Besonders späte oder frühe Flüge sind für die Wenigsten ein Genuss. Geschäftsreisende brauchen am Zielort entweder ein Hotel oder erscheinen völlig übermüdet zum ersten Termin. Dazu kommen finanzielle Aspekte, die den meisten dienstlich Reisenden zwar, wie das Klima, herzlich egal sind, zumindest manche Unternehmen schauen jedoch neben dem Preis zunehmend auch auf die Klimabilanz oder geben sogar striktere, klimafreundlichere Reiserichtlinien vor.

Die Bahnen auf Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich haben ein gemeinsames Nachtzugnetz geplant. Infografik: DB

Da kommt die Diskussion um Nachtzüge gerade recht. Und um das vorweg zu nehmen: Die Deutsche Bahn hat keinerlei Nachtzüge im Angebot. Was es gibt sind ICE- und IC-Züge, die über Nacht fahren – aber keine mit Bier, Bett und Bad. Ende 2016 schaffte die Bahn die Schlafwagen ab – wohl aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit. Beim Konzern ist die Kritik dennoch nicht richtig aufgehoben, denn die Nachfrage stimmte schlicht nicht. Zum Glück fahren ja noch die Österreichischen Bundesbahnen von Hamburg nach Innsbruck, von dort aus kann man morgens um 9.30 Uhr super in Züge nach Italien umsteigen. Also habe ich den Selbstversuch gewagt.

Manche ecken an. Bei 1,83 Meter Körpergröße wird es eng im obersten Bett

Geschäftsreisenden, so viel sei schon mal gesagt, ist nur die höchste Buchungsklasse im „Schlafwagen“ zu empfehlen. Die verspricht Komfort für maximal drei Personen, das Abteil ist exklusiv buchbar. Gerade wenn man abends noch kurz die Mails checken möchte, ist das der einzige Weg, um ohne die Mitreisenden zu stören zu arbeiten. Der Nightjet genannte Nachtzug kostet dann aber auch Oneway von Hamburg nach Innsbruck 240 Euro. Die 130 Euro teure Option im Liegewagen wähle ich, momentan ist der sowieso nur für vier Personen buchbar. Eine Empfehlung: Zeitig buchen, denn kurzfristig sind in der Regel keine Plätze zu bekommen oder nur im günstigen Sitzwagen – doch das mag ich mir für eine 13 Stunden lange Reise gar nicht erst ausmalen.

So rustikal wie das Abteil ist auch das Frühstück

Die Reise beginnt für mich am Bahnhof Hamburg-Dammtor. Zunächst wirkt alles wie immer: Einsteigen, auf ins Sechserabteil, ein freundlicher Gruß gilt den drei Mitreisenden. Der Charme der 70er-Jahre fällt auf und dass die ÖBB nach Geschlecht segregiert. Frauen freut das aus nachvollziehbaren Gründen sicher sehr, mich stört es als Cis-Mann auch nicht. Ich frage mich aber kurz, wie es jenen damit geht, die sich als trans*, inter oder nicht-binär identifizieren (Erfahrungen bitte an mich per Mail). Die Gespräche mit den mitreisenden Herren sind unterhaltsam und angenehm, man(n) trinkt gemeinsam ein Bier, ehe es rund zweieinhalb Stunden nach Reisebeginn um ca. 23 Uhr ins Bett gehen soll. Noch zehn Stunden bis Tirol – genug Zeit, um zu schlafen.

Dieses Foto entstand um 7:10 Uhr in der Münchner U-Bahn – wohlgemerkt eine Minute vor der geplanten Ankunft

Auf die Bettgehzeit sollte man sich einigen, denn entweder sitzen alle oder alle liegen. Es gibt ausreichend Stauraum fürs Gepäck, aber nicht unbedingt für die Extremitäten, wenn man wie ich 1,83 Meter groß ist und sich für die oberste Liege entscheidet. Dann muss man mit leicht angewinkelten Beinen schlafen. Rund zwei Stunden und damit für meine Verhältnisse extrem lang benötige ich, um einzuschlafen. Das ist der ungewohnten Akustik geschuldet – an dieser Stelle empfehle ich Ohrenstöpsel. Zudem bin ich es nicht gewohnt mit dem Kopf oder den Füßen anzustoßen, wenn der Nightjet-Pilot eine Kurve zu sportlich nimmt. Und wer lichtempfindlich ist, sollte neben den Ohrenstöpseln noch eine Schlafmaske im Koffer haben, die nächtlichen Besuche an den Bahnhöfen Würzburg und Nürnberg dauern nämlich und sind gut ausgeleuchtet. Kissen-Snobs wie ich nehmen am besten gleich ein eigenes mit.

Unterm Strich komme ich auf rund fünfeinhalb Stunden Schlaf, was nicht optimal ist, aber reicht, um um halb sieben fit in den Tag zu starten. Der durch die Tür gereichte Gratis-Kaffee samt Semmel tut sein Übriges. In München steige ich aus, weil sich die Reisepläne kurzfristig ändern und ich vor der Weiterreise nach Italien noch etwas erledige. Als ich um kurz nach sieben am Hauptbahnhof aussteige, bin ich aber auch nicht traurig, dass es vorbei ist oder dass ich drei Tage später mit dem moderneren und schnelleren Nachmittags-ICE von München nach Hamburg fahren werde. Nein, die komfortabelste Art zu reisen, bietet nicht der Nachtzug – zumindest noch nicht. Aber für mich ist er heute schon allemal besser als ein 6-Uhr-Flug. Trotzdem freue ich mich schon auf die 33 modernen Nightjets, die die ÖBB im kommenden Jahr auf die Schiene schicken werden. Einen Eindruck davon verschaffst du dir im folgenden Werbevideo.

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Andreas Matthä

Andreas Matthä

Andreas Matthä unterschrieb die gemeinsame Vereinbarung der deutschen, österreichischen, schweizerischen und französischen Bahnbetriebe DB, ÖBB, SBB und SNCF im Auftrag Österreichs. Sie regelt, dass die vier Länder in Westeuropa ein extensives Nachtzugnetz errichten.

Leonore Gewessler

Leonore Gewessler

Die österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat sich nicht nur Freund:innen gemacht. Doch viele der Projekte von Leonore Gewessler wie das Nachtzugnetz, das Klimaticket oder auch die gesetzlichen Anpassungen im österreichischen Straßenverkehr sind ein Erfolg.