Wie Payback, nur für E-Auto-Fahrer*innen, die Gutes tun wollen
Eugen Letkemann ist Mitgründer und CEO von &Charge. Das Bonusprogramm macht das Laden günstiger, seine Nutzer*innen liefern Daten zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur. Wie das geht und welche Herausforderungen auf die Branche zurollen, hat er FUTURE MOVES verraten
Eugen Letkemann ist nicht begeistert, wenn man „&Charge“ mit Bonusprogrammen wie Payback oder Miles & More vergleicht. Etwas ausführlicher, das wird im Gespräch mit dem Gründer und Geschäftsführer klar, darf es dann doch sein: &Charge ist ein Bonusprogramm, mit dem E-Autofahrer*innen dazu beitragen können, die Ladeinfrastruktur zu verbessern.
Und das geht so: Bei Besuchen an vielen Ladestationen können User*innen die Zugänglichkeit oder Funktionstüchtigkeit bewerten und anschließend Fotos hochladen. Für ihre Mühe erhalten sie Freikilometer, für die es Rabatte beim nächsten Ladevorgang gibt – oft sogar automatisch. Besonders fleißige Helfer*innen bzw. Nutzer*innen des Bonusprogramms laden sogar kostenlos. Darüber freuen sich einerseits die App-User*innen, andererseits erhalten die Stationsbetreiber wertvolle Daten über den Zustand der Ladesäulen. Die und die Anbieter von Ladekarten (kurz: EMP) stehen vor großen Herausforderungen, wie er im Gespräch mit FUTURE MOVES erklärt.
Eugen Letkemann und seine Mitgründer haben sich bei Porsche kennengelernt. Bereits 2012 hatte er Berührungspunkte mit dem ersten Plug-in-Hybridmodell von Porsche, 2014 hat er als Assistent des damaligen Produktstrategiechefs die Elektrifizierungsstrategie von Porsche begleitet. Die Painpoints, so scheint es, waren damals dieselben wie heute: „RIP, also Reichweite, Infrastruktur, Preis.“
„Wir haben uns 2018 gefragt: Wie können wir die Painpoints der E-Mobilität lösen?“ Letkemann und seine Mitgründer wählten einen neuen Ansatz: „Wir wollten, dass die Kunden die Ladeweile möglichst sinnvoll verbringen.“ Während des Einkaufs im Supermarkt wird der Wochenbedarf an Strom der meisten Menschen in der Regel problemlos nachgeladen. Supermärkte sollten dafür neue Kundschaft bekommen. „Wir hatten die ersten Testphasen und Piloten, die extrem gut gelaufen sind, aber ein mittelgroßer Supermarkt sagt natürlich: Ich habe jetzt 20.000 Kunden am Tag, wenn jetzt 50 E-Autofahrer zusätzlich kommen, ist das ja nichts.“
Doch eine wichtige Sache hatte &Charge durch die Testphase erreicht: „Wir sind mit vielen Ladestationsbetreibern in Kontakt gekommen und dadurch ist die Idee geboren, unsere Challenges noch sinnvoller einzusetzen.“ Die App-User*innen checken an einer Ladestation ein, bewerten den Ladepunkt und uploaden noch ein Foto. „Die Informationen werden von uns verarbeitet und strukturiert, an den Betreiber weitergeleitet und ausgewertet. Andere große Anbieter haben eine direkte Schnittstelle, ziehen die Infos teilweise direkt in ihr Ticketing-System, und bei wieder anderen ist es möglich, gewisse Prozessregeln zu hinterlegen. Wenn ein User meldet, dass ein bestimmter Stecker kaputt ist, dann geht direkt eine Nachricht an den Techniker raus, der in der Region dafür zuständig ist. Der kann dann selbst entscheiden, ob er jetzt schnell agieren muss“
Davon profitieren Fahrer*innen unmittelbar: „Wenn du vor Ort fünf Minuten Zeit hast, kannst du mit ein paar Bildern und Kommentaren das System verbessern und pro Ladevorgang sparen. Wir wollen mit unseren Partnern und der Community das Laden zuverlässiger und günstiger machen. Das ist unser Slogan, der uns von Anfang an antreibt.“
Günstiger wird es für &Charge-Nutzer*innen, weil die im Gegenzug Bonuspunkte in Form von Kilometern erhalten. Neun Anbieter verrechnen Freikilometer automatisiert mit dem Ladevorgang, wodurch dieser günstiger wird. Wie viele Freikilometer zu verdienen sind, erklärt Letkemann so: „Wir haben ein Kampagnentool, mit dem der Ladestationsbetreiber selbst entscheiden und definieren kann, was er genau abfragen möchte. Umso komplizierter oder langlebiger die Abfrage ist, umso höher sind dann auch die Boni“.
„Wir stellen mittlerweile auch zum Thema Sicherheit und Barrierefreiheit Fragen“
Eugen Letkemann, Mitgründer und CEO von &Charge
Letkemann merkt an: „Eine Ladestation ist Hightech und hat heute mit gewöhnlichen Tankstellen noch wenig gemein. Einer der Unterschiede ist, dass sie unbemannt sind. Du hast Hightech rumstehen und es ist niemand da. Am Ende ist es aktuell der Mensch, der sehr schnell eine Entscheidung treffen und die Situation beurteilen kann – eine Art von crowdsourced quality.“ Das Wort Qualität definiert sich dabei längst nicht mehr nur aus der Funktionstüchtigkeit: „Wir stellen mittlerweile auch zum Thema Sicherheit und Barrierefreiheit Fragen. Also: Komme ich da mit dem Rollstuhl hin? Wir sind u. a. auch mit den Electrified Women vernetzt, da merkt man einen anderen Blick auf die E-Mobilität. Wie steht es um das Thema Sicherheit, Beleuchtung, Verfügbarkeiten vor Ort. Das ist alles wertvoll.“
Besonders wertvoll ist auch das Feedback der &Charge-Nutzer*innen der ersten Stunde: Early Adopter sind häufig technisch versierter oder scheuen zumindest Hürden nicht. „Als wir vor drei Jahren gestartet sind, da kamen die Enthusiasten. Ein Großteil ist nach wie vor aktiv, was uns natürlich freut, weil die Qualität des Feedbacks besonders gut ist. Wenn jemand beispielsweise an eine Ladestation fährt und da nur mit 120 kW lädt, obwohl er mit seinem Auto 150 kW gewohnt ist, der weiß dann, dass da jetzt irgendwas nicht ganz funktioniert. Das sind teilweise spezifische Dinge. Diese Leute können sehr dezidiertes Feedback geben und verstehen, die Ladekurve war mies. So ein Feedback bringt die E-Mobilität in Summe nach vorne.“
„Wir wollten von Tag eins an ein klimaneutrales Unternehmen sein“
Eugen Letkemann, Mitgründer und CEO von &Charge
Seit Anfang 2020 ist &Charge in den App-Stores verfügbar und wurde laut dem Analytics-Tool Appfigures über 50.000 Mal heruntergeladen. Darunter sind natürlich auch Nutzer*innen, die &Charge primär als Bonusprogramm betrachten. „Wir haben echt viele Nutzer, die die App schon haben, aber immer noch auf ihr Auto warten. Die wissen, dass sie so schon ein bisschen Guthaben ansparen können“. Das klappt beispielsweise in Online-Shops. Letkemann betont, dass man nicht mit jedem Shop zusammenarbeite. „Wir wollten von Tag eins an ein klimaneutrales Unternehmen sein.“ Bei der Auswahl der Shops gibt es jedoch unterschiedliche Präferenzen, nicht alle E-Autofahrer*innen sind gleichermaßen sensibel für Nachhaltigkeitsthemen und so wurde aus einem anfangs sehr strengen System ein lockereres. „Wir haben mittlerweile über 1.200 Affiliate-Partner, da kann natürlich auch was durchrutschen. Letzten Endes hilft uns die Community, wenn doch mal ein Fehler unterläuft“, sagt Letkemann.
Selbst eine Ladekarte anbieten, um noch mehr Möglichkeiten zum Punkten anzubieten? Das will &Charge nicht. „Wir wollten hier bewusst keinen EMP schaffen. Wir wollen diese neutrale Rolle innehaben. Wenn wir jetzt der nächste Fahrstrom-Anbieter wären, dann bringen wir einfach keinen Mehrwert in dieses Ökosystem. Da gibt es mittlerweile viele, die das aus meiner Sicht auch gut machen.“
Der &Charge-Mitgründer sieht auf die Branche ohnehin neue Herausforderungen zurollen, etwa durch steigende Energiepreise, die nahezu unmögliche Monetarisierung von AC-Ladestationen und die verpflichtende Einführung von Kartenzahlung. „In Zukunft wird es darauf ankommen, wie sich diese Stromanbieter abheben. Die Schwierigkeit wird darin liegen, sich gegenüber Visa und Mastercard zu behaupten. Ad-hoc-Kartenzahlung ist ja nicht unbedingt teurer.“
Aus Letkemanns Sicht gibt es drei Optionen für die Ladekarten-Branche: „Entweder setzen die Anbieter auf Komfortfunktionen wie Plug & Charge, auf eine Kostenführerschaft durch Quersubventionierung oder man integriert Bonusprogramme.“
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Eugen Letkemann
Über fünf Jahre lang hat Eugen Letkemann bei Porsche unterschiedliche Positionen inne, fast alle hatten unmittelbar mit dem Thema E-Mobilität zu tun. 2018 hatten er und seine Mitgründer die Idee zu &Charge. Ende 2019 ging die Android-App und damit der Service live.