Warum niemand die Autos dieses Mannes kaufen wird
Abo statt Kauf: Tesla hat den Verbrenner gekillt. Nun stellt Nio den klassischen Autobesitz infrage. Ist das die nächste Auto-Revolution?
Die Welt der Mobilität verändert sich und damit auch die Welt der Autos. Es bahnt sich eine Revolution an. Die vielleicht größte Veränderung der automobilen Mobilität, seitdem Bertha Benz 1888 bewies, dass dem Auto die Zukunft gehört. Aus einem analogen Fahrzeug, das von einem Verbrennungsmotor angetrieben wird, wird ein digitales, vernetztes Elektroauto. Statt das Ersparte alle paar Jahre in den Kauf eines neuen Autos zu investieren, bieten Miet-, Sharing- und Abo-Modelle die Möglichkeit das Auto nach Belieben zu wechseln.
Auch bei den Herstellern verändert sich einiges. Die traditionelle Autoindustrie sieht sich neuen Herausfordern ausgesetzt, die das Thema Auto anders angehen. Dazu gehört ab diesem Jahr auch das chinesische Start-up Nio. Das vom chinesischen Selfmade-Milliardär William Li gerade mal vor acht Jahren gegründete Unternehmen gehört zu spannendsten Autobauer, die es im Moment auf dem Markt gibt. Denn Nio denkt das Auto und das Öko-System um das Auto komplett neu und macht den deutschen Autobauern nun auch auf ihrem Heimatmarkt vor, wie radikal neu die Chinesen Automobilität denken.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Disruption auf dem Automarkt gerade erst begonnen hat. Alteingesessene Marken versuchen sich entweder zu erneuern oder halten krampfhaft am alten Geschäftsmodell fest. Neue Unternehmen drängen auf den Markt und krempeln ihn gleichzeitig um. Und dann gibt es noch die großen Tech-Unternehmen wie Google, Apple oder Huawei, die mit einem Einstieg in den Markt der Mobilität liebäugeln.
Die neben der Antriebswende folgenreichste Disruption: Mobilität ist nicht mehr gleichzusetzen mit dem Besitz eines Autos. Sharing-Unternehmen boomen, ebenso Start-ups, die Autos auf monatlicher Basis in einem Abo-Modell vergeben. Gleichzeitig verändert sich die Art und Weise, wie Menschen ein Auto betrachten. Der Lifestyle-Aspekt besteht nicht mehr aus der Motorleistung, sondern aus den Möglichkeiten die das Infotainmentsystem bietet. Die Kund*innen erwarten ein Smartphone auf Rädern, dass sie nach ihren Wünschen flexible gestalten können
„Bei uns steht der User im Vordergrund“
Ralph Kranz, Deutschlandchef Nio
Nio hat das alles schon bei der Gründung des Unternehmens erkannt. Das Auto ist für den Hersteller ein „Mobile Living Space“, wie der CEO William Li zum Deutschlandstart der Marke betont. Der deutsche Nio-Chef Ralph Kranz konkretisierte die Philosophie des Herstellers beim Launch-Event in Berlin so: „Bei uns steht der User im Vordergrund.“ Es geht als um die Nutzung von Mobilität und nicht um den Besitz eines Autos. Nio-Kund*innen können ihre Autos im Abo-Modell tauschen und monatlich kündigen. „Flexibilität ist das neue Premium“, fasste Kranz es in eine griffige Formel.
„Nio möchte zunächst die anderen 80 Prozent erreichen“
William Li, CEO Nio
Nio meint das durchaus ernst: Anders als in Norwegen, wo es die große Limousine ET7 ab 65.000 Euro zu kaufen gibt, beschränkt man sich hier ausschließlich auf Abos. Im Gespräch mit chinesischen Medien sagte Nio-Chef William Li: „Während 20 Prozent der europäischen Verbraucher immer noch Fahrzeuge kaufen und besitzen wollen, befindet sich Nio noch in der Anfangsphase seines Betriebsmodells und möchte zunächst die anderen 80 Prozent erreichen“. Der „Nio-Community“ gefällt das gar nicht – am 11. und 13. Oktober gibt es deshalb einen „User Face to Face Austausch“ für den sich Interessierte anmelden könnten. Bemerkenswert, aber ungewöhnlich.
Auch beim Thema Laden gehen die Chinesen einen anderen Weg als die klassischen Autobauer und Tesla. Statt auf immer leistungsstärkere Schnelllade-Technologie zu setzen, geht Nio einen anderen Weg und wechselt die Batterie in eigenen, vollautomatischen, Batteriewechselstationen aus. Nach nicht mal fünf Minuten hat man eine neue, voll aufgeladen Batterie im Auto. Das geht schneller als ein Tankvorgang.
1.158 dieser Stationen hat Nio schon im Einsatz und in den letzten Jahren wurden 13 Millionen Batterien gewechselt. Und man geht noch einen Schritt weiter. Denn Nio-Kund*innen können nicht nur einfach die Batterie tauschen, sondern auch die Batteriegröße. Im Moment kann man von einer 75 kWh Batterie auf eine 100 kWh upgraden, in Zukunft soll eine 150 kWh Batterie dazu kommen. So kann man sich passend zu seinen Fahrwünschen den richtigen Akku besorgen.
Kund*innen wollen Autos, die sie nach ihren Wünschen gestalten können. Die sich verändern mit dem Leben, dass sie haben. Nio hat das zu einer Maxime für ihre Autos gemacht. Damit hat im Heimatland China schon über 250.000 Kund*innen begeistern können. Norwegen, Deutschland, Niederlande, Dänemark und Schweden sind die ersten EU-Ländern, in denen Nio seine Autos und Philosophie anbieten wird. Bis 2025 sollen die Fahrzeuge in 25 Ländern erhältlich sein. Nio hat sich einiges vorgenommen und man darf gespannt sein, wie die eher konservativen Käuferschichten in Europa das Angebot annehmen werden.
Update (24.10.2022): Mittlerweile hat Nio auf die Kritik an der Abo-only-Strategie reagiert und angekündigt, dass zum 21. November eine Kaufoption für die drei Modelle eingeführt wird. Preise sollen an diesem Tag kommuniziert werden, die Auslieferung der Kauffahrzeuge startet laut Nio im Jahr 2023.
Want to know more?
William Li
Der CEO des chinesischen Autobauers Nio gründete das Unternehmen im November 2014, weil chinesische Großstädte regelmäßig mit grauem Smog gefüllt waren und er das ändern wollte. Der Werbespruch „Blue Sky Coming“ ist eine Ableitung dieses Wunsches, so Nio.
Ralph Kranz
Bereits seine ersten Praktika absolvierte Ralph Kranz bei Volvo und Toyota, bei beiden Unternehmen war er immer wieder wechselweise angestellt, bei Volvo zuletzt als Handelsdirektor. Seit März dieses Jahres leitet er Nio in Deutschland.