„Wege werden dann eher nicht gemacht“
Die Diplom-Geographin Kerstin Conrad über Mobilität im Alter, Angsträume und Alternativem zum Auto
Deutschland wird immer älter. Das hat Auswirkungen auf die Mobilität. Zum einen kommt gerade eine Generation ins Rentenalter, für die das Auto Inbegriff der Mobilität ist – und die darum viel schwieriger für die Verkehrswende zu begeistern ist als jüngere Menschen. Zum anderen wandelt sich die individuelle Mobilität mit zunehmenden Alter von einer Selbstverständlichkeit zur Herausforderung.
Was heißt das für die Mobilitätswende und wie lässt sich diese gestalten, dass auch alte Menschen profitieren? Über diese Frage spricht Kerstin Conrad in der neuen FUTURE MOVES-Episode. Die Diplom-Geographin arbeitet am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund. Sie ist Expertin für die Themen nachhaltige Verkehrsplanung und Mobilitätsverhalten sozialer Gruppen.
„Ich kann nicht nur reduzieren, das funktioniert nicht“
Kerstin Conrad
„Es werden kürzere Wege zurückgelegt, je älter ich werde“, sagt Conrad. Darum sei das Konzept der 15-Minuten-Stadt angesichts der demographischen Entwicklung von höchster Relevanz. Ab einem gewissen Alter stehe das Auto nicht mehr zur Verfügung, entsprechend verringere sich der Bewegungsradius. Denn „der ÖPNV kann das nicht auffangen“, so Conrad. Darum gebe es keine Alternative zu mehr Fußläufigkeit – auch und gerade im Alter.
Hierbei werde es in Zukunft noch wichtiger sein, nicht nur an Entfernung und Barrierefreiheit zu denken. Denn ein großen Problem stellten für ältere Menschen sogenannte Angstträume da. Also Orte, die aufgrund schlechter Ausleuchtung oder dort anwesender Personen als unsicher empfunden würden, so Conrad. „Wege werden dann eher nicht gemacht“. Die Folgen seinen Isolation und Einsamkeit.
Darum plädiert sie für Straßen mit weniger Hemmnissen wie hoher Verkehrsdichte und Lärm, die dafür mehr Aufenthaltsqualität im unmittelbaren Wohnumfeld bieten würden. Dabei sei nicht das Ziel, das Auto komplett zu verbannen. „Ich kann nicht nur reduzieren, das funktioniert nicht“, sagt Conrad. Es gehe vielmehr um die Verlagerung des stehenden Verkehrs wie es etwa beim Konzept der Quartiersgaragen stattfinde.
Die Themen des Podcasts mit Kerstin Conrad:
… wie Mobilität sich im Alter verändert (00:00)
… ob Alte in der Verkehrswende-Debatte übersehen werden (06:03)
… Auto-fokussierte Babyboomer und das Deutschlandticket (09:09)
… Räume verändern, um Mobilität zu vermeiden (15:09)
… ihren Index zur Bewertung fußläufiger Erreichbarkeit (19:16)
… positive Beispiele altengerechter Umgestaltung (29:52)
… Demographie und Klimawandel (40:54)
… die Bedeutung frühzeitiger Mobilitätssozialisation (44:39)
… ihren „Mix der Woche“ (46:15)
… wie man Rentner*innen für die Verkehrswende gewinnt (48:24)