Der Schwede, der Berlin zu Kopenhagen machen will
Mit Soundcloud revolutionierte er die Musikindustrie, nun möchte Eric Quidenus-Wahlforss mit dem E-Bike-Abo Dance urbane Mobilität verändern – und helfen, ganze Städte zu transformieren
Was für viele Deutsche noch undenkbar scheint, lebt Eric Quidenus-Wahlforss bereits. Der Mitgründer der Musikstreaming-Plattform Soundcloud hat noch nie ein Auto besessen, denn „in Berlin braucht man nicht unbedingt ein Auto“. Stattdessen bewegt sich Quidenus-Wahlforss mit Shared-Mobility-Angeboten durch die Stadt. Einen Sommer lang waren es vor allem E-Bikes von Jump. Das brachte ihn auf die Idee eines Abo-Services für E-Bikes.
Träfe man Quidenus-Wahlforss in seiner Wahlheimat Berlin auf der Straße, man würde nicht vermuten, dass dieser Mann schon einmal eine ganze Industrie umgekrempelt hat. Er wirkt unauffällig und zurückhaltend. Keine Eigeninszenierung wie Elon Musk, obwohl auch seine Ziele hoch gesteckt sind. Beim E-Bike-Abodienst Dance, den Quidenus-Wahlforss gemeinsam mit Soundcloud Co-Founder Alexander Ljung und Jimdo-Gründer Christian Springub hochziehen will, geht es um nicht weniger als die Transformation der Städte.
In den 90ern fing der gebürtige Schwede an, Internet-Kram und viel Musik zu machen. Später baute er Websites. Während seines Studiums in Industrieökonomie und Medientechnologie traf er seinen Mitgründer von Soundcloud. Im Jahr 2007 gründeten Ljung und Quidenus-Wahlforss Soundcloud, eine Plattform zum Austausch und zur Verbreitung von Musik. Das Start-up machte Streaming zum neuen Standard innerhalb einer Industrie, ehe Spotify daraus ein Milliarden-Business entwickelte. 2019 trat Quidenus-Wahlforss vom operativen Geschäft bei Soundcloud zurück, wollte aber weiter unternehmerisch tätig sein. Nachhaltigkeit und Klimawirkung seien ihm wichtig, sagt er. So landete er irgendwann beim Thema Mikromobilität und speziell bei E-Bikes.
„Es ist eine Art reibungsloser Besitz“
Eric Quidenus-Wahlforss, Gründer von Dance
Dass ihm die Idee eines Abo-Services kam – ein Modell, das den Kauf von Produkten in der Musikbranche bereits nahezu komplett abgelöst hat – ergab sich aus seinen eigenen Mobilitätsbedürfnissen. Quidenus-Wahlforss stellte sich die Frage: Kann man ein Fahrrad besitzen, ohne die Nachteile von Eigentum? Er nennt es „reibungsloser Besitz“: Die Wartungsarbeiten fallen weg, die lange Recherche nach dem richtigen Fahrrad sowie die Sorge um Diebstahl und Vandalismus.
So bequem dieser Ansatz aus Kund:innenperspektive ist, so groß sind die Herausforderungen, die sich für einen Anbieter ergeben. Denn das Abo-Bike muss stilbewusste Großstädter ansprechen und trotzdem solide sein. „Wir haben Hunderte von Fahrrädern gekauft und sie ein Jahr lang getestet“, sagt Quidenus-Wahlforss. „Daraus haben wir viel gelernt, beispielsweise systematische Probleme mit den Bremsen und klappernden Ständern.“ Kleinigkeiten, die aber zum teuren Problem werden, wenn daraus regelmäßig Servicefälle werden würden. Die Kund:innen wollen das Abo schließlich genau aus dem Grund: sich um diese Kleinigkeiten nicht selbst kümmern zu müssen.
Weil es kein für einen Abo-Service zugeschnittenes E-Bike auf dem Markt gab, setzt Dance auf eine Eigenentwicklung. Das beste von beiden Welten vereint: robust und langlebig, gleichzeitig leicht und schön designt. Die solide Hardware ist essentiell. Doch eine andere Sache ist vielleicht noch wichtiger, wenn man das Fahrrad als Dienstleistung anbieten will: „Wenn man ein Unternehmen gründet, das auf einem Abonnement basiert, dann ist das eine ganz andere Beziehung zum Kunden“, erklärt Quidenus-Wahlforss.
Heutzutage gibt es für fast alles ein Abonnement. Musik und Filme werden gestreamt, Smartphones und Fernseher können gemietet werden und selbst Kleidung muss man nicht mehr besitzen. Während es in der Musikbranche beim Abonnement meist um die Verfügbarkeit geht – jederzeit alles hören können –, macht Quidenus-Wahlforss den Kund:innen von Dance ein anderes Versprechen: „Die Menschen erkennen, dass Zeit eine begrenzte Ressource ist“, sagt der Gründer. Durch den Abo-Service könnten sie Zeit sparen und Bequemlichkeit freischalten, das treibe den Trend an. „Ich denke, dass es für viele Dinge einfach Sinn macht, sie nicht zu besitzen.“
„Wir versuchen, eine Bewegung zu schaffen“
Eric Quidenus-Wahlforss
E-Bikes sind darum auch nur Mittel zu einem höheren Zweck. In dem schwingt viel Start-up-Hybris mit – aber vielleicht muss man die Sache so angehen, wenn die eigene Idee schon einmal dazu beigetragen hat, als unerschütterlich geltende Gesetze einer Branche zu zertrümmern. Quidenus-Wahlforss sagt: „Wir versuchen, eine Bewegung zu schaffen.“ Dance solle zu einer Marke werden, die für lebenswerte Metropolen und die Transformation des urbanen Raums steht. „Ich möchte, dass die Städte mehr wie Amsterdam und Kopenhagen aussehen.“
Eine aktuelle Studie der ETH-Zürich kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Shared-Mobility Angebote nicht nur positive Auswirkungen haben. Das Sharing von E-Scootern wie auch E-Bikes solle dem Klima eher schaden. Die Studienergebnisse beunruhigen Quidenus-Wahlforss weniger: „Ich denke, man muss das Gesamtbild im Auge behalten und sich fragen, wohin die Reise gehen soll.“ Die echte Veränderung sei hier die Bewegung, die geschaffen wird, hin zu einer klimafreundlichen Stadt. Die Studie blickt Quidenus-Wahlforss nicht weit genug, bezöge die langfristigen Trends nicht mit ein: die Verbundenheit der Menschen zu dem größeren Ziel des Wandels.
Quidenus-Wahlforss wäre kein Start-up-Gründer, wenn er den Wandel in der Mobilitätsbranche nicht mit Daten unterfüttern würde. Wie immer mehr moderne E-Bikes, besitzen auch die Räder von Dance viele Sensoren, die Informationen sammeln. „Wir können den Zustand der Fahrzeuge zu einem gewissen Grad vorhersagen und die Räder orten“, sagt Quidenus Wahlforss. In gewissem Sinne fühle sich die Arbeit an Dance in der aktuellen Phase ähnlich an wie damals bei Soundcloud. „Wir hatten eine riesige Fundgrube an Daten, und die Herausforderung war immer, wie kann man sie tatsächlich nutzen.“ Im Fokus stehe dabei die Verbesserung des Kundenerlebnisses. Die Daten zu einem anderen Zweck nutzen oder verkaufen kommt für Quidenus-Wahlforss nicht in Frage.
Noch steht Dance am Anfang. Der Service läuft nach Berlin nun auch in Hamburg mit Test:kundinnen an. Und mit Swapfiets haben die Berliner einen Konkurrenten, der in beiden Metropolen bereits sehr präsent ist und mittlerweile auch E-Bikes im Abo offeriert. Doch die anderen Player, die eigentlich das größte Interesse haben sollten, den Umbruch der Branche vom Kauf zum Abonnement mitzugestalten, die bereiten Quidenus-Wahlforss keine Sorgen: „Wenn wir mit Leuten aus der klassischen Fahrradbranche sprechen, haben sie offen gesagt keine Ahnung, was das bedeutet.“
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Richard Burger
Ähnlich wie Eric Quidenus-Wahlforss ist der Mitgründer von Swapfiets überzeugt davon, dass besitzorientierter Konsum in Zukunft ausgedient hat. Er wollte dem anstrengenden Fahrrad-Besitz ein Ende machen und bietet mit seiner Firma seit 2014 einen Fahrrad Abo-Service an – mittlerweile sind auch E-Bikes im Sortiment.
Dr. Jan Daniel Reck
Der Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich forscht zu neu entstehenden Verkehrsmitteln und ihrer Integration in vorhandene Verkehrssysteme. Die Ergebnisse seiner aktuellsten Studie zeigen, dass Shared-E-Scooter und -Bikes einen negativen CO2 Fußabdruck haben.