Lastenräder sind in deutschen Innenstädten auf dem Vormarsch. Einst als Autoersatz für Öko-Freaks belächelt, haben wachsendes Klimabewusstsein und die Einführung des E-Antrieb dieser Fahrzeugkategorie einen Boom beschert. Die Räder mit der praktischen Stauraumfront werden immer zahlreicher – und immer größer. Manches Lastenrad kann inzwischen mit den Dimensionen eines Kleinwagens mithalten. 

Auch finanziell unterscheidet sich die Investition in ein solches Vehikel inzwischen nicht sonderlich von einem Autokauf. Bei einem Preis von 5.000 bis 10.000 Euro ist es kein Wunder, dass Lastenräder die SUVs unter den Fahrrädern genannt werden. Lastenräder sind teuer und nehmen viel Platz ein – doch ich sage, das ist gut so!   

SUVs sind vielen Städter*innen ein Dorn im Auge. Sie sind die Angeber und Bullies unter den Autos. Und sicherlich braucht es keine 2,5 Tonnen, um eine Person von A nach B zu bewegen, schon gar nicht in der Stadt. Doch aus Sicht der Nutzenden sind die Vorteile von SUVs vielfältig: Sie sind äußerst komfortabel und bieten ungemein viel Stauraum, um Dinge zu transportieren und die gesamte Familie zu kutschieren. Außerdem ist man als Fahrer*in eines so robusten Autos bei Unfällen überlegen – wenn es überhaupt zu einem kommt. Denn bereits im alltäglichen Straßenverkehr weichen andere Verkehrsteilnehmende demütig aus. 

„SUVs und Lastenräder teilen die mangelnde Flexibilität auf den Straßen“

Alan Atzberger

Nun gelten Lastenfahrradfahrer*innen weder als protzig noch unachtsam, dennoch lassen sich zwischen dem Besitz des einen und des ganz anderen Gefährtes gewisse Parallelen ziehen. Ähnlich wie der SUV ist das Lastenrad ein Statussymbol. Preis, Unterbringung, Versicherung und Wartung muss man sich erstmal leisten können. Und genauso wie für SUV-Halter*innen das Auto ein wichtiges Anliegen ist, ist es bei den Lastenradfahrer*innen das Rad. 

Es wird mit Stolz gefahren und verkörpert die Werte der Halter*in. Oder eher noch: einen gewissen Lifestyle. So ist die Anschaffung auf beiden Seiten eine bewusste Entscheidung, die zur Folge hat, dass das Fahrzeug auch tatsächlich genutzt wird und nicht vor sich hin rostet – nur, dass man mit der emissionsfreien Alternative Lastenrad positiv zur Verkehrswende beiträgt. 

Was SUVs und Lastenräder außerdem noch teilen, ist die mangelnde Flexibilität auf den Straßen: Ob bei der Suche nach einem Parkplatz oder beim Fahren auf engen Seitenstraßen beziehungsweise Fahrradwegen. Während die eine Fraktion in dem Punkt wahrscheinlich zukünftig für immer das Nachsehen haben wird, hat die andere die Nase – oder vielmehr den Lenker – vorn. 

Es werden immer mehr Strecken zu Fahrradstraßen oder sogar autofreie Straßen umfunktioniert und immer mehr Parkplätze müssen Fahrradstellplätzen weichen. Die Parkplätze, die es noch gibt, werden sich Autofahrende schließlich schon bald mit E-Mobil-Besitzer:innen aller Art teilen – in Berlin beispielsweise greift die neue Parkgebührenordnung ab 2023.  

„Lastenrad-Käufer*innen bringen Engagement mit, eine passende Infrastruktur zu schaffen“

Wen diese Argumente überzeugen, sich aber kein Lastenrad leisten kann oder es erstmal testen möchte, kann sich freuen: In Berlin bietet der ADFC mit seinem Community-Projekt fLotte kostenlose Leihräder an und auch die Wirtschaft zieht immer mehr nach. Mittlerweile gibt es diverse Leasingangebote – diese sind jedoch leider nicht förderfähig – was sowohl für die Endkund:innen, aber auch bei der gewerblichen Nutzung ein großes Problem darstellt. 

Sharing-Angebote, sowohl im free-floating als auch stationsbasiert, sind seit geraumer Zeit in immer mehr Großstädten nutzbar. Tatsächlich entsteht gerade eine regelrechte Service- und Produktdienstleistungslandschaft, von der die ganze Branche profitieren kann, zum Beispiel Start-ups, die Versicherungen für Fahrrädern oder mobile Fahrradwerkstätten anbieten. Selbst der ADAC, der Freund der Autofahrenden schlechthin, hat mittlerweile einen mobilen Fahrradreparaturservice. 

Es lässt sich also festhalten, dass Lastenräder einen Mehrwert für die Mobilitätswende bieten. Gerade, weil der Kauf eines solchen Fortbewegungsmittels wohl überlegt ist, stehen dahinter Menschen, die echtes Engagement mitbringen, eine passende Infrastruktur zu schaffen. Und während SUVs mit ihrer Statur im Verkehr negativ auffallen, fungiert ihr umweltfreundliches Pendant eher als erhobener Zeigefinger, der uns daran erinnert, dass auf dem Weg zur emissionsfreien Innenstadt noch viel zu tun ist. 

Alan Atzberger

Mobility und erneuerbare Energien – für diese Themen schlägt Alan Atzbergers Herz. Seine über zehnjährige Erfahrung in den Bereichen sammelte er bei Start-ups sowie börsennotierten Unternehmen (u. a. Tesla, Sonnen, Unu, Reach Now) in Vertriebs-, Business Development und Go-to-Market-Positionen. Aktuell berät Alan bei TLGG Unternehmen als Practice Lead Mobility & Energy von der Marketingstrategie bis hin zum Venture Building. Auf seinem Blog All About Mobility teilt er regelmäßig die neusten Trends und Updates aus der Szene.