Müssen auch Flughäfen grün werden?
Eigentlich sind nicht die Flughäfen, sondern die Flugzeuge das große Klimaproblem der Luftfahrt. Welche Rolle spielen da überhaupt die Bemühungen von europäischen Flughäfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern?
Seit Ende 2021 wirtschaftet der Hamburger Flughafen CO2-neutral. Er verringerte seinen Energieverbrauch, setzte auf neue Technologien und kompensierte die restlichen Treibhausgase. Dafür erntete der Hamburger Flughafen statt Lob allerdings mächtig Kritik. Nicht die Flughäfen selber, sondern die Flugzeuge und deren Emissionen seien das Problem. „Das ist so, wie wenn ein freier Tankstellenbetreiber sich CO2-neutral erklärt, weil er die Kühlregale, in denen er Pizza und Cola lagert, mit grünem Strom betreibt“, kommentierte etwa die „Zeit“.
Der Hamburger Flughafen verursachte 2009 noch 40.000 Tonnen CO2 jährlich. Heute ist er CO2-neutral. Zum Vergleich: Ein:e Economy-Passagier:in verursacht auf einem Flug von Hamburg nach New York auf einem Weg rund eine Tonne CO2. Geht man von einem Flieger mit rund 300 Passagieren aus, sparte der Hamburger Flughafen also etwa dieselbe Menge CO2, wie 66 Hin- und Rückflüge zwischen Hamburg und New York verursachen. Was nützt ein grüner Flughafen, wenn die Flugzeuge das eigentliche Problem sind?
„Wir unterstützen die Entwicklung von synthetischem Kerosin“
Janet Niemeyer, Hamburg Airport
Für Janet Niemeyer, Sprecherin vom Hamburger Flughafen, ist klar, dass auch Flughäfen ihren Beitrag leisten müssen: „Die Fluggesellschaften treiben die technologische Entwicklung zu CO2-neutralem Fliegen voran. Wir als Flughafen unterstützen entsprechende Forschungsprojekte, wie beispielsweise die Entwicklung von synthetischem Kerosin. Zudem bieten wir den Fluggesellschaften 100 Prozent grünen Landstrom.“
Dass die Dekarbonisierung des Vorfelds und darüber hinaus längst ein Business ist, zeigt der Blick nach Frankreich. Dort hat sich ein Unternehmen genau auf die grüne Transformation von Flughäfen spezialisiert. Über 50 Flughäfen weltweit betreuen Vinci Airports beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele. Betrachtet wird das gesamte Flughafensystem, vom Licht in den Terminals, über die Pistenfahrzeuge bis hin zu den Parkplätzen. Einzig die Flugzeuge und das Kerosin, das sie tanken, fließen nicht in die Statistik. Es würde sich um eine Doppelbilanzierung handeln, wenn die Flugzeugemissionen sowohl dem Flughafen, als auch den Fluggesellschaften angelastet würden.
So setzt Vinci, inzwischen in elf Ländern weltweit tätig, oftmals auf Solaranlagen. Das Gelände auf den Flughäfen ist weitläufig, einige Solarpanels neben der Rollbahn stören wenig. Mit dem gewonnenen Strom können sich die Flughäfen gleich selbst versorgen. Um das verbleibende CO2 zu kompensieren, wurden rund um die Vinci Airports Wiederaufforstungsprojekte gestartet. So macht das übrigens auch der Hamburg Airport mit einem Waldstück bei Kaltenkirchen.
„Ab 2030 produziert der Flughafen eigenen grünen Wasserstoff.“
Isabelle Rousset, Lyon Aéroport Saint-Exupéry
Das Beispiel des Lyon Aéroport de Saint-Exupéry, Vorzeigeprojekt von Vinci Airports, verdeutlicht den tatsächlichen Handlungsspielraum von Flughäfen. Seit 2017 ist der Flughafen dank Kompensationen CO2-neutral. Ab 2026 soll er es gar ohne den Kauf von Zertifikaten sein. Der Flughafen verlangt teurere Landegebühren für besonders umweltschädliche Flugzeugtypen. In den Terminals ist es im Winter um ein paar Grad kühler, die Abfälle werden rezykliert, es gibt nur noch LED-Lichter, die Toiletten verbrauchen weniger Wasser, die Ventilation wird schonend eingesetzt, es fahren Biogas-Busse, eine große Solaranlage liefert Strom für den Betrieb. Wer mit dem Elektroauto anreist, kann dieses vor Abflug schnell aufladen. „Ab 2023 gibt es eine Tankstation von Wasserstoff für Fahrzeuge und Lastwagen, danach wird die Infrastruktur aufgebaut, um auch Flugzeuge damit tanken zu können. Ab 2030 will der Flughafen gar seinen eigenen grünen Wasserstoff produzieren“, sagt Isabelle Rousset, von Lyon Aéroport Saint-Exupéry zu FUTURE MOVES.
Wasserstoff ist ein wichtiges Stichwort. In den nächsten Jahren möchten die Fluggesellschaften vermehrt auf Sustainable Aviation Fuels setzen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu senken. Danach soll auf Wasserstoff umgestiegen werden. Bis 2035 möchte Airbus beispielsweise sein erstes wasserstoffbetriebenes Flugzeug auf den Markt bringen. Wenn die Flughäfen allerdings keine Infrastruktur bereitstellen, um Wasserstoffflugzeuge zu tanken oder zu warten, hebt die neue Technologie nicht ab.
Obschon die Flughäfen allein die Aviatik nicht zur Nettonull führen werden, so zeigt gerade das Beispiel Wasserstofftankanlagen, dass es ohne sie auch nicht geht. Das weiß auch der kritisierte Flughafen in Norddeutschland: Im Hydrogen Aviation Lab Hamburg testen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) und der Airport selbst anhand eines zum Labor umgerüsteten Airbus A320, wie sich Flüssigwasserstoff auf Wartungs- und Bodenprozesse auswirkt.
Festzuhalten bleibt also: Es gibt in der Luftfahrt aktuell größere To-dos als die Klimaneutralität der Airports. Aber zugleich spielen Flughäfen durch die Förderung von Forschung und den Aufbau der benötigten Infrastruktur eine zentrale Rolle bei der Dekarbonierung der Branche. Wenn man also den eingangs erwähnten Tankstellen-Vergleich präzisieren will, dann wird an immer mehr Orten inzwischen der Kühlschrank nicht nur mit Ökostrom betrieben, sondern auch mit ersten veganen Snacks befüllt. Und draußen haben die Arbeit begonnen, um möglichst bald die fossilen Zapfsäulen durch E-Ladesäulen zu ersetzen.
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Johannes Hartmann
Nach einem Studium in Luft- und Raumfahrttechnik war Johannes Hartmann als Lehrassistent an der Technischen Universität Berlin tätig. Anschließend zog es ihn zu Airbus, wo er als Forschungsingenieur arbeitete. Bei Airbus war er immer wieder mit dem Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt in Kontakt, wo er heute die Projektleitung von EXACT übernimmt, das nachhaltige Antriebstechnologien erforscht.
Michael Eggenschwiler
Michael Eggenschwiler war auf der Universität St. Gallen und bis 2001 bei Swissair, ehe die Airline zugrunde ging. Seit fast 20 Jahren ins Eggenschwiler nun CEO des Flughafen in Hamburgs. „Die CO2-Neutralität konnte nur bereits jetzt erreicht werden, weil wir schon vor über zehn Jahren begonnen haben, konsequent darauf hinzuarbeiten“, sagte Eggenschwiler im März.