Wie definierst du für dich die Verkehrswende? 

Jeder Mensch kommt mit dem Verkehrsmittel, das für ihn und seine Umwelt am besten ist, schnell und bequem von A nach B. Egal, ob mit oder ohne eigenes Auto oder Führerschein. Gerade in Innenstädten sollte es viel weniger Autos geben, gleichzeitig dürfen wir sie aber nicht verteufeln, weil sie auf dem Land ein sehr effizientes Verkehrsmittel sind. Park and Ride zur Verzahnung von Stadt und Land muss viel besser werden.

Wie sieht dein persönlicher Mobilitätsmix aus?

Ich hatte mit meinen Eltern eine Autovermietung, war Autotester – das werde ich auch bleiben – und bin gerade bei einem Autobauer im Praktikum. Trotzdem hatte ich nie ein eigenes, privates Auto, dass mir ganz alleine gehört. In Kilometern machen Elektro-Testwagen wahrscheinlich über 80 Prozent meiner Fahrten aus, weil ich die immer sehr intensiv unter die Lupe nehme. Meine Alltagsfahrten nach Anzahl sind circa 50:50 U-Bahn und Fahrrad. Die Pendelei zwischen Stuttgart, München und Wolfsburg mache ich mit dem ICE. Ganz selten steige ich in einen Flieger, wenn es gar nicht anders geht – das kompensiere ich dann, in dem ich die entsprechende Menge sustainable aviation fuel einkaufe.

„Mehr gegenseitige Toleranz wäre hilfreich“

Robin Engelhardt

Und wie sollte er aussehen, damit du zufrieden bist?

Ich bin zufrieden. Ich würde mir nur wünschen, dass zum Beispiel die ÖPNV-Anbindung von München in Richtung Alpen besser wäre, dass ich da gar kein Auto mehr bräuchte. Und ein schnelles Bahnnetz, das Flüge innerhalb Europas – mindestens aber in Frankreich, Deutschland und Benelux – überflüssig macht, wäre mein Traum.

Hast du eine Agenda, die du mit deinem Profil verfolgst?

Ich werbe für Elektromobilität, um die Emissionen des Verkehrssektors zu senken und weil ich glaube, dass wir hier in Deutschland Vorreiter sein müssen, wenn wir die Arbeitsplätze in der Autoindustrie erhalten wollen. Ein besonderes Anliegen ist es mir, Fake News zu widerlegen: Nein, Elektroautos sind keine Kohle-Autos und nein, der Lithium-Abbau trocknet nicht halb Südamerika aus.

Wie gehst du mit Hatern um?

Das kommt drauf an, wie schlimm die sich benehmen. Manche kriegen eine verbale Breitseite, manche schalte ich nur stumm, manche blocke ich. Was seit der Covidioten-Bewegung neu ist: Bei Hassnachrichten von Aluhüten nutze ich konsequent die App Hassmelden, um Beleidigungen zur Anzeige zu bringen.

Die aktuell größte Herausforderung in der Mobilitätswende ist …?

Die Grabenkämpfe innerhalb unserer Szene. Lastenradler, Elektrofahrerinnen oder so spezielle Kandidaten wie der Fachverband Fußverkehr sind sich bei 90 bis 95 Prozent ihrer Ansichten einig und bekämpfen sich bis aufs Blut wegen den abweichenden 5 bis 10 Prozent. Mehr gegenseitige Toleranz wäre hilfreich. Nicht jeder Radfahrer, der an einer roten Ampel rechts abbiegt, ist ein Verkehrsrowdy. Nicht jeder SUV-Fahrer hat ein Egoproblem.

Auf der Überholspur: Beim E-Auto-Test reizt Robin Engelhardt auch mal das Maximum aus – Tempo 269

Deine Forderung(en) an …

… die Politik?

Hört auf, den Menschen das Blaue vom Himmel zu erzählen, wenn es um den PKW-Antrieb der Zukunft geht! Wasserstoff wird sich da nicht durchsetzen, E-Fuels wahrscheinlich nur für Oldtimer und andere Nischenanwendungen. Die Batterie hat das Rennen längst gewonnen, egal wie oft gewisse Leute nach Technologieoffenheit rufen.

… die Wirtschaft?

Der Wirtschaft möchte ich Mut zur Veränderung machen. Jeder kennt Nokia – als Abschreckungsstory für einen verpassten Wandel. Dass die sich in ihrer Geschichte oft und erfolgreich gewandelt haben (vor den Tastenhandys hat Nokia erst Papier und später Gummistiefel produziert), wissen die wenigsten.

… die Mobilitätsnutzer:innen?

Hinterfragt euer Verhalten, wenn ihr merkt, dass es zur Routine wird. Muss ich für diese Strecke das Auto nehmen, oder mache ich das, weil es eben vor der Tür steht? Muss mit dem zweiten Kind automatisch ein zweites Auto her, oder tut’s ein E-Bike mit Kindersitz?

Wer ist in Sachen Verkehrswende gerade richtig gut unterwegs?

Die ganzen Sharing-Scooter-Anbieter empfinde ich persönlich als enorm nützlich, weil sie mir in Städten mit schlechtem ÖPNV längere Wegstrecken von oder zum Bahnhof praktikabel machen, auf denen ich ansonsten wohl Taxi fahren müsste.

„In Stockholm kostet Anwohnerparken über 800 Euro“

Welchen Menschen in der Mobilitätsbranche sollte man – neben dir – folgen?

Stefan Hajek von der Wirtschaftswoche und Daniel Bönnighausen von Electrive, stellvertretend für mindestens ein dutzend Journalisten, die in Sachen Elektromobilität einen richtig guten Job machen. Katja Diehl, die manchmal durchaus streitbare Thesen hat, vor allem aber viele sinnvolle Anliegen vertritt. Raul Krauthausen, weil Mobilität aus dem Blickwinkel eines Menschen mit Behinderung völlig anders ist. Maximilian Fichtner vom Helmholtz Institut Ulm – der Fachmann für Batterietechnologie. Stephanie Krone vom ADFC, weil sie unermüdlich für eine bessere Radinfrastruktur kämpft.

Gibt es einen Ort, der für dich die Zukunft der Mobilität erlebbar macht?

Der Blick ins Ausland generell lohnt sich als eine Art Fenster in unsere Zukunft: In Bolivien sind Seilbahnen ein ganz normales Nahverkehrsangebot, in Stockholm kostet Anwohnerparken über 800 Euro, Norwegen und die Niederlande sind Benchmark beim Aufbau der Ladeinfrastruktur.

Dein bislang schönster Mobilitätswende-Moment?

Schöne Momente habe ich ständig, wenn sich jemand in meinem Umfeld zu einer Veränderung entschließt. Eine Regenhose anziehen, statt bei schlechtem Wetter das Fahrrad stehen zu lassen. Elektroauto statt Verbrenner kaufen. Dienstreise mit der DB statt mit der Lufthansa.

ROBIN ENGELHARDT

Im Jahr 2014 saß der damals 15-Jährige das erste Mal in einem Tesla – seitdem lässt ihn Elektromobilität nicht mehr los. Mit seinen Eltern betrieb Robin Engelhardt eine der ersten Elektroautovermietungen, nebenher begann er zu bloggen und Autotests zu schreiben, zuletzt für den Auto Club Europa und die Fachzeitschrift Elektroautomobil. Aktuell absolviert er ein Praktikum in der CEO & Digital Kommunikation der Volkswagen AG.