Sollten wir Schnellladeparks anders bauen – und zwar so?
Europaweit entstehen Ladestationen mit 300 kW Leistung, um möglichst schnell aufladen zu können. Doch oft ist der Ausbau der Netzkapazität eine massive Überinvestition. Das Münchner Unternehmen Jolt Energy setzt auf eine bessere Idee
An vielen Orten in Europa und den USA entstehen Schnellladestationen. Um gleich einen ganzen Ladepark mit mehr als drei Ladestationen zu errichten, ist oft ein lokaler Netzausbau nötig. Der ist nicht immer möglich, und wenn er es doch ist, dann folgen für die Installation eines Trafos und der nötigen Kabel Bauarbeiten und sehr teure Investitionen. Ein echtes Hemmnis für die Antriebswende, der zum Beispiel VW mit einer 150-kW-Schnellladestation mit Batteriespeicher etwas entgegensetzen will.
Das Münchner Unternehmen Jolt Energy setzt noch eines drauf und nutzt die gepufferte Ladestation des Nürtinger Unternehmens ADS-TEC Energy. Dessen High-Power-Charger namens Chargebox liefert auch bis zu 320 kW Leistung und ist deshalb im Stande selbst die stromhungrigsten Performance-Autos zu laden. Mittels eines Batteriepuffers muss die Chargebox diese Energie jedoch nicht vollständig aus dem Netz ziehen. Im Interview erklärt Jolt-Energy-CEO Maurice Neligan, welche Vorteile das bringt – und wie sich Jolt im Markt positioniert.
Man muss sich schon die Frage stellen, ob angesichts der Menge an Ladestromanbietern und -tarifen noch ein weiterer Player auf dem Markt unbedingt nötig war. Schließlich gibt es mit Ionity, Allego, Aral, EnBW oder natürlich Tesla in Deutschland doch bereits reichlich Angebote, um unterwegs schnell aufzuladen. Doch das scheint in den Augen von Jolt gar nicht der anvisierte Markt zu sein. „In Zukunft werden die meisten E-Autofahrer in der Stadt leben und nicht mehr zu Hause laden können“, erklärt Neligan. „Jolt ist der Meinung, dass eine schnellere und bequemere Alternative zum langsamen AC-Laden benötigt wird.“
„Durch das Hinzufügen einer Batterie können wir die Ladegeräte überall aufstellen“
Maurice Neligan, CEO Jolt Energy
Doch gerade Gemeinden scheuen aufgrund der Kosten den Invest in schnelle HPC-Säulen. „Durch das Hinzufügen einer Batterie können wir die Ladegeräte überall aufstellen, was bei herkömmlichen Schnellladegeräten nicht der Fall ist. Herkömmliche Schnellladegeräte müssen an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden, während unsere batterieintegrierten Ladegeräte an das Niederspannungsnetz angeschlossen werden können, das sich in jeder Straße befindet“, so der Jolt-CEO. Ein Netzanschluss mit lediglich 50 kW Leistung reicht, um einen 300-kW-Lader in Betrieb zu nehmen.
Ein Beispiel zur konkreten Anwendung: Zu Beginn eines Ladevorgangs benötigt etwa ein Tesla Model 3 Standard Range Plus 170 Kilowatt Leistung, an einem 100-kW-Netzanschluss liefert die Batterie also 70 kW zu. Dieser Bedarf sinkt jedoch mit steigendem Batteriefüllstand und bereits wenige Minuten nach Ladestart kann überschüssige Netzleistung verwendet werden, um die Pufferbatterie zu füllen sowie das Auto zu laden. Beide sind dann nach einer guten halben Stunde voll beziehungsweise zur Weiterfahrt bereit.
„Die Installationszeit verkürzt sich auf Tage statt auf Monate oder Jahre.“
Maurice Neligan, CEO Jolt Energy
Diese kurzen Peaks zu Beginn des Aufladens sind es, die sonst nach einem starken Netz mit hoher Leistungsfähigkeit verlangen. ADS-TEC-Energy, der Hardware-Lieferant von Jolt rechnet deshalb in einem Online-Vortrag mit 70 Prozent verschwendeter Netzkapazität bis 2030. Den zu Beginn des Ladevorgangs hohen Bedarf an Leistung mit einer Batterie zu puffern spart deshalb nicht nur enorm viele Ressourcen und damit Geld, sondern hat auch erhebliche Vorteile für die Geschwindigkeit des Ladenetzausbaus. Jolt-CEO Neligan erklärt das so: „Indem wir die Ladegeräte mobil machen, beschleunigen wir auch die Bereitstellung jener Ladestationen. Dadurch verkürzt sich die Installationszeit auf Tage statt auf Monate oder Jahre.“
Auch ein mobiles Vermietangebot für Festivals, Konzerte oder andere Großevents bietet sich dank der Flexibilität geradezu an: „Wir haben in den letzten Jahren viele Gespräche mit verschiedenen Parteien zu diesem Thema geführt. Das ist etwas, was wir für die Zukunft in Betracht ziehen oder wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt. Im Moment konzentrieren wir uns jedoch auf die Elektrifizierung der Städte.“ 5.000 Schnellladestationen will Jolt in Europa und den USA bis 2027 installieren.
„Autofahrer sind es gewohnt, Tankstellen aufzusuchen, die gut gelegen sind.“
Maurice Neligan, CEO Jolt Energy
Und da kommen viele Partner infrage: „Wir sehen unsere Ultra-Schnellladestationen an Tankstellen, Supermärkten, Restaurants, Postämtern, Banken, in Einkaufszentren oder auf Straßen“, so Neligan weiter. Interesse haben neben europäischen Kommunen in mehreren Ländern vor allem Tankstellenbetreiber wie Esso und Tamoil. „Unser Tankstellenpartner EG Group rüstet die meisten seiner Standorte auf und erweitert sie um Mini-Märkte einschließlich Rewe und Cafés. Wichtig ist, dass die Tankstellen in den meisten Städten, die wir anvisieren, sehr gut gelegen sind. Die Autofahrer sind es gewohnt, Tankstellen aufzusuchen, die für die Bequemlichkeit des Fahrers gut gelegen sind.“
Das sieht übrigens auch die Westfalen AG so, die bereits an einer Zukunft für Tankstellen arbeitet und sich vorstellen könnte, an ihren „Mobilitätshubs“ künftig Weinverkostungen oder Lesungen anzubieten. Und im Hier und Jetzt hat Volkswagen einen ganz ähnlichen Deal wie Jolt mit Esso geschlossen. Die eingangs erwähnte mobile 150-kW-Schnellladestation mit Batteriepuffer von „Volkswagen Group Components“ wird der Autokonzern zusammen mit E.on unter anderem an Aral-Tankstellen installieren.
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Maurice Neligan
Er ist in Irland aufgewachsen und blickt auf eine abwechslungsreiche Mobilitätskarriere zurück mit Stationen bei Siemens Automotive in Detroit sowie bei Siemens in München, bei Continental und MAN. Seit September 2018 ist Maurice Neligan CEO von Jolt.
Thomas Speidel
1998 übernahm er den Familienbetrieb ADS-TEC und gründete ADS-TEC Energy. Thomas Speidel ist seither Geschäftsführer des B2B-Unternehmens. Darüber hinaus ist er Präsident des BVES Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. in Berlin und Mitglied des Kuratoriums des Fraunhofer ISE.