Kontra und Pro: Mehr Förderungen für E-Autos
Bundesverkehrsminister Volker Wissing will den Kauf von E-Autos noch stärker fördern als ohnehin schon – und bringt eine Abwrackprämie ins Spiel. Ist das der Weg zu grünem Verkehr? Ein Kontra und Pro
Bundesverkehrsminister Volker Wissing will einem Medienbericht zufolge künftig bis zu 10.800 Euro zum Kauf eines Elektro- oder Brennstoffzellenautos dazugeben, wenn dessen Kaufpreis bei unter 40.000 Euro liegt – also über ein Viertel. Für teurere Fahrzeuge bis 60.000 Euro soll es 8.400 statt 5.000 Euro geben, das ganze Paket soll nicht wie bisher im Jahr 2025, sondern erst 2027 auslaufen.
1.500 Euro könnten Autokäufer:innen nach den Plänen des Ministers ab der zweiten Jahreshälfte 2023 bekommen, wenn sie ihr mindestens elf Jahre altes Auto verschrotten. Die Gesamtkosten für das Förderpaket sollen bis zu 73 Milliarden betragen. Die einen freuen sich auf einen erschwinglicheren Einstieg in die E-Mobilität, andere zeigen sich im Netz wenig begeistert vom Vorstoß. Auch in der FUTURE MOVES-Redaktion ist die Meinung geteilt. Ein Kontra und Pro.
Kontra: Christian Cohrs
Neulich hatte ich ein Gespräch mit jemandem, der der E-Bike-Tuning nahesteht. Der erregte sich über die Herangehensweise an die Mobilitätswende im Allgemeinen und im Autoland Deutschland im Besonderen. Auf der einen Seite, sagte er, da gebe es den Pedelec-Boom. Und wäre vermutlich noch viel größer ohne das gesetzlich verordnete Tempolimit von 25 km/h. Der von ihm geschilderte Bedarf an Mitteln und Wegen, mehr aus den Pedelec-Motoren herauszuholen, spricht zumindest für seine These.
Auf der anderen Seite, so der Mann, gebe es dann die Autofahrenden. Trotz gesellschaftlicher Mehrheit müssten die nach wie vor kein Tempolimit fürchten. Zudem bekämen sie ihren Umstieg vom Verbrenner ins E-Auto auch noch üppig gefördert. Klar, es hier und da wurde bereits mit der Förderung von Lastenradbesitz experimentiert und es gibt das Dienstrad. Aber insgesamt profitiert in allen Fällen am Ende immer eine sehr privilegierte Gruppe.
Nun kommt Bundesverkehrsminister Volker Wissing mit der Idee um die Ecke, die Kaufprämien für Elektroautos massiv anzuheben. Auf bis zu 10.800 Euro pro Fahrzeug, wenn dessen Wert 40.000 Euro nicht übersteigt. Klar, das bis zum Jahr 2027 angelegte Programm könnte dazu beitragen, die Antriebswende zu beschleunigen. Aber Wissings Paket hat natürlich seinen Preis: 73 Milliarden Euro Steuergeld könnte die aufgebohrte E-Auto-Kaufprämie am Ende kosten. Nur mal zum Vergleich: Würde man das gerade beschlossene 9-Euro-Ticket auf denselben Zeitraum ausweiten, landete man grob gerundet bei 50 Milliarden Euro Ausgaben. Und die Steuerzahlenden würden in dem Fall nicht nur ein paar Neuwagen für besserverdienende Klimaschützer:innen querfinanzieren, sondern den Zugang zu klimaschonender Mobilität für alle subventionieren. Wobei eine 9-Euro-Ticket 4 ever natürlich ebensolcher Quatsch ist wie Wissings Kaufprämie Plus.
„Das Geld für den konsequenten Ausbau des öffentlichen Verkehrs ausgeben“
Christian Cohrs
Mein Gegenvorschlag: Wo Minister Wissing das Geld schon einmal aufgetrieben hat, sollte es auch ausgeben werden. Und am besten in den konsequenten Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Das würde zwar bedeuten, dass es etwas länger dauert, bis diese Maßnahmen greifen – Züge und Busse, Brücken und Bahnhöfe müssen ausgeschrieben, bestellt oder geplant und gebaut werden. Und das dauert leider in einem Land, in dem Tesla eine ganze Autofabrik schneller hochzieht, als andernorts eine neue Buslinie eingerichtet wird.
Um die Antriebswende unter deutschen Carports mache ich mir trotzdem keine Sorge. Denn was taugt der 250-PS-Diesel-SUV in zwei, drei Jahren noch als Statussymbol, wenn jeder Kleinwagen an der Ampel schneller antritt? Für den Fall der Fälle gäbe es ja durchaus noch einige Hebel: den Spritpreis etwa oder eine konsequente Citymaut. Und falls es dann wieder heißt, dafür fehle es an Schildern – die mögen meinetwegen aus den 73 Milliarden Euro bezahlt werden.
Pro: Max Wiesmüller
In Deutschland gibt es einen Bestand von knapp 60 Millionen Kraftfahrzeugen, rund 48 Millionen davon sind Pkw, von denen wiederum über 90 Prozent mit Benzin oder Diesel fahren. Es ist vollkommen klar warum das so ist: Das ganze Land wurde für Autoverkehr gebaut, alles andere ordnet sich ihm unter. Also fahren die meisten Menschen natürlich mit dem Auto, auch wenn es die Verkehrswende-Bubble es gerne schon heute anders hätte und das auch zu wünschen ist. Noch bildet die Vorrangstellung des Autos die Realität ab.
Für die meisten Menschen drängt sich also die Frage auf: Soll ich „E“ fahren? Ja. Niemand kann und sollte es vor dem Hintergrund der Klimakrise gut finden, wenn 50 Millionen Kfz Sprit oder Diesel verbrennen. Einen Weg in die Zukunft weisen auch Biosprit (aus Umweltbedenken) und Wasserstoff und E-Fuels (aus Effizienzgründen und Ressourcenmangel) nicht. Ich bin überzeugt, dass 80 oder gar 90 Prozent aller Menschen mit einem E-Auto glücklich werden können. Sie davon zu überzeugen, ist eine andere Sache. „Big Oil“ hat erfolgreich in jedes Hirn implantiert, dass Batterien gefährlicher seien als Sprit und dass Lithiumabbau schädlicher sei als 400.000 Kilometer mit dem Euro-3-Diesel zu fahren.
Zu all dem kursierenden Blödsinn kommen dann noch eine Handvoll Krisen, die die Kosten für alle Menschen steigen und den Traum Bundesumstieg auf nachhaltige Individualmobilität in weite Ferne rücken lassen. Dabei müssen wir eigentlich alles dafür tun, dass der Verbrenner bis zum Ende des Jahrzehnts die Ausnahme ist. Dafür braucht es viel Zeit für Aufklärung und Argumentation. Es braucht zu viel Zeit, um den technologischen Quantensprung abzuwarten, der „den Markt regeln“ ließe. Zeit, die die Menschheit nicht hat.
„Flexibilität bei der Wahl der Verkehrsmittel ist gefragt“
Max Wiesmüller
Auch für die von vielen vorgeschlagenen Alternativen brauchen wir mehr Zeit: Die Ausschreibungen für ÖPNV-Projekte samt Planungsverfahren sind schrecklich behäbig. So sehr, dass unsere Nachbarn im Norden und Süden längst lachen und Tatsachen schaffen. Aus beiden Himmelsrichtungen wurden Tunnel unter Ostsee und Alpen gebohrt, lang bevor auf deutscher Seite ein Grashalm gemäht wurde. Die ganze Bahn steckt mitten in einem gigantischen Umbau und auf europäischen Reisen klappt’s auch noch nicht richtig. In den Städten sehen wir schlechte und zu wenige Radwege, zu viele Autostraßen, teure Verkehrsverbünde – und Parkraum gleichzeitig sehr günstig. Das muss angepackt werden, aber vieles davon dauert zu lange.
Dazu kommt, dass jede:r weiß, wie weit ein Ort entfernt ist und was es kostet, dorthin zu gelangen. Aber keine:r kennt den Klimapreis – also den Ausstoß von CO2 und seinen Äquivalenten. Das erklärte uns Thomas Franke von der Uni Lübeck. Und er hat recht: Wir sind gefragt. Wir müssen nochmal ganz von vorne denken. Wie komme ich zur Arbeit? Bin ich bereit zehn Minuten länger zu radeln und dafür kein CO2 auszustoßen? Muss es immer die Flugreise sein? Und brauchen wir wirklich Zweit- und Drittwagen statt – ja – Lastenrad? Flexibilität bei der Wahl der Verkehrsmittel ist gefragt.
„Utopisch, die Verkehrswende ohne aggressive E-Autostrategie zu denken“
Max Wiesmüller
Bis ein Großteil der Menschen so denkt, wir massiv in die Infrastruktur jenseits des Autos investiert haben, ist es utopisch, die Verkehrswende ohne aggressive E-Autostrategie zu denken. Wir brauchen Ergebnisse. Grabenkämpfe sind keine Lösung, Förderungen schon. Ich fahre gerne mit dem Fahrrad, mit der Bahn und vor allem am Wochenende auch mal mit dem Elektroauto. Also sage ich natürlich ja zum Ausbau von ÖPNV, Radwegen und Fahrradstraßen – und ja zur E-Auto-Förderung.
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