„Hi Smarthelm, es ist keiner zu Hause“
Täglich finden mehr als 12 Millionen Paket-Zustellungen statt, die Verkehrsadern in den Innenstädten platzen. Der neue “Smarthelm” soll die Straßen vom Paketverkehr befreien
Neue Schuhe, neue Klamotten oder ein neues Smartphone und zack, schon sind wieder drei Pakete auf dem Weg nach Hause. Fast alle deutschen Internetnutzer:innen kaufen auch online ein. Die Corona-Pandemie hat dem Online-Shopping noch mehr Auftrieb als es ohnehin schon hatte gegeben. Oft war selbst der Einzelhandel gezwungen, sein Geschäft ins Netz zu verlegen.
Die Folge: Überall auf den Straßen sieht man gelbe oder weiß-blaue Lieferwagen, die täglich mehr als 12 Millionen Sendungen ausliefern müssen. Diese immense Anzahl an Paketen führt zu steigenden Belastungen für Umwelt und Gesundheit. Und dennoch füllen sich die Straßen immer mehr. Das hohe Aufkommen an Paketwagen, Kurierdiensten und Fahrradbot:innen trägt wohl auch zu steigenden Unfallzahlen bei. Abhilfe soll der neue Smarthelm von Rytle schaffen: ein Fahrradhelm als Assistenzsystem für die Citylogistik.
„Der Smarthelm zeigt Auftrags-, Wetter- und Fahrraddaten an“
Dr. Stefan Baumgart, Teamviewer
Um schneller zum Ziel und damit zu den Empfänger:innen zu kommen, steigen immer mehr Paketdienste auf Lastenfahrräder um. Praktisch, denn diese können einen Stau umfahren und Wege nutzen, die für Pkw gesperrt sind. Sie schonen die Umwelt und auch die Parkplatzsuche oder das Halten in zweiter Reihe sind Schnee von gestern. Doch auch mit dem Einsatz der Lastenfahrräder entstehen neue Herausforderungen, denn die Belastung der Bot:innen darf nicht vergessen werden: Fahrrad fahren, sich auf die Route konzentrieren, den Verkehr im Blick haben und ab und zu den einen oder anderen obligatorischen Blick auf das Smartphone wagen.
Welche Faktoren beeinflussen die Aufmerksamkeit und die Belastung von Fahrradkurier:innen? Das will das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammen mit sieben Projektpartner:innen und unter Leitung von Rytle herausfinden und stellt dafür 1,5 Millionen Euro bereit. Ziel ist es, den Arbeitsalltag von Fahrradkurier:innen angenehmer und vor allem sicherer zu gestalten, mit einem Fahrradhelm mit Augmented-Reality-Brille, Sprachsteuerung, Eye-Tracking und EEG-Sensoren zur Erfassung der Aufmerksamkeit der Fahrer:innen.
Dr. Stefan Baumgart von Teamviewer ist Projektleiter des Smarthelms. Die Firma ist für die Software der Datenbrille am Smarthelm verantwortlich. „Der Smarthelm hat eine Anbindung an eine Sprachsteuerung, zeigt Navigationselemente, Auftragsdaten, Wetterdaten und Fahrraddaten an – insbesondere die Geschwindigkeit“, sagt Baumgart. Die Interaktionen können also sowohl per Handgesten als auch per Sprache gesteuert werden. „Hi Smarthelm, bringe mich zur Lagerstraße” oder “Hi Smarthelm, der Empfänger war nicht anzutreffen“ könnten künftig also Befehle sein, die den Kurier:innen helfen, unsere bestellten Schuhe, Klamotten oder das neue Smartphone schneller und sicherer auszuliefern. Bei Zustellung des Pakets scannen die radelnden Bot:innen den Strichcode auf dem Paket mit der Brille – eyes- und hands-free. Ein zusätzliches Scangerät oder ein Smartphone werden nicht mehr benötigt.
„Fahrer und Fahrerin dabei helfen, sich auf den Verkehr zu konzentrieren“
Tanja Schultz, Universität Bremen
„Der Smarthelm soll dem Fahrer oder der Fahrerin dabei helfen, sich auf den Verkehr zu konzentrieren“, so Tanja Schultz von der Universität Bremen, die ebenfalls am Projekt beteiligt ist. Dazu werden zwei Ideen genutzt: Mit Hilfe der EEG-Sensoren wird geprüft, ob die Person noch aufmerksam ist. Mit dem Eyetracking werten wir die Augenbewegungen aus und analysieren Ablenkungen durch die Umwelt, Autos oder den Verkehr.
Zur Zeit befindet sich der erste Prototyp in Testphasen, das Projekt ist bis Anfang 2023 angesetzt. Erst dann wird sich zeigen, inwieweit sich der Smarthelm auf dem Markt etablieren könnte. Die Projektbeteiligten träumen jedoch schon vom nächsten Schritt: dem Einsatz in Bereichen wie auf dem Bau oder beim Motorradfahren.
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Tanja Schultz
Prof. Dr.-Ing. Tanja Schultz gründete 2007 am Karlsruher Institut für Technologie das Cognitive Systems Lab (CSL). Sie beschäftigt sich mit der Erkennung und Interpretation von Sprache, Muskel- und Hirnaktivitäten auf Basis von Biosignalen und unterstützt im Projekt Smarthelm bei der Analyse und Modellierung der Aufmerksamkeits- und Belastungsdaten.
Arne Kruse
Vorhandene Komponenten neu miteinander kombinieren und weiterentwickeln war das Ziel. Dr. Arne Kruse ist einer der Gründer des Start-ups Rytle. Als Geschäftsführer des Vereins Bremovation nutzt er Lastenfahrräder samt Box, Depot und Smartphone-App, um die Auslieferung von Paketen und die Verkehrsproblematik in Innenstädten zu erleichtern.