„Mein Name ist Alan und ich bin Autofahrer“
Ob im Rausch der Geschwindigkeit oder mangels ÖPNV im Stau: Die Abhängigkeit vom Auto kennt viele Formen und ist allgegenwärtig. Kolumnist Alan Atzberger denkt über einen Entzug nach
Der Dezember ist für viele Menschen ein Monat der Einkehr. Wenn es auf Silvester zugeht, denke auch ich über meine Vorsätze fürs neue Jahr nach. Ganz oben steht auf meiner Liste als Mobility-Nerd, weniger Auto zu fahren. Allerdings fällt es mir nicht so leicht, auf mein Fahrzeug zu verzichten – und ich bin anscheinend nicht der einzige: In einer Gesellschaft, die von den Folgen des Klimawandels geprägt ist, ist die Anzahl der Autobesitzer*innen in deutschen Städten die letzten fünf Jahre trotzdem gestiegen.
Das trifft auch auf Großstädte zu, in denen Bürger*innen theoretisch von günstigen Carsharing-Angeboten und einem gut ausgebauten Öffentlichen Personennahverkehr profitieren können – „Zeit Online“ hat dazu recherchiert. Ein eigenes Auto verbinden viele Menschen nach wie vor mit Freiheit, Komfort und Fahrspaß. Ich frage mich: Wie könnte ein Aussteiger*innenprogramm für Autofahrerende aussehen, die damit hadern, weniger zu „konsumieren“? Hier sind meine drei Tipps, mit denen der Auto-Entzug hoffentlich leichter fällt.
1. Softe Entwöhnung
Ich sträube mich es zuzugeben, denn der rationale Mensch in mir versteht und kennt die Gründe, die gegen das Autofahren sprechen, aber ich fahre einfach gerne Auto. Seit jeher symbolisiert das Auto Freiheit – nicht Freiheit, wie sie in im Film „Drive“ von Ryan Gosling dargestellt wird, der nachts durch die einsamen Straßen fährt. Sondern im Sinne von: Im Auto kann ich in Ruhe telefonieren und ungestört Musik hören. Ich genieße es auch, spontan loszufahren. Und sind wir mal ehrlich: In den „eigenen vier Autowänden“ fühlt man sich doch am wohlsten.
„Was für Raucher*innen das Nikotinpflaster ist, ist für mich mein Abo-Auto“
Alan Atzberger
Das Auto bietet im wahrsten Sinne des Wortes Raum für Spontanität und für Familien mit kleinen Kindern oder Menschen, die außerhalb der Stadt leben, ist es nahezu unverzichtbar im mobilen Alltag. Der Gedanke, diese Freiheit aufzugeben, kann einem zu Recht Bauchschmerzen bereiten. Mir geht es ähnlich, doch ich habe eine Lösung gefunden: Aktuell fahre ich ein E-Auto im Abo, welches mir über einen der bekannten Anbieter zur Verfügung steht. Was für Raucher*innen das Nikotinpflaster ist, ist für mich mein Abo-Auto.
2. Hilfe in Anspruch nehmen
Neue Ziele zu setzen, ist einfacher, als sie auch zu erreichen. Es genügt nicht, sich nur dafür zu entscheiden, das Auto weniger zu fahren oder komplett darauf zu verzichten. Gerade für Gewohnheitsmenschen wie mich sind Hilfsmittel und digitale Helfer essenziell. Ich bin der Meinung, dass technische Anwendungen die Mobilitätswende entscheidend voranbringen können. Mittlerweile gibt es verschiedene App-Anbieter, die Nutzer*innen Belohnungen offerieren, die auf ihr Auto verzichten. Bürger*innen, die öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad wählen oder gar Laufen, erhalten Klimataler. Diese können Sie in Gutscheine eintauschen oder wahlweise in Bäume, die gepflanzt werden auf Basis der klimafreundlichen Entscheidung.
3. AA-Meetings
Hier sind natürlich die anonymen Autofahrer*innen gemeint. Wer mit leidigen Verhaltensmustern kämpft, kann sich damit trösten, nicht allein zu sein. Mit Leidensgenoss*innen zu sprechen und sich auszutauschen, kann echte Vorteile bringen: Ich habe in diesen Gespräche von neuen und hilfreichen Technologien oder Mobilitätsanbietern erfahren. Menschen, die in infrastrukturell benachteiligten Gegenden wohnen, können sich so mit Gleichgesinnten in Fahrgemeinschaften organisieren oder über ein gemeinsames Auto nachdenken. Der Austausch bringt überraschend viele Vorteile.
„Wichtig in jedem Veränderungsprozess ist es, sich realistische Ziele zu setzen“
Wichtig in jedem Veränderungsprozess ist es, sich realistische Ziele zu setzen. Ein striktes Fahrverbort ist zwar ehrenwert, aber oft zu radikal, um es nachhaltig umzusetzen. Effektiver ist es, das Auto zunächst öfter stehen zu lassen und Verhaltensweisen zu überprüfen: Viele Menschen greifen zum Autoschlüssel, wenn sie unter Zeitdruck stehen. Tatsächlich gelangt man mit dem eigenen Fahrzeug aber nicht immer schneller ans Ziel – besonders dann nicht, wenn der Fahrweg von Staus durchzogen ist und man am Zielort nach einem Parkplatz suchen muss.
Wäre es nicht praktisch, wenn Google Maps bei der Routenplanung nicht nur die reine Fahrzeit im Auto errechnet, sondern auch noch eine zu erwartende Dauer bei der Parkplatzsuche berücksichtigt? Wer regelmäßig dieselben Wege fährt, sollte sich diese jedenfalls einmal genauer anschauen und überprüfen, sie sich nicht auch mit dem Fahrrad oder Bus und Bahn meistern lassen. Im besten Fall spart das sorgfältige Vorausplanen Zeit und Geld, während man selbst die Straßen freihält und keine zusätzlichen Emissionen produziert. So gelingt stressfreies und effizientes Pendeln!
Alan Atzberger
Mobility und erneuerbare Energien – für diese Themen schlägt Alan Atzbergers Herz. Seine über zehnjährige Erfahrung in den Bereichen sammelte er bei Start-ups sowie börsennotierten Unternehmen (u.a. Tesla, Sonnen, Unu, Reach Now) in Vertriebs-, Business Development und Go-to-Market-Positionen. Aktuell berät Alan bei TLGG Unternehmen als Practice Lead Mobility & Energy von der Marketingstrategie bis hin zum Venture Building. Auf seinem Blog All About Mobility teilt er regelmäßig die neusten Trends und Updates aus der Szene.