Wie definierst du für dich die Verkehrswende?

Verkehrswende ist für mich in erster Linie die Abkehr vom privaten Autoverkehr. Knapp 50 Millionen angemeldete Pkw alleine in Deutschland bringen so viele Nachteile mit sich, dass wir hier mit Veränderungen ansetzen müssen. In Städten wiegen hier neben der Luft-und Lärmverschmutzung der immense Flächenverbrauch und die Gefährdung von Fußgänger:innen und Radler:innen am schwersten.

Wie sieht dein persönlicher Mobilitätsmix aus? 

Die meisten Kilometer lege ich täglich mit der Münchner S-Bahn zurück. (Ein großes Lob an dieser Stelle. Ich nehme sie als sehr zuverlässiges und komfortables Verkehrsmittel war.) Viermal in der Woche pendele ich von München nach Fürstenfeldbruck und zurück. Mein Alltagsverkehrsmittel ist das Fahrrad, mit dem ich in Haidhausen (dem schönsten Stadtteil Münchens) die meisten Wege zurücklege. Zusätzlich bin ich gerade mit meinen Kindern oft mit dem Roller und natürlich zu Fuß unterwegs. Ein eigenes Auto habe ich seit 2015 nicht mehr, nutze aber für Ausflugsfahrten und Urlaube gelegentlich Carsharing.

Und wie sollte er aussehen, damit du zufrieden bist?

In den Städten müsste das Carsharing noch attraktiver werden, indem die Angebote noch vielfältiger werden und Parkplätze beispielsweise nur für geteilte Autos angeboten werden. Großes Verbesserungspotential sehe ich bei der Kombination von Fahrrad und Bahn. Würde das gut funktionieren, wäre der Abschied vom eigenen Auto für viele leichter zu machen. Dafür müsste allerdings die DB die Möglichkeiten der Fahrradmitnahme in ihren Zügen deutlich ausbauen. 

Hast du eine Mission, die du mit deinem Profil verfolgst?

Mein Ziel: Täglich darauf aufmerksam machen, dass die Verkehrswende dringend nötig ist und für uns als Gesellschaft ein großer Gewinn sein kann. Dabei versuche ich vor allem gute Beispiele aus dem In- und Ausland zu verbreiten. Durch die Vernetzungsmöglichkeiten vor allem via Twitter können wir gegenseitig viel voneinander lernen.

Wie gehst du mit Hatern um?

Meine Erfahrungen zeigen, dass Diskussionen mit Hatern und Dauernörglern nichts bringen. Meine Methode ist ignorieren und damit bin ich bisher gut gefahren. Extremen Beleidigungen war ich bisher nicht ausgesetzt.

Die aktuell größte Herausforderung in der Mobilitätswende ist …? 

… die Abhängigkeit der Deutschen vom Auto zu beenden. Der Argumentation „aber ich bin doch aufs Auto angewiesen“ kann ich oft nicht folgen. Auf Bequemlichkeiten zu verzichten und bisherige Gewohnheiten in Frage zu stellen fällt erstmal schwer, erweist sich später aber vielfach als Gewinn an Lebensqualität für den Einzelnen und vor allem für die Gesellschaft.

Deine Forderung(en) an …

… die Politik?

Die geltenden Gesetze und Verordnungen müssen im Sinne einer echten Verkehrswende geändert werden. Vor allem in der StVO sollte die Bevorzugung des Autoverkehrs der Vergangenheit angehören.

… die Wirtschaft?

Den blumigen Worten sollten gerade in der Autoindustrie auch Taten folgen. In der Vergangenheit war es leider deren Verband (VDA), der hauptsächlich als Verhinderer von schärferen Klimaschutzzielen in Erscheinung getreten ist. 

… die Mobilitätsnutzer:innen?

Die Bitte an die Autofahrer:innen über den Parkplatz vor der eigenen Haustür hinauszudenken und die Dringlichkeit der Veränderungen, gerade wenn es um den Klimaschutz und die Aufenthaltsqualität in unseren Städten geht, anzuerkennen. Und die Bitte an alle anderen lauter zu werden: Ungerechtigkeiten im Mobilitätsbereich werden nur angegangen, wenn ein Problembewusstsein bei Polizei, Verkehrsüberwachung und Politik entsteht.

Wer ist in Sachen Verkehrswende gerade richtig gut unterwegs? 

Da möchte ich zuerst meinen eigenen Verein, die Stadt München, nennen. Auch wenn es in vielen Bereichen noch Luft nach oben gibt, wurden durch das neue Mobilitätsreferat viele wichtige Projekte wie Sommerstraßen, Schanigärten, Parklets und Carsharingparkplätze angestoßen. Dann natürlich Katja Diehl, die mit ihrem Buch „Autokorrektur“ gerade für Furore in der Welt der Mobilität sorgt.

Welchen Menschen in der Mobilitätsbranche sollte man – neben dir – folgen?

Neben Katja Diehl (siehe oben) unbedingt der Radkolumne auf Twitter folgen. Kritisch, intelligent, ironisch, manchmal spöttisch, aber immer 100% Fahrradliebe und Verkehrswendesupport. Und dann einfach allen, die sich der #Fahrradbubble zugehörig fühlen.

Gibt es einen Ort, der für dich die Zukunft der Mobilität erlebbar macht?  

Aus eigener Erfahrung Amsterdam, wenn es darum geht, wie viel Spaß Fahradfahren auf sicheren und breiten Radwegen macht. Und natürlich Wien, wo die Öffis nicht nur gut, sondern einfach Kult sind.

Dein bislang hoffnungsvollster Mobilitätswende-Moment?

Der Moment, wo du auf Twitter merkst, dass du mit deiner Meinung nicht alleine da stehst, sondern Tausende andere ebenfalls davon überzeugt sind, dass private Autos in Städten eigentlich nichts zu suchen haben. 

JÖRG SPENGLER

Der 45-jährige Realschullehrer ist Mitglied von Bündnis90/Die Grünen und Vorsitzender des Bezirksausschuss des fünften Münchner Stadtbezirks Au-Haidhausen sowie dessen Radverkehrsbeauftragter. Sein besonderes Anliegen: sichere Schulwege. Auf Twitter wirbt Jörg Spengler für das Radfahren – und dafür, Autos weniger Raum in den Städten zu geben.