In Deutschland läuft in wenigen Wochen der sogenannte Tankrabatt ab. Die Spritkosten-Subvention für Autofahrer:innen hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen: die einen finden ihn notwendig, um schwache Einkommen zu stärken, andere kritisieren den Umstand, dass insbesondere Vielfahrer:innen und jene mit Spritschluckern profitieren – was nicht gerecht ist.

Ein Aspekt wurde immer wieder tangiert, spielte letztlich in der öffentlichen Diskussion jedoch kaum eine Rolle: die Auswirkungen auf die Umwelt und die Frage, ob eine Spritkosten-Subvention im Angesicht der Klimakatastrophe existieren sollte. Während dieser Tage in Deutschland diskutiert wird, ob Finanzminister Christian Lindner nicht doch nochmal das Portemonnaie öffnet, um Benzin- und Dieselpreise zu senken, debattieren Politiker:innen 9.000 Kilometer westlich, ob man Tankstellen nicht gleich ganz verbieten sollte. Wieso machen wir das eigentlich nicht in Deutschland?

„Wir wussten nicht, dass wir die ersten in der Welt waren, als wir Tankstellen verboten haben.“

D’Lynda Fischer, Stadträtin von Petaluma

„Wir wussten nicht, was wir taten“, sagt D’Lynda Fischer, Stadträtin von Petaluma der LA Times. „Wir wussten nicht, dass wir die ersten in der Welt waren, als wir Tankstellen verboten haben.“ Der Stadtrat der 55.000-Seelen-Stadt nördlich von San Francisco hatte bereits im Frühjahr 2021 und wohlgemerkt einstimmig beschlossen, den Bau neuer Tankstellen in der Stadt nicht mehr zu genehmigen. Denn: Auf dem 38 Quadratkilometer großen Stadtgebiet zählte man bereits 16 Tankstellen – das Einzugsgebiet einer Tankstelle ist gerade mal gut 2 Quadratkilometer groß, kein:e Einwohner:in muss mehr als fünf Minuten zur nächsten fahren. Der Stadtrat hatte jedoch bereits 2019 einen Klimanotstand ausgerufen. Dass Tankstelle Nummer 17 schon genehmigt war, hilft beim Erreichen eines Ziels der Stadt denkbar wenig: Kohlenstoffneutralität bis 2030. 

Sollten neue Tankstellen noch gebaut werden? Schreib uns deine Meinung

Damit unterbietet Petaluma sogar das von Kaliforniens Gouverneur ausgerufene Ziel, bis 2035 alle Verkäufe neuer Autos und Lastwagen auf emissionsfreie Fahrzeuge zu beschränken. Petalumas Bürgermeisterin Teresa Barrett weiß, dass das nur „kleine Veränderungen“ sind.Die aber zumindest als symbolischer Akt dienen, der eine Reihe an neuen Entwicklungszielen für die Stadt anführt. Solaranlagen und Ladesäulen für E-Fahrzeuge möchte man stattdessen installieren. Einen vernünftigen ÖPNV-Plan gibt es jedoch weiterhin nicht.

Das Beispiel scheint in Amerika dennoch zu skalieren: Neben weiteren Gemeinden in den US-Bundesstaaten Kalifornien und New York gibt es auch Tankstellen-Moratorien in der kanadischen Provinz British Columbia. Am wichtigsten aber: Die fast vier Millionen Einwohner:innen zählende Groß- und Stauhauptstadt Los Angeles könnte die erste Metropole werden, die den Bau neuer Tankstellen bremst. 

„Wenn Sie Lungenkrebs haben, hören Sie auf zu rauchen; wenn Ihr Planet in Flammen steht, hören Sie auf, ihn mit Benzin zu übergießen“

Paul Koretz, Stadtrat von Los Angeles

Paul Koretz, Direktor für Umweltangelegenheiten beim Stadtrat von Los Angeles, sagte: „Es liegt an den Städten, den Klimawandel umzukehren.“ In L.A. stehen 600 Tankstellen 1.300 Quadratkilometern Fläche gegenüber – das Netz ist also ähnlich dicht wie in Petaluma. Koretz schlug darum vor, dass L.A. ebenfalls ein Verbot für neue Tankstellen erlassen sollte. Auf einer Veranstaltung zum Thema Tankstellenverbot wählte er einmal einen treffenden Vergleich: „Wenn Sie Lungenkrebs haben, hören Sie auf zu rauchen; wenn Ihr Planet in Flammen steht, hören Sie auf, ihn mit Benzin zu übergießen.“ Die Ratsmitglieder erwarten eine Anhörung zu diesem Thema im Sommer, Ausgang ungewiss. Los Angeles könnte hier eine Vorbildfunktion einnehmen als aktuell autozentrierte Stauhauptstadt des 40 Millionen Menschen zählenden Bundesstaats. 

In Deutschland ist das Verhältnis von Tankstellen zur Fläche in der Regel niedriger als in den US-Städten. In Berlin, Hamburg und Köln gibt es zirka eine Tankstelle für drei Quadratkilometer Einzugsgebiet. Nur gegen München wird selbst L.A. blass: In der bayerischen Landeshauptstadt steht eine für die Bewohner:innen von unter 2 Quadratkilometer Fläche zu Verfügung, wenn man die insgesamt schrumpfende Zahl extrapoliert. Damit ist das Netz engmaschiger als in Los Angeles und die Menschen in München haben mehr als doppelt so viele Tankstellen zur Verfügung wie der flächenmäßig gleich große Stadtstaat Bremen.

Kann man mit einem Tankstellenverbot den Klimawandel stoppen? Sicher nicht, aber wir sollten so langsam damit beginnen, jene Projekte, die uns eindeutig beim Erreichen des nahezu unerreichbaren 1,5-Grad-Ziels im Wege stehen, zu blockieren statt neue zu genehmigen. Weil hierzulande Tankstellen als Gewerbe gelten, darf man sie grundsätzlich auf Gewerbeflächen bauen – mit nur wenigen Vorgaben und Einschränkungen. Zunächst könnte man die ohnehin wenig einladende Tankstelle von heute zukunftsfest machen. Wie das geht, weiß man in Westfalen übrigens heute schon.

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Teresa Barrett

Teresa Barrett

Seit 2006 ist Teresa Barett Mitglied im Stadtrat, 2009 und 2017 wurde sie erst Vize-, 2018 dann Bürgermeisterin. Sie gehört dem Netzwerk „Climate Mayors“ an, das sich für Projekte zum Schutz des Klimas einsetzt und dem 740 Bürgermeister:innen aus 48 US-Staaten angehören.

Paul Koretz

Paul Koretz

Paul Koretz hatte in Los Angeles bereits diverse Funktionen im Stadtrat und gehört ihm bereits seit über 13 Jahren an. Er sprach sich vor Jahren gegen die Einführung von Fahrrad-Infrastruktur auf Kosten von Autoparkplätzen aus.