Man stelle sich vor, ein*e Autofahrer*in fährt zur Tankstelle und stellt fest: Juhu, die Zapfsäule ist von Hersteller xy – hier kann ich besonders komfortabel und zuverlässig tanken. Unvorstellbar? Genau so geht es jedoch E-Mobilist*innen, wenn sie an der Raststätte einen Alpitronic-Charger erspähen. „Ich glaube, dass hauptsächlich die Zuverlässigkeit und auch die einfache Bedienung zwei Faktoren sind, die den Hypercharger an die Spitze der aktuell verfügbaren Hardware gebracht haben“, sagt Alpitronic-Chef Philipp Senoner dazu. Er glaubt aber auch: „Wir haben auch ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis für unsere Kunden, sodass die auch ihren Business-Case gut abbilden können“. Ein paar Fleißpunkte rechnet Senoner der Ästhetik der Ladestationen zu – Stichwort: Wiedererkennungswert.

Das Erfolgsrezept des südtiroler Unternehmens scheint so einfach, und dennoch kann kein Konkurrent einen so steilen Aufstieg vorweisen. Dabei gab es die Hypercharger vor fünf Jahren noch nicht einmal. Damals war das 2009 in Bozen gegründete Unternehmen ein Ingenieursdienstleister, doch diesen Teil des Business haben Senoner und seine drei Mitgründer*innen längst eingestellt. Im Gespräch mit FUTURE MOVES erklärt Senoner nicht nur, was sein Schlüssel zum Erfolg war. Er weiß auch ganz genau, wo es in Deutschland und Europa an der E-Front hakt, warum das Laden niemals so schnell wie Tanken sein wird – und welche Bedeutung Alpitronic für Lkw, Schiffen oder Baggern haben könnte.

„Wenn man größer denkt, ist die Chance eines Scheiterns viel, viel kleiner.“

Philipp Senoner, Alpitronic-Chef

Philipp Senoner hat jahrelang für eine MTU-Tochter System- und Vorentwicklungsprojekte betreut und in seiner Funkion unter anderem Solid-Oxid-Brennstoffzellen für mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge entwickelt. Doch eigentlich verfolgte er den Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Nach dem Studium in München habe ich an der Fernuni Hagen ein Studium zum Unternehmensgründungsberater gemacht“, sagt Senoner. Dabei habe er etwas Wichtiges gelernt: „Wenn man ein Unternehmen gründet und man größer denkt, ist die Chance eines Scheiterns viel, viel kleiner.“ Diesen Think-Big-Grundsatz haben sich Senoner und seine Alpitronic-Mitgründer*innen auch auf die Fahne geschrieben. Das und die nötige Risikobereitschaft hätten zum Erfolg geführt, sagt er. Dabei hatte man für den Hypercharger anfangs gar keine großen Ziele: 100 Ladestationen wollte Alpitronic jedes Jahr liefern. „Keiner konnte 2017 einschätzen, wie groß der Markt für öffentliches Laden wird und absolut auch nicht in diesen Leistungsklassen, über die wir damals gesprochen haben.“ Denn damals gab es eine Handvoll Fahrzeuge, die mit 50 kW Leistung laden konnten, und das sei das höchste der Gefühle gewesen.

Anbieter wie EnBW, Allego oder Aral/BP setzen auf die Alpitronic-Charger. Foto: EnBW

Doch dann ging es ganz schnell, heute liefern Senoner und seine Firma fast sechsmal so viele Ladestationen wie vorhergesehen. Ein Kollege habe ihm vor Jahren gesagt, dass das Potenzial viel höher sei: „Hey, das sind nicht 100 Ladesäulen pro Jahr, es werden 800!“, erinnert sich Senoner an dessen Worte. Was sich geändert hat? Neben der Ladeleistung selbst auch die Anwendung: Statt nur an Autobahnen schnelle Ladeinfrastruktur anzubieten, gibt es sie jetzt auch in Großstädten, auf Supermarkt- oder Baumarkt-Parkpläten. Das Schnellladen integriert sich in den Alltag.

„In wenigen Jahren kann man bereits in fünf Minuten zwischen 100 und 200 Kilometer nachladen.“

Philipp Senoner

Mittlerweile laden Top-Produkte mit 300 Kilowatt Leistung, kürzlich erst hat Alpitronic einen 400-kW-Charger in Aussicht gestellt. „Die Autohersteller sagen: ich bleibe mit dem Strom gleich und gehe mit der Batteriespannung hoch“, sagt Senoner. Das verdopple virtuell die Ladeleistung. In der Tat sind mit dem Porsche Taycan, dem Audi e-tron GT, dem Ioniq 5 und dem Kia EV6 bereits einige Fahrzeuge auf dem Markt, die ein 800- anstelle eines 400-Volt-Bordnetzes haben. „Mittelfristig werden auch die Fahrzeuge der kleineren Klassen, die ab 2025, 2026 zu erwarten sind, auf die höhere Spannung umsteigen.“ Senoner glaubt dennoch: „Laden wie Tanken wird es nicht geben, aber es wird in die Richtung gehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in wenigen Jahren bereits in fünf Minuten zwischen 100 und 200 Kilometer nachladen kann.“ 

„Megawatt-Charging wird es nicht brauchen im Pkw.“

Philipp Senoner

Megawatt-Charging im Auto? Wird es nicht geben. „Wir sehen an der durchschnittlichen Ladeleistung, dass diese bei etwas unter 100 kW liegt. Die Werte steigen natürlich nach und nach mit performanten Fahrzeugen, die auf den Markt kommen. Das wird so weitergehen und ich kann mir vorstellen, dass man irgendwo zwischen 200 und 300 kW den Sweet Spot findet. Dann gibt es vielleicht Premium-Fahrzeuge, die auf 400 kW gehen, aber Megawatt-Charging wird es nicht brauchen im Pkw.“ Außerdem wirft er die grundsätzliche Frage nach dem Sinn auf, überall einen 300-kW-Charger hinzustellen: „Wenn ich ohnehin eine oder eineinhalb Stunden bei Ikea sein muss, weil ich schon 20 Minuten an der Kasse stehe, dann reicht der 50-kW-Lader vielleicht auch wunderbar aus.“ Das passende Produkt zur Aussage bringt Alpitronic in Kürze auf den Markt.

Jolt Energy setzt auf Ladestationen von ADS-TEC, die mit einer Pufferbatterie ausgestattet sind. Foto: Jolt Energy

Zu Lösungen mit Batteriepuffer, wie sie beispielsweise Jolt und ADS-TEC derzeit installieren, sagt Senoner: „Ich glaube, dass das eine Lösung ist, die mit beitragen kann an Standorten, wo einfach der Netzanschluss nicht da ist. In der großen Breite glaube ich nicht daran, weil wir Standorte haben, wo wir an die 120 Ladevorgänge pro Tag pro Ladestation hatten. Und das kann man so nicht abbilden.“ Er erkenne aber die Daseinsberechtigung von Ladestationen mit Pufferspeichern, sieht deren Vorteil aber in anderen Bereichen: „Netzstützende Maßnahmen werden ein sehr, sehr wichtiges Thema werden in Zukunft.“ Und damit hat Senoner recht. Nicht zuletzt, um erneuerbaren Strom möglichst oft nutzen zu können – ein Schlüssel für die Akzeptanz der E-Mobilität in der Breite der Gesellschaft. Genau wie die Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit von E-Autos: „In jeder Klasse, in der sich ein Verbrenner bewegt, sollte es ein Pendant geben mit ähnlicher Leistung und Ausstattung mit batterieelektrischem Antrieb“, sagt Senoner.

„Was das Thema Ladesäulen und die Planung dafür betrifft, ist Deutschland sehr weit vorne.“

Philipp Senoner

Der Alpitronic-Chef sieht die E-Mobilität in Deutschland auf einem guten Weg. Anders als in den nordischen Ländern, in denen Verbrenner einfach so teuer sind, dass E-Autos die günstige Alternative darstellen, gäbe es hier ein Commitment zur Infrastruktur. „Was das Thema Ladesäulen und die Planung dafür betrifft, also auch über einen längeren Zeitraum hin, ist Deutschland sehr weit vorne und macht sehr viel richtig.“ 40 Prozent der Alpitronic-Säulen gehen deshalb Stand heute in die Bundesrepublik. Aber: Beim Eichrecht wünscht er sich mehr Flexibilität – es sei schlicht zu kompliziert und schon bald für die Behörden aufgrund der Komplexität ohnehin nicht mehr umsetzbar. In Boom-Ländern wie Italien, Frankreich und Großbritannien sei das einfacher – dafür haben die Regionen grundsätzlich einen Aufholbedarf bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur.

„Wenn europäisches öffentliches Geld in Infrastruktur fließt, dann muss das einen lokalen Content haben“

Philipp Senoner

Um innovativ zu bleiben und expandieren zu können, benötigt der Südtiroler Fachkräfte. Insbesondere Ingenieur*innen werden gerade dringend benötigt, seien aber schwer zu finden. Und auch in Amerika arbeitet Alpitronic an einer Präsenz: „Wir bereiten gerade den Markteintritt in den USA vor. Das stellt uns vor die Herausforderung, auch dort produzieren zu müssen, weil wir dort Vorgaben haben. Unsere Kunden bekommen nur dann Fördermittel, wenn die Hardware im Land produziert wurde“, sagt Senoner. Das stört ihn noch nicht mal, ganz im Gegenteil: „Das würde ich tatsächlich auch gerne in Europa sehen. Wenn europäisches öffentliches Geld in Infrastruktur fließt, dann muss das einen lokalen Content haben, zumindest zu einem gewissen Anteil. Wir müssen ja unsere Arbeitsplätze in Europa weiterhin erhalten“, erläutert er. Senoner findet, dass wettbewerbsverzerrende Anbieter „raus aus dem Markt“ müssen.

Der Batteriehersteller Northvolt nutzt einen Alpitronic-Hypercharger, um Bagger aufzuladen. Foto: Northvolt

Schon heute sind Alpitronic-Produkte weltweit zu finden, und das manchmal an unerwarteten Orten: „In Neuseeland haben wir ein Schiff, das zwischen zwei Häfen mit einer Stunde Fahrt pendelt und dann wieder eine halbe Stunde Pause macht, um Passagiere aufzunehmen. Und da wird es jedes Mal geladen mit einem unserer Charger, der sehr abenteuerlich auf dem Holzsteg steht.“ In Norwegen gäbe es ein noch größeres Schiff, das sogar mit zwei Hyperchargern, also mit 600 kW Ladeleistung geladen wird. Der Batteriehersteller Northvolt nutze einen Bagger in einer Schottergrube, der ebenfalls mit einem Schnelllader von Alpitronic geladen wird. „Wir sind auch beim Schwerlastverkehr tätig und bereiten uns vor auf das Thema. Ich glaube, der Markt wird mindestens gleich groß werden. Das werden wir uns nicht entgehen lassen.“

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Philipp Senoner

Philipp Senoner

Er ist einer von vier Alpitronic-Gründern. Ehe Philipp Senoner zusammen mit seinen Partner*innen Alpitronic gründete, studierte er in München und war anschließend sieben Jahre lang bei einer MTU-Tochter als Systementwickler. Seinen Traum, irgendwann ein eigenes Unternehmen zu gründen, erfüllte er sich 2009.