Warum hört Easyjet schon mit CO2-Kompensation auf?
Die Low-Cost-Fluggesellschaft Easyjet will ihr Bemühen für das Klima verstärken – und stampft zugleich ihr CO2-Kompensationsprogramm ein. Kann die Strategie von Easyjet aufgehen?
Programme zur Kompensation des CO2-Ausstoßes, der beim Fliegen entsteht, gibt es schon länger. Mit Compensaid lässt die Lufthansa-Gruppe zwischen Sustainable Aviation Fuel und Aufforstungsprogrammen, also der klassischen Form der Kompensation wählen. Und die Kranichgruppe testet mancherorts offensiv mit Kompensationstarifen, die das schlechte Gewissen direkt beim Buchen verschwinden lassen sollen. Perspektivisch wird so die geringe Zahl an Kompensationen ein wenig zunehmen.
Eine andere Airline stampft ihr CO2-Kompensations-Programm hingegen schon wieder ein: Easyjet. Nicht, weil es dafür zu wenig Nachfrage gäbe. Sondern, weil ihre anderen Maßnahmen wirkungsvoller seien, so die Billigfluggesellschaft. Sie stellte während einer Medienkonferenz am Hauptsitz im englischen Luton ihre sechs Initiativen vor, mit denen sie bis 2050 klimaneutral unterwegs sein will. Wir stellen die sechs Ideen vor.
1. Flottenerneuerung
„Easyjet hat 168 Airbus Neos bestellt. Damit können wir eine Reduktion von 15 Prozent aller Emissionen erreichen“, gibt Johan Lundgren, Chef von Easyjet, bekannt. Derzeit besteht die Easyjet-Flotte aus 330 Fliegern. Bis Ende Jahr sind 100 Stück davon die effizienteren Airbus Neos. Verbesserte Triebwerke und Anpassungen an den Flügeln machen die Reduktion möglich. Die Flottenerneuerung stellt ein 21 Milliarden Dollar Investment dar. „Außerdem hoffen wir, ab 2035 mit Wasserstoff-Fliegern unterwegs sein zu können“, so Lundgren weiter.
Hier scheinen die Briten in der Tat zu tun, was geht. So konnte die Lufthansa in ihren Airbus Neos bereits 2016 ein Viertel einsparen, weil neben der Reduktion des Treibstoffausstoßes auch mehr Sitze in die überarbeiteten Flugmuster passen.
2. Betriebliche Effizienz
Auch die Nutzung des Flugzeugs kann verbessert werden. Effizientere Klimaanlagen, Bildschirme und Beleuchtung kommen zum Zug. „Die Routen, welche die Piloten fliegen, können dank neuster Technologie optimiert werden“, sagt der Easyjet-CEO. Beispielsweise das Programm IRIS halte er für vielversprechend. Mit „IRIS“ will die Europäische Weltraumorganisation (ESA) die Kommunikation im Cockpit digitalisieren. Konkret soll über Satelliten gesprochen und Flugpläne ausgetauscht werden. Auch modernere Wetterprognosen können die Planung verbessern.
Die Prozessoptimierungen an Bord sind besonders vielversprechend, da hier zwar in verhältnismäßig geringen, aber dennoch bedeutsamen Ausmaß eingespart werden kann. Da die Optimierungen der Airline unabhängig vom gewählten Kraftstoff zugute kommen, sind hier schnelle Fortschritte zu erwarten.
3. Landeoptimierung
Die sogenannte „Descent Profile Optimisation“ ist eine neue Software von Airbus. Dank ihr setzt der Landeflug etwas später ein und ist dafür ein bis zwei Grad steiler als bisher. Airbus verspricht, dass Airlines durch den „Continuous Descent Approach“ rund ein Prozent oder 89 Tonnen Treibstoff pro Flugzeug pro Jahr einsparen zu können.
Dabei handelt es sich zwar ebenfalls um eine verhältnismäßig geringe, aber dennoch wirksame und treibstoffunabhängige Einsparung, die im wirtschaftlichen Interesse der Airline ist. Neben den klimaschädlichen Emissionen können durch den „Continuous Descent Approach“ auch die Lärmemissionen reduziert werden.
4. Öffnung des Luftraumes
„Ich habe bereits der neuen Premierministerin Liz Truss geschrieben, um mit ihr dieses Thema zu besprechen“, sagt Lundgren an der Pressekonferenz stolz. Er möchte sie überzeugen, sich für die Vereinheitlichung des europäischen Luftraumes einzusetzen. Derzeit sieht der europäische Luftraum wie ein Flickenteppich aus. Pilotinnen müssen zahlreiche Umwege fliegen, um die verschiedenen Gebiete zu respektieren. Würde der Luftraum geöffnet, sprängen beträchtliche zeitliche und somit CO2-Einsparungen heraus.
Das „Single European Sky ATM Research“, das auch als SESAR bekannt und von dem IRIS ein Teil ist, hat ein Potenzial einer fünf- bis zehnprozentigen Emissionsreduktion durch direktere Flugrouten. Aufgrund der hohen Anzahl verschiedener Stakeholder gestalten sich die Verhandlungen derzeit als harzig.
5. Sustainable Aviation Fuels (SAF)
Easyjet möchte vermehrt mit Sustainable Aviation Fuels (SAF) fliegen. „Wir geben nun bekannt, genügend SAF für die nächsten fünf Jahre eingekauft zu haben“, so Lundgren. Auf Nachfrage heißt es, man würde so viel SAF einkaufen, wie vorgegeben. Also in der EU 2 Prozent SAF bis 2025 und 5 Prozent bis 2030. Was danach geschieht, ist noch offen. Selbst wenn irgendwann Wasserstoffflugzeuge auf dem Markt sind, so bleiben die aktuellen Modelle trotzdem noch eine Weile im Betrieb.
Die Verwendung von SAF verspricht eine zwischen 60- und 80-prozentige Reduktion der Emissionen. Sofern genug produziert werden kann. Dass die Airline jedoch nur die gesetzlich vorgeschriebenen SAF-Beimischungen anschafft, ist ein wenig ernüchternd – hier wäre mehr möglich gewesen, wenngleich das den Ticketpreis steigen ließe.
6. „Carbon Removal“
Da Easyjet trotz seiner verschiedenen Initiativen nicht vollständig klimaneutral fliegen wird, möchte die Fluggesellschaft Kohlenstoff aus der Umwelt entfernen. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Technologie zur Kohlenstoffentfernung bereit ist“, so Lundgren zuversichtlich.
Jedoch ist aktuell noch nicht absehbar, wann Carbon Removal im hochindustriellen Maßstab möglich sein wird – es könnten Jahrzehnte sein und die haben weder die Luftfahrt noch andere Sektoren. Die Technologie hat jedoch ein gewaltiges Potenzial, weil sie das atmosphärische CO2 recycelt und so dessen Konzentration zumindest nicht erhöht.
Einschätzung
Insgesamt hat Easyjet die größten Hebel beim Kauf neuer Flugzeuge, dem Einsatz von SAF und effizienteren Prozessen innerhalb an Bord. Vorhaben wie die Öffnung des Luftraumes oder die Kohlenstoffentfernung aus der Atmosphäre kann sie hingegen nur begrenzt beeinflussen Das Einstellen ihres Kompensationsprogramms Ende nächsten Jahres scheint deshalb noch verfrüht.
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Johan Lundgren
Der Schwede ist seit 2017 CEO von Easyjet. Ursprünglich wollte er Musiker werden, nach einem Studium in klassischer Posaune hängte er allerdings noch ein Wirtschaftsstudium an. Johan Lundgren stieg innerhalb der TUI-Gruppe auf und wurde 2007 Vorstandsmitglied, bevor er zu Easyjet wechselte.
Grazia Vittadini
Die Italienerin übernimmt seit Ende letzten Jahres die Rolle der Technologiechefin bei Rolls-Royce. Zuvor hatte Grazia Vittadini dieselbe Rolle bei Airbus inne. Bei Rolls-Royce treibt sie nun die Entwicklung eines Wasserstoff-Triebwerks weiter, an dem Easyjet bereits Interesse zeigt.