„Das ist der französische VW Käfer, der ist überall beliebt, auch bei den Kindern. Es ist ein Fahrzeug, das in einer größeren Serie produziert wurde. Da musste man sich auch nicht die Vorwürfe gefallen lassen, dass man Kulturgut kaputt macht“, sagt Remi Crameri und denkt an einen Renault 4CV von 1954. „Und es ist relativ einfache Technik. Also für den ersten Einstieg war das ein sehr, sehr einfacher Oldtimer umzurüsten.“

Moment mal, umrüsten? Crameri hat sich getraut, was, wie er ja selbst andeutet, vielen Traditionalist:innen anmuten mag wie Grabschändung: Er hat einem echten Oldtimer das Innerste entrissen, um ihm ein zweites Leben zu geben – als Maskottchen für die E-Mobilität. Und Crameri hat es nicht nur einmal getan. Neuerdings kann man auf seinem Twitter-Kanal bestaunen, wie er die Hochvoltbatterie aus einem recht neuen Renault Zoë auseinanderbaute – warum, verraten wir gleich. Aber nicht nur das: Der geschäftige Tüftler aus dem Schweizer Kanton Graubünden ist auch noch Vorreiter für nachhaltige ländliche Mobilität.

„Es st ein Mittel, um aufzuzeigen, was im Bereich der Nachhaltigkeit gemacht werden kann“

Remi Crameri
Remi Crameri und ein früheres Projekt: der Renaut 4CV

Für den Moment aber zurück zum Umbau von Oldtimern. „Dahinter habe ich kein Businessmodell“, sagt Crameri. „Es ist ein Mittel, um auch in der realen Welt aufzuzeigen, was im Bereich der Nachhaltigkeit gemacht werden kann. Wenn man einen Oldtimer zeigt und vorführt, dann weckt das sowohl bei den Kindern wie bei den alten Menschen Emotionen. Und dann hat man sofort einen Einstieg, um über den Antrieb der Zukunft, Mobilität der Zukunft, Batterietechnologie und so weiter zu diskutieren.“

Der 4CV ist aber nicht das einzige Auto, das beim Schweizer unters Messer kam. Die eingangs erwähnte Hochvoltbatterie aus einem verunfallten Zoë musste ihr Second Life früh antreten, aber ebenfalls nicht in einer brandneuen Karosse, sondern einem Renault Twingo. „Das war früher mal ein Testfahrzeug für eine sehr umweltfreundliche Batterietechnologie, die Salz-Nickel-Batterie, die mit recht natürlichen Inhaltsstoffen eine auch für heutige Verhältnisse gute Energiedichte zur Verfügung stellte“, erklärt Crameri. Bewährt hat sie sich nicht und ist deshalb auch nicht in der Praxis verbreitet. „Darum haben wir uns entschieden, den Twingo mit der gesamten Batterietechnologie aus dem Zoë zu bestücken.“ Auf Twitter kann man den Einbau minutiös verfolgen. Bemerkenswert ist, dass das Batteriepack aus der ersten Renault-Zoë-Generation ohne größere Probleme passte. Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist der E-Twingo möglichst ressourcensparsam entstanden.

Anstelle des Testantriebs findet das Aggregat aus einer Renault Zoë Platz im Twingo

Der Schweizer, der an einer höheren Fachschule für Technik ist, erzählt diese Geschichten seinen auszubildenden Techniker:innen natürlich gerne und nimmt dafür das Know-how mit, um Projekte wie den Elektro-Twingo in die Tat umzusetzen. Crameri glaubt, dass er so die „alte Welt“ erreichen kann, die Petrolheads, die bislang noch nicht abgeholt wurden. „Über einen Oldtimer finden sie dann den Zugang und steigen in die Diskussion ein und stellen fest, dass jemand wie ich, der vielleicht auch gerne Autos hat und früher auch mit Oldtimern gearbeitet hat, einen Weg findet in eine Zukunft, die elektrisch ist und da trotzdem ein bisschen Passion und Freude drin ist.“

Manchmal geht’s bei Crameri aber nicht nur um Passion, sondern um Betriebswirtschaftliches: „In meiner Bachelorarbeit ging es um elektrische Taxis in der Stadt Zürich und deren Wirtschaftlichkeit. Ob zum Beispiel die Ladezyklen rein zeitlich reichen. Wie lange steht ein Taxi durchschnittlich am Tag? Wie lange steht es am Taxistand? Würde das reichen um das Batterieniveau wieder auf einen Wert zu bringen, dass eine durchschnittliche Fahrt durchgeführt werden kann?“

Die Erkenntnis: „Die mittlere Fahrstrecke betrug ab dem Hauptbahnhof in Zürich 9,2 Kilometer einfach, also zirka 20 Kilometer gesamt. Und dann steht das Taxi im Schnitt 30 Minuten am Taxistand. Und das hätte sehr gut gereicht.“ Klar, Schnelllader sei Dank – oder? Irrtum, denn die Rede ist nicht von 2022 – seine Bachelorarbeit gab Crameri bereits 1999 ab.

„Ich habe ein kleines Carsharing aufgebaut“

Remi Crameri

„Das ganze Thema Mobilität im Allgemeinen interessiert mich und ich wollte den Leuten eine einfache Möglichkeit geben, einmal an der Elektromobilität zu schnuppern und zu schauen, wie die verschiedenen Verkehrsmittel zusammenspielen können“, sagt Crameri. „Also habe ich da ein kleines Carsharing mit neuen Elektrofahrzeugen aufgebaut in meiner Region. Angefangen hat alles mit einem Renault Zoë aus der allerersten Serie, die noch nicht so weit kamen. Und der wurde angeboten, um die Strecke vom Wohnort bis zum Bahnhof zu überbrücken oder die letzte Meile. Und das hat extrem gut funktioniert. Das Interesse ist jetzt eigentlich noch viel größer geworden. Ich habe zwei Autos im Moment im Carsharing und die sind jetzt seit Juni bis Ende September komplett ausgebucht.“ Der überwiegende Anteil der Mieter:innen habe noch keinen Kontakt zur Elektromobilität gehabt und bestreite damit jetzt sogar die Fahrt in den Urlaub.

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Remi Crameri

Remi Crameri

Er ist an der höheren Fachschule Südostschweiz Leiter für strategische Projekte und Unternehmensentwicklung. Außerdem hat Remi Crameri eine lange Historie in den Elektro- und Logistikbranchen.

Nick Zippel

Nick Zippel

Der Hamburger will mittels „Refurbishment“, also Überholung, das Leben alter Verbrenner verlängern. Nick Zippel ist bei Naext für den Kompensator mit vernantwortlich. Mit dem so bezeichneten „E-furbish-Kit“ rüsten er und das Luftfahrtunternehmen alte Autos auf Elektroantrieb um.