Niedrigere Steuern auf Reparaturen = langlebigere Produkte?
In Schweden sollen geringere Steuern auf Reparaturen die Lebensdauer von Produkten verlängern. Ein radikalerer Vorschlag kommt aus der Schweiz
Steuern sind vor allem Einnahmen für den Staat. Sie können aber auch Verhalten beeinflussen, etwa wenn durch niedrigere Umsatzsteuersätze Preise für Produkte oder Dienstleistungen sinken und die Nachfrage entsprechend steigt. Das Potenzial einer auf ökologische Ziele ausgelegte Abgabenpolitik ist nicht von der Hand zu weisen.
Nur 12 statt 25 Prozent Mehrwertsteuer auf Fahrradreparaturen – das ist einer von vielen Bausteinen des Maßnahmenpakets der schwedischen Regierung, um nachhaltigen Konsum zu fördern. Seit 2017 nutzt das Land den eigens von der EU dafür vorgesehenen Gestaltungsspielraum. Die eingängige Idee hinter der schwedischen „Strategy for sustainable cunsumption“: Wer sein Rad repariert, muss kein neues kaufen und kann es außerdem wieder einsetzen – nachhaltig also im Sinne der Ressourcen und eines alternativen Verkehrsmittels. Und wenn die Reparatur günstiger wird, machen mehr Bürger:innen mit.
„Die Senkung der Umsatzsteuer für Reparaturen hat nur eine begrenzte Wirkung“
Carl Dalhammar, The International Institute for Industrial Environmental Economics
So die Theorie, die in diesem Fall von einer Lenkungsfunktion spricht. Diesen Weg haben inzwischen weitere Länder wie beispielsweise Österreich, die Niederlande und Belgien eingeschlagen. Was den praktischen Nutzen angeht, gibt es aus Schweden noch keine exakten Erkenntnisse. Carl Dalhammar, Dozent am Internationalen Umweltinstitut in Lund, äußerte sich im vergangenen Herbst in der schwedischen Tageszeitung Svenska Dagbladet zurückhaltend: „Die Senkung der Umsatzsteuer für Reparaturen von unter anderem Fahrrädern auf 12 Prozent hat nur eine begrenzte Wirkung gehabt.“ War es vielleicht nicht genug?
In Deutschland ist eine niedrigere Umsatzsteuer für Fahrradreparaturen derzeit kein Thema. Zuletzt lehnte die inzwischen abgewählte Bundesregierung die Idee im Sommer 2021 auf Anfrage von Stefan Gelbhaar (Bündnis90/Die Grünen) ab. Unter anderem, weil man Bedenken bezüglich der praktischen Umsetzung hatte und die Weitergabe des Preisvorteils an die Endverbraucher nicht gewährleistet sah. Auch Klaus Jacob, Leiter des Forschungszentrums für Nachhaltigkeit (FFN) an der Freien Universität Berlin, schätzt die Lenkungsfunktion einer reduzierten Umsatzsteuer in diesem Fall „als eher gering ein.“ Es lägen keine Erkenntnisse über die häufigere Nutzung des Fahrrads vor, daher sei eine solche Maßnahme wohl eher „symbolisch wichtig“.
Ernüchterung erst einmal also im Falle der Fahrrad-Reparaturen – und doch ein Thema für die Forschung: Dr. Jacob und sein Team tragen gerade eine „Literaturstudie zu den Verteilungswirkungen bisheriger und potenzieller Verkehrs- und Umweltpolitik“ zusammen. Neben der Umsatzsteuer geht es darin auch um die ökologische Wirkung anderer Steuern und Abgaben.
Wenn auch nicht bei den kaputten Fahrrädern, hat sich auch die deutsche Politik bereits mit der Lenkung hin zu Mobilitätsalternativen mittels reduzierter Umsatzsteuer befasst. So fällt beispielsweise seit 2020 auch für Tickets im Fernverkehr der Deutschen Bahn bei Strecken über 50 Kilometern nur sieben Prozent Umsatzsteuer an. Ein guter Anfang in Sachen ökologische Lenkung durch Steuern. Es könnte das fiskalische Zukunftsthema sein – das nach Zahlen des Umweltbundesamtes vernachlässigt scheint: Danach habe sich der Anteil umweltbezogener Steuern von 2005 bis 2020 von 12,2 auf 7,7 Prozent an den gesamten Steuereinnahmen zurück entwickelt. Wohl gemerkt in einer Zeit, in der Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilitätswende und Klimawandel lange Zeit die bestimmenden Themen waren. Fairerweise ist zu berücksichtigen, dass bei erfolgreicher Lenkung – zu Beispiel fahren einige Menschen weniger Auto wegen der durch die CO2-Abgabe steigenden Kraftstoffpreise – die Einnahmen entsprechend sinken, wenn die gewünschte Wirkung erzielt wird.
Doch um die Kompensation fehlender Einnahmen wird sich der Gesetzgeber schon kümmern. Idealerweise künftig aber bitte vor allem dort, wo Steuern ungewünschtes Handeln bestrafen. Doch wo finanzielle Spielräume entstehen, sollten gezielt nachhaltige Fortbewegung gefördert werden. Wie etwa in Norwegen, wo der Kauf neuer Elektroautos seit Jahren von der eingangs angeführten Umsatzsteuer von immerhin 25 Prozent befreit sind. Nirgendwo auf der Welt werden derzeit prozentual mehr E-Autos zugelassen als dort.
„Menschliche Arbeit sollte nicht besteuert werden“
Walter Stahel, Institut für Produktdauer-Forschung
Bereits das ist ein mutiger Schritt, um von den fossilen Kraftstoffen unabhängig zu werden. Noch etwas mehr Mut verlangt der Ansatz der „Circular Economy and sustainable taxation“ von Walter Stahel, Gründer des Schweizer Instituts für Produktdauer-Forschung: ein Steuersystem, das Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Konsum konsequent begünstigt. „Menschliche Arbeit ist eine erneuerbare und nachwachsende Ressource, deshalb erwünscht und sollte nicht besteuert werden“, sagt er. Fehlende Einnahmen wären über höhere Steuern für „Dinge, die keiner will, oder Mangelware sind“, zu kompensieren, wie etwa Abfall oder aufwändig zu fördernde und zu verarbeitende Rohstoffe.
Alle Reparaturen – also auch die von Autos – würden als günstiger, während die Steuern auf die Anschaffung von Neuware stiegen. Für Stahel, der sein im September 1969 gekauftes Auto konsequenterweise noch heute fährt und bereits Gegenstand einer Fallstudie zu den Kosten nachhaltigen Verhaltens war, hat dies auch eine soziale Komponente: Weil bei Reparaturen der Anteil des Lohns in der Regel wesentlich höher ausfällt als bei industriellen Fertigungsprozessen, würden bei seinem Ansatz „keine Roboterfamilien gefüttert, sondern mit dem gleichen Geld Menschen in der eigenen Umgebung.“
Schweden will sich diesem radikalen und zugleich einleuchtenden Prinzip weiter vorsichtig annähern: Am 4. Mai stimmt das schwedische Parlament über einen Gesetzesentwurf ab, der eine weitere Absenkung der Umsatzsteuer auf erwähnte Reparaturen auf sechs Prozent vorsieht. Laut Ann-Sofi Pallasdies aus der staatlichen Finanzverwaltung wird damit gerechnet, dass der Vorschlag angenommen wird. Möge der Mut belohnt werden. In Österreich wählt man neuerdings einen anderen Weg: Dort gibt es auf für Reparaturen von Elektrogeräten bis zu 50 Prozent der Kosten vom Staat zurück – ganz einfach nach Antrag eines Reparaturbons.
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Klaus Jacob
Als Leiter der Arbeitsgruppe Policy Assessment arbeitet der promovierte Politologe Klaus Jacob auf den Feldern Politikfolgenabschätzung, Evidenzbasierung von Politik, Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategien, sowie Innovations- und Markteffekte. Die Projekte der Forschungsgruppe umfassen sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Politikberatung.
Steffi Lemke
Ein weiterer Weg, die Lebenszeit von Produkten – vor allem im Bereich Elektrogeräte – zu verlängern, ist das sogenannte „Recht auf Reparatur“.
Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) will dafür sorgen, dass Hersteller entsprechende Anleitungen zur Verfügung stellen und Geräte so konstruiert werden, dass sie zu vertretbaren Preisen repariert werden können.