Wie definierst du für dich Verkehrswende? 

Langfristig: Weg vom privaten PKW hin zu einem ganzheitlichen System, in dem alle Verkehrsmittel gleichberechtigt sind und bedarfsgerecht genutzt werden. Alltäglicher Verkehr wird besitzlos, elektrisch und autonom. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Das bietet auch Raum für individuellere Bedürfnisse und greift gerade dort, wo heutiger Massen-ÖPNV sich nicht lohnt. Weniger Fahrzeuge in den Städten, mehr Platz für Menschen. Das inkludiert selbstverständlich auch massiven Ausbau von Rad- und Schieneninfrastruktur. Auf dem Weg dahin ist die „Antriebswende“ in Form der E-Mobilität aber dennoch ein wichtiger Teil des Wandels, insbesondere im Kontext der Dekarbonisierung! 

Wie sieht dein persönlicher Mobilitätsmix aus? 

Derzeit bin ich fast ausschließlich mit dem ÖPNV, meist mit dem Zug, zu Fuß, mit dem Rad und gelegentlich mit dem E-Scooter unterwegs. Langstrecke fast immer mit dem ICE. Nutze im Alltag kein Auto, als Student ist das allein schon finanziell schwierig, auch wenn ich prinzipiell gerne Auto fahre. Wenn ich in der Heimat zu Besuch bin, fahre ich in der Regel elektrisch. 

Und wie sollte er aussehen, damit du zufrieden bist? 

Insgesamt bin ich relativ zufrieden. Habe aber auch das Glück, dass das an meinem derzeitigen Wohnort so möglich ist. Habe viele kurze Wege und guten ÖPNV. In meiner Heimat, einem Dorf in einer Metropolregion, ist es ohne Auto oft schwieriger. Auf Langstrecke wünsche ich mir aber schnellere Züge. Da gibt es international viele gute Beispiele. 

„Probiert neue Mobilitätsformen aus! Jede kleine Veränderung ist erstmal gut“

Léon Zippel

Hast du eine Mission, die du mit deinem Profil verfolgst?

Ich behandle vor allem die Elektromobilität, neue Mobilität sowie die Energiewende, die mit beiden Themen einhergeht. Mein Ziel ist dabei hauptsächlich der Kampf gegen Desinformation und Fake News in diesem Bereich, die den Wandel zu einer nachhaltigeren Mobilität deutlich verlangsamen. Viele Leute glauben zum Beispiel immer noch, dass das E-Auto weniger umweltfreundlicher sei als der Verbrenner, oder dass Wasserstoff und E-Fuels für den Pkw – Nischen wie Oldtimer ausgenommen – die bessere Lösung seien.  Darüber kläre ich in ausführlichen Twitter-Threads auf. 

Wie gehst du mit Hatern um? 

Unterschiedlich. Generell gehe ich möglichst selten auf Diskussionen dieser Art ein und verlinke einfach relevante Informationen. Wird es persönlich oder beleidigend, blocke ich oder schalte die Person stumm. Wirklich extreme Fälle sind mir bisher glücklicherweise erspart geblieben. 

Die aktuell größte Herausforderung in der Mobilitätswende ist…? 

Desinformation und Fake News zu überwinden und mehr zusammenzuarbeiten. Wir werden keine Mobilität „beyond-car“ erreichen, wenn viele Menschen noch nicht einmal glauben, dass Elektroautos die klimafreundlichere Option im Vergleich zum Verbrenner sind. Und dabei sind alle in der Mobilitätswende-Szene gefragt. Jedes nachhaltige Verkehrsmittel, das zur Verfügung steht, hat erstmal seine Berechtigung, wenn es in das Szenario von jemandem passt. Ob das nun das E-Auto, die Bahn, das Lastenrad oder der E-Scooter ist. Man muss sich nicht untereinander bashen. Mobilitätswende ist vielseitig! 

Léon Zippels Uni-Projekt PPM350 beschäftigt sich mit der Frage, wie sich autarke urbane Mobilität, die über bekannte Verkehrsmittel hinausgeht, sinnvoll in den öffentlichen Raum einbinden lässt

Deine Forderung(en) an… 

…die Politik? 

Endlich die Priorisierung richtig setzen. Gleichberechtigung von Verkehrsmitteln fördern und dringend nötige Infrastruktur ausbauen. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel der Zug oft teurer ist als Auto und Flugzeug. Subventionen an den falschen Stellen konsequent abbauen. 

…die Wirtschaft?
Mehr Engagement in Richtung Mobility-as-a-Service und Autonomie. Beides zusammen wird in Zukunft ein riesiges Geschäftsfeld sein und ist für eine echte Mobilitätswende unabdingbar. Da sollte mehr passieren! 

…die Mobilitätsnutzer:innen?
Probiert neue Mobilitätsformen aus! Es muss nicht gleich alles all-in sein, aber jede kleine Veränderung ist erstmal gut. Fahrt ein E-Auto probe, mit dem Zug in den Urlaub, kurze Wege auf andere Weise zurücklegen. Wenn es für euch machbar ist, probiert es aus! 

Wer ist in Sachen Verkehrswende gerade richtig gut unterwegs? 

Da gibt es natürlich sehr viele Beispiele. Sehr inspirierend finde ich Zoox. Das US-Unternehmen hat mit als erstes ein Fahrzeug entwickelt, das purpose-built für autonome Mobility-Services ist. Mit dem Ziel „make car ownership a thing of the past“. Im Bereich des heutigen ÖPNV ist Österreich mit dem „Klimaticket“ sehr gut unterwegs. Ebenfalls empfinde ich die ganzen Anbieter von Micro-Mobility als sehr hilfreich. Nutze das Angebot in Großstädten gerne. Auch ein wichtiger Punkt: Neue Mobilität (gerade auch Micro-Mobility) darf auch Spaß machen, das trägt zur Akzeptanz bei. 

Welchen Menschen in der Mobilitätsbranche sollte man – neben dir – folgen? 

Die Talks von Tony Seba finde ich immer hochinteressant. Er analysiert das Thema aus der Perspektive einer Disruption. Stefan Hajek von der WiWo als Fachjournalist im Bereich E-Mobilität. Auke Hoekstra von der TU Eindhoven als Forscher unter anderem im Bereich Nachhaltigkeit von Antriebsformen und Katja Diehl, mit der ich zwar nicht immer einer Meinung bin, deren Mission sich mit meiner aber trotzdem zu großen Teilen überschneidet! 

Gibt es einen Ort, der für dich die Zukunft der Mobilität erlebbar macht? 

Das klingt vielleicht komisch, aber zumindest zu einem gewissen Grad ist das für mich – als Dorfkind – Berlin. Das Angebot ist dermaßen breit aufgestellt und so stark frequentiert, dass ich mich immer wieder freue dort zu sein. Egal ob Bahn, Bus, E-Scooter, Carsharing, Ride-Hailing/Sharing Angebote und so weiter. Es ist immer etwas verfügbar. Die BVG hat auch bereits einige autonome Fahrzeuge auf kurzen Strecken im Test, eine sehr spannende Erfahrung, die ich nur jedem empfehlen kann. Was die Langstrecke angeht, sind natürlich zum Beispiel Frankreich und Japan zu nennen, die durch ihre Hochgeschwindigkeitszüge Städte viel näher aneinander bringen. Das wünsche ich mir für Deutschland! 

Dein bislang hoffnungsvollster Mobilitätswende-Moment? 

Die gibt es natürlich immer wieder in ganz unterschiedlichen Formen. Jemand aus dem Umfeld ändert seine/ihre Position zur E-Mobilität, fragt mich interessiert zu dem Thema aus, positive Erlebnisse bei der öffentlichen Infrastruktur, da freue ich mich immer. 

Und der schrecklichste?

Autofahren in Berlin. Darauf verzichte ich nach Möglichkeit in Zukunft gerne. 

Was macht dir Hoffnung, dass die Verkehrswende gelingt?

Die Erinnerung an die erste Fahrt in einem Fahrzeug ohne Lenkrad. Wenn auch nur kurz und damals noch etwas unausgereift, war das ein Blick in einen Teil der Zukunft, die ich mir wünsche. 

LÉON ZIPPEL

Die Verkehrswende und alle Formen nachhaltiger Mobilität beschäftigen den 24-Jährigen schon seit Jahren – sowohl auf Twitter, wo er über neue Technologien aufklärt, als auch im Job. Zippel studiert Transportation Design und widmet sich der optischen und konzeptionellen Gestaltung von Fahrzeugen. Aktuell absolviert er ein Praktikum in der Designabteilung bei Daimler Buses. Nächste Station ab April: eine Design-Unit innerhalb des Volkswagen-Konzerns.

P.S.: Léon Zippels künftigen Ober-Chef hatten wir neulich erst im FUTURE MOVES Podcast.