​Ein eigenes Business kam für Lelia König eigentlich nicht in Frage. Dass sie trotzdem zur Gründerin wurde und gemeinsam mit ihrem Freund Sandro Beck heute das Bike-Tech-Startup Dashfactory betreibt, verdankt sie ihrer Leidenschaft für das Rennradfahren. König war genervt, dass Autofahrer:innen ihr oft gefährlich nahe kamen. „Da gab es schon einige Situationen, wo du dann weniger Spaß hattest. Weil du einfach so extrem eng überholt wurdest“, sagt König. Der eigentlich vorgeschriebene Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern wird in der Praxis selten eingehalten. ​​​​​Ein alltägliches Problem, das vielen Radfahrer:innen bekannt sein dürfte und immer wieder zu Unfällen führt. 

Erst wollten König und Beck mit einer Action-Cam die Situationen aufnehmen. Schnell fanden sie allerdings heraus: Im deutschen Straßenverkehr darf nicht dauerhaft gefilmt werden. „Wir brauchten also eine Dashcam, die nur anlassbezogen aufnimmt, wenn es eben zu einem Crash kommt“, sagt König. Für das Auto entwickelte Dashcams sind jedoch meist nicht wasserdicht und werden über einen Zigarettenanzünder mit Strom versorgt – am Fahrrad ist der natürlich nicht vorhanden. So entstand die Idee zu einem eigenen Produkt: der Dashcam für das Fahrrad, genannt Dashbike. Deren im Rücklicht integrierte Kamera bietet Fahrradfahrer:innen gleich mehrere Möglichkeiten, die Fahrt sicherer zu machen.

Dashcam genannt Dashbike am Sattel
Die Dashcam, genannt „Dashbike“, ist Rücklicht, Kamera, Sturzdetektor und Fahrtenaufzeichner in einem

Zum einen nimmt die wasserdichte Kamera den Straßenverkehr rechtssicher auf und speichert Videosequenzen bei einem Crash oder einem gefährlichen Überholmanöver. Dabei wird mit einem Weitwinkelobjektiv gefilmt und nur die Sequenz des Überholens oder der Moment des Crashs gespeichert. Zusätzlich haben alle Nutzer:innen die Möglichkeit, die aufgezeichneten Daten der Dashcam anonym an Dashbike zu senden. 

„Momentan gibt es noch sehr wenige Daten im Radverkehr und wir können sicherlich ein Puzzleteil dazu beitragen“, sagt König. So können Gefahrenpunkte im Straßenverkehr erkannt und an die Städte weitergegeben werden, sodass die Radinfrastruktur verbessert werden kann. Mit der Stadt Leipzig läuft das Testprojekt schon. Die gesammelten Daten können die Nutzer:innen aber natürlich auch selbst nutzen.

„Du siehst immer, wie viele gefährliche Situationen du hattest. Wenn es jetzt zum Beispiel zu einem Unfall kam, kannst du deine Gefahrenvideos direkt auf dein Handy downloaden, inklusive einer kleinen PDF-Datei in der auch der GPS- Punkt drin steht“, erklärt König. „Was aber wichtig ist: Unsere Dashcam funktioniert vollkommen autark. Du brauchst kein Handy dazu. Wir haben auch einen GPS-Sensor mit drin.“ So können Nutzer:innen ihre eigene Statistik und Gefahrensituationen einsehen sowie Informationen wie den geringsten Überholabstand abrufen. 

„Es soll kein ‚Autofahrer gegen Radfahrer‘ sein“

Lelia König, Gründerin von Dashfactory

Mit den datenschutzkonformen und rechtssicheren Videoaufnahmen und Informationen der Dashcam lässt sich das Missachten des Sicherheitsabstands schließlich auch zur Anzeige bringen. Diesen Schritt müssen Nutzer:innen aktuell noch manuell tätigen. Eine All-in-One-Lösung ist aber auch schon im Gespräch. An einer Kooperation mit verschiedenen Versicherungen werde schon gearbeitet, sagt König. So könne man möglicherweise in Zukunft die Informationen aus der App direkt an die eigene Rechtsschutzversicherung weiterleiten. 

„Wir möchten aber auch immer noch einmal darauf hinweisen, dass es für uns kein ‘Autofahrer gegen Radfahrer’ ist“, sagt die Dashfactory-Gründerin. Es ginge auch nicht um die Situationen, in denen mit 1,4 Metern überholt werde, als Radfahrer:in sei man schon relativ schmerzfrei. Es ginge um die Personen, „die dich mit 30 oder 40 Zentimetern überholen, dich wirklich mutwillig gefährden, und es zu wirklich schlimmen Situationen kommen kann“, sagt König. 

Lelia König und Sandro Beck, Gründer:innen von Dashfactory und Dashbike
Lelia König und Sandro Beck, Gründer:innen von Dashfactory und Dashbike

Mit brenzligen Situationen im Straßenverkehr kennt sich auch Dennis Brümmer aus – privat wie beruflich. Er ist seit drei Jahren Fahrer für Lieferando, seit zweieinhalb Jahren in Vollzeit. Vor einem Jahr wurde Brümmer in den Betriebsrat des Unternehmens gewählt und beschäftigt sich dort unter anderem mit der Arbeitssicherheit der angestellten Rider:innen. 

Die Dashcam sei interessant und hilfreich, insbesondere wenn Autofahrer:innen lernen, „was dieser kleine Kasten an der Sattelstütze zu sagen hat“, so Brümmer. Er sieht allerdings ein strukturelles Problem im Straßenverkehr, das auch Dashbike nicht so schnell lösen könne: „Man erlebt immer wieder, dass Ordnungsbehörden vollkommen egal ist, wie Autofahrer Fahrradfahrer im Straßenverkehr behandeln.“ Für die Dashcam als technisch gutes Werkzeug müssten auch die Bedingungen geschaffen werden, sodass die Vergehen geahndet werden. 

Für Brümmer steht die Dashcam indirekt auch als Kritik am Straßenverkehr. „Es ist ein bisschen traurig, dass es sowas geben muss“, sagt der Rider. Dies zeige, dass man als Radfahrer:in in Deutschland eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen müsse. Solange es eine Notwendigkeit für dieses Produkt gebe, sei noch viel zu tun in der Verkehrswende.

Lelia König schaut optimistisch in die Zukunft: „Ich denke ganz generell wird die Verkehrswende einfach ein Zusammenspiel werden aus ganz unterschiedlichen Dingen.“ Das Unternehmen Dashfactory soll einen Teil dazu beitragen. Die erste Charge der Dashbike ist schon auf dem Weg nach Jena, allerdings auch schon komplett vergriffen. Im März soll es schließlich Nachschub geben, vielleicht auch schon ein bisschen früher.

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Collective Benefits

Collective Benefits

Die hohe Unfallgefahr im Straßenverkehr kennt kaum jemand so gut wie Lieferfahrer:innen. Das Startup Collective Benefits aus London hat daraus ein Business gemacht und ermöglicht es Lieferdiensten, ihre selbstständigen Rider bei Lohnfortzahlung gegen Krankheit und Unfall zu versichern.

Dennis Brümmer

Dennis Brümmer

Dennis Brümmer ist seit über zweieinhalb Jahren in Vollzeit bei Lieferando angestellt. Im Betriebsrat ist er seit einem Jahr und kümmert sich um die Sicherheit der Fahrer:innen durch Bike-Checks und indem er für ordentliches Equipment sorgt.