einem Projekt arbeitet und der sei Franzose.“ Hösl fehlte die Business-Erfahrung, Quentin Ducreux-Lerebours der Techniker, der die Software programmieren kann. It’s a match.

„Das langfristige Ziel ist sicher, dass wir das in Vollzeit machen“, sagt Hösl. Darum suchen er und seine Partner nach Investoren, die er vermutlich auch finden wird. „Nach außen hin als Endnutzer sieht man gar nicht so viel, wie wir Geld verdienen können. Aber wir haben einen riesen Datenstock zur E-Mobilität aufgebaut und da gibt es sehr viele Unternehmen, die an solchen Daten interessiert sind. Zum Beispiel Ladekarten-Betreiber, die in ganz Europa tätig sind. Die können dann mit unseren Daten ihre Tarife mit den der Konkurrenz vergleichen. Auch Analysen sind möglich.“

„Laden muss so einfach sein wie das Tanken an der Tankstelle“

Niklas Hösl, Mitgründer Chargeprice
Die App „Ladefuchs“ ist eine simple Tarifsuche, die auf Chargeprice-Daten zugreift

Heute schon verdient Chargeprice Geld mit Affiliation und hebt gewisse Tarife farblich hervor – für jeden Klick gibt es ein paar Cent. Das Automagazin „Auto Motor und Sport“ nutzt Chargeprice-Daten bereits für die eigene App „Mehr-tanken“ und auch der „Ladefuchs“ greift auf Chargeprice-Daten zurück. Hösl hat ein klares Anforderungsprofil an Investoren: „Wir suchen grundsätzlich jemanden, der sich für das Thema Mobilität interessiert. Auf der anderen Seite brauchen wir niemanden, der direkt aus der Industrie kommt. Wenn jetzt EnBW daherkommt, dann würden wir komplett unsere Neutralität verlieren. Wir schauen schon, dass wir unabhängig bleiben.“

Die Beliebtheit von Chargeprice erkärt sich vor allem durch die hohe Datenqualität und die Community: „Wir haben aktuell circa 100.000 monatliche Nutzer. Wenn mal etwas falsch ist, dann melden die das, dann schauen wir uns das an und bessern aus.“ Chargeprice selbst verwendet vor allem Daten von Going Electric. Die Online-Datenbank ist sehr stark fokussiert auf Deutschland und Österreich, weshalb die Daten in anderen europäischen Ländern teils zu wünschen übrig lassen. „Aber hier arbeiten wir gerade daran, dass wir automatisiert alle möglichen Quellen, die wir so finden können, nutzen und zusammenfügen, damit wir die beste Datenqualität haben“. So schwer sei das auch nicht, weil im Grunde jede Station im Netz verzeichnet sei. „Die Preise allerdings nicht. Die Daten können in jeglichen Formaten daherkommen und das ist eben die große Herausforderung.“ Schmunzelnd fügt Hösl hinzu, dass ihn die Herausforderung aber gar nicht stört.

Immer wieder machen ihm jedoch auch bestehende Anbieter zu schaffen, aktuell etwa Bonnet. Das britische Start-up bot zunächst einen günstigen Einheitstarif an und wird jetzt immer teurer und komplizierter. Hösl weiß wieso: „Das ist der klassische Lebenszyklus eines Ladetarif-Start-ups. Alle wollen am Anfang super innovativ, super einfach sein und werden dann von der Realität erschlagen. Und am Ende ist dann ein Preis pro Stationsbetreiber da.“ 

Für Chargeprice, das aus einem Problem heraus geboren wurde, gibt es im besten Fall natürlich eines Tages keinen Bedarf mehr. „Solange der Markt wächst, braucht man Apps, mit denen man sich informieren kann. Objektiv betrachtet muss das Laden natürlich so einfach sein wie das Tanken an der Tankstelle.“ Der Chargeprice-Gründer wünscht sich eine funktionierende Ladestation zum fairen Preis an jeder Autobahnausfahrt, an der man mit Karte bezahlen kann. „Ich persönlich glaube, dass wir auf einem ganz guten Weg sind.“

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Niklas Hösl

Niklas Hösl

Der Österreicher Niklas Hösl hat im Jahr 2018 sein erstes E-Auto bestellt und war zunächst von der Menge an Anbietern überwältigt. Der Software-Entwickler von Runtastic (heute: Adidas) brauchte nur zwei Monate, um einen Preisvergleich für Ladeanbieter ins Leben zu rufen. Mit seinen beiden französischen Partnern gründete er dann 2019 Chargeprice.

Quentin Ducreux-Lerebours

Quentin Ducreux-Lerebours

Der Franzose Quentin Ducreux-Lerebours war unter anderem über dreieinhalb Jahre lang Business-Developer bei Plugsurfing ehe er im Dezember 2018 COO von Electric 55 Charging wurde, einem privaten Anbieter aus Frankreich für öffentliche Ladeinfrastruktur. Etwa zur selben Zeit gründete er mit Niklas Hösl und einem weiteren Partner Chargeprice.