Opel Manta Comeback als E-SUV: Sakrileg oder smarter Move?
ID. Buzz, R5 und nun der Manta-e. Die Neuauflage von Ikonen ist en vogue (– auch wenn die selten was mit dem Original gemein haben). Welches Kalkül dahinter steckt
Als Opel vor nicht einmal einem Jahr und unter Ex-Opel-Chef Michael Lohscheller den Manta GSe Elektromod vorgestellt hat, war das mediale Echo groß. Und auch jenseits der Medien freute man sich kürzlich, dass der Manta wirklich zurückkommt. Als wäre er befreit worden aus dem Gefängnis der Vergangenheit oder zumindest dem der Manta-Witze und Proll-Komödien der frühen 90er-Jahre. Man merkt: Wer nach Mauerfall und außerhalb des Ruhrgebiets aufwächst, kann mit dem trashigen Manta-Kult eher nicht so viel anfangen. Seine Bedeutung für die deutsche Autokultur ist jedoch unverkennbar.
Die gibt sich in den letzten Jahrzehnten einem gewaltigen Retro-Trend hin: VW brachte den Beetle, BMW den Mini, Fiat sprang mit dem 500 auf, alle zunächst mit Verbrenner. Spätestens seit Beginn der E-volution ist klar, dass es ohne Retro wohl kaum mehr geht. Neben dem Mini, dem Fiat 500 und dem Manta müssen der erste Honda Civic (jetzt: Honda e) und bald schon der Renault 4, der Renault 5 und ganz aktuell der VW Bulli nochmal ran. Der Elegend EL1 will den Audi quattro wiederauferstehen lassen. In der putzigsten Ausprägung kommt die Isetta als Microlino und der Panda wohl als Centoventi zurück. Und wenig zurückhaltende Alles-Andere-Als-Elektro-Modelle wie Fords Mustang und den Pickup F-150 sowie das Monster-SUV Hummer gibt’s auch schon elektrisch. Warum der ganze Kitsch?
Ohne eines der frühen Elektroautos hier besonders hervorzuheben, waren die meisten unansehnliche Asphaltblasen, die offenbar bei vielen eine gewisse Neophobie auslösten. Dennoch geht es nicht ausschließlich ums Aussehen: Trendforscher Mark Morrison vermutete einmal: „Gerade in Zeiten, in denen sich sehr vieles sehr schnell ändert, ist der Wunsch nach Beständigkeit, nach Solidität und auch nach einer gewissen Wärme groß. Und das erleben wir ja gerade mit der Digitalisierung. Deshalb greift man verstärkt zu Gegenständen oder Objekten, die mit positiven Gefühlen verknüpft sind.“ Positive Gefühle kommen bei einem Hummer zwar nicht auf, beim Manta vielleicht schon eher.
„Das vorgestellte Auto hat weder optisch noch technisch etwas mit dem Ur-Manta zu tun“
Bernd Lausenmeyer, Manta B Club Oberbayern
Alteingesessene Manta-Fans wie Bernd Lausenmeyer vom Manta B Club in Oberbayern zeigen sich jedoch wenig beeindruckt von der Reinkarnation: „Die Wiederverwendung dieses Namens beim geplanten Manta-e ist wohl eher dem Marketing zuzuordnen“, so Lausenmeyer gegenüber FUTURE MOVES. Das in Studien vorgestellte Auto habe weder optisch noch technisch etwas mit dem Ur-Manta zu tun, so der Experte. Er bezweifelt darum, dass der Manta-e wieder eine solche Bewegung hervorrufen wird wie die historische Vorlage. Der Invest in eine saubere Zukunft sei jedoch löblich, unabhängig vom Namen. Autsch. Nach nostalgischer Begeisterung klingt das nicht. Insofern auch verständlich, weil sich der Manta-e auf dem Weg vom Concept Car zur seriennahen Studie von einem stilvollen Retro-Coupé in ein recht gewöhnliches SUV verwandelt hat.
„Das ist gar nicht unbedingt Nostalgie“
Simon Reynolds, Autor „Retromania“
Mit Blick auf das Urteil des Manta-Fans scheint es sich Irrglaube zu erweisen, dass die Faszination zu Altem nur ältere Semester beträfe. Simon Reynolds ist Autor des Buchs „Retromania“ und hat sich mit Retro in der Popkultur beschäftigt. In einem Interview sagte er kürzlich: „Das ist gar nicht unbedingt Nostalgie. Eher eine Faszination, die bestimmte Bilder aus der Vergangenheit auslösen. Zum Beispiel ein cooles Paar Stiefel oder eine Handtasche aus den 60ern. Oder das ikonische Foto einer Band. Sie saugen das auf einer visuellen Ebene auf: wie cool etwa The Velvet Underground aussahen.“ Teenager seien sogar besonders empfänglich dafür. Eine Studie hat gezeigt, dass die 80s-Retro-Serie „Stranger Things“ am beliebtesten bei Zuschauer:innen war, die damals noch gar nicht geboren waren.
Bei der Vorstellung, dass elektrifizierte Neuauflagen automobiler Ikonen dazu dienen, deren Fans für die Antriebswende zu begeistern, handelt es sich also um einen Irrtum. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Retro-Produkte richten sich vor allem an junge Käufer:innen. Denn genauso wenig wie der von BMW entwickelte Mini Fans der alten Streichholzschachtel von British Motor Corporation überzeugen konnte, der vor wenigen Tagen vorgestellte ID. Buzz Samba-Fahrer:innen abholt, wird der Manta-e Manta-A-Fans umhauen. Wenn der neue Manta nebenher besser zur Umwelt ist und dabei das Straßenbild etwas erträglicher gestaltet, warum nicht.
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Uwe Hochgeschurtz
Der Kölner Uwe Hochgeschurtz hat eine Autokarriere, die bunter kaum sein könnte. Sie begann bei Ford und führte ihn über Volkswagen zu Renault, wo er rund fünf Jahre lang Geschäftsführer der deutschen Renault-Gruppe war. Seit September ist er Opel-Chef. Hochgeschurtz folgte auf Michael Lohscheller.
Michael Lohscheller
Unter Aufsicht des ehemaligen Opel-Chefs wurde nicht nur der Manta GSe Elektromod gezeigt. Michael Lohscheller übernahm die Geschäftsführung pünktlich zum Opel-Verkauf von General Motors an die französische Groupe PSA, die Peugeot und Citroën umfasst. Die PSA-Fusion mit Fiat-Chrysler zu Stellantis begleitete er ebenso.