Bislang konnte ich problemlos bei der Arbeitsstelle parken, also fuhr ich mit dem Auto. Aus Gewohn- und Faulheit. Seit meinem Wechsel in die Redaktion von FUTURE MOVES habe ich jedoch keinen Stellplatz. Und Laternenparken ist aufgrund von Anwohnerparken nicht drin. Natürlich könnte ich jetzt jeden morgen neun Kilometer mit meinem Auto ins Büro fahren und für 60 Euro im Monat einen Parkplatz mieten. Aber die Idee gefällt mir nicht. Mein Pkw kostet schon genug und richtig zeitgemäß ist Autofahren in die Innenstadt trotz E-Motor auch nicht.

Weil ich seit September in der Nähe einer U-Bahnstation im Norden Hamburgs wohne, ist eine Alternative buchstäblich naheliegend. Dieselbe Bahnlinie verläuft sogar unweit des FUTURE MOVES-Büros vorbei. Mit der Bahn ins Office? Ich wohne nicht in einem unterversorgten Außenbezirk und es braucht auch keinen Premium-ÖPNV, um mich zu überzeugen. Die U-Bahn bietet sich also an.

Die dritten Option neben Auto und Bahn: das Rad. ADAC-Sprecherin Stephanie Krone sagte schon im FUTURE MOVES-FAQ: Es ist Zeit für „Umsatteln im Kopf“. Ich finde, sie hat recht. In den letzten beiden Jahren habe ich ohnehin Gefallen am Radfahren gefunden, mit E-Bikes habe ich jedoch noch keine Erfahrung gesammelt. Das möchte ich diesmal ändern. 

Augenscheinlich habe ich also die Wahl zwischen Auto (bequem, aber unzeitgemäßer Platzbedarf), Bahn (trotz längerer Fußwege machbar, aber das Abo auf die rote Meldung in der Corona-Warn-App ist inklusive) und dem Rad (beste Ökobilanz, aber vermutlich unattraktiv wegen des Hamburger Winterwetters). Im Praxistest will ich die beiden Alternativen auf den Prüfstand stellen.

Muss ich jetzt immer den Tarifplan in DIN A3 in der Hosentasche haben?

Ich starte mit dem ÖPNV. Die erste Hürde beim Umstieg lauert für seltene ÖPNV-Nutzer:innen bei der Wahl der Fahrkarte: Welches Ticket ist das richtige für regelmäßige Pendelei? Es wird relativ schnell klar, dass ich bei zwei bis drei Fahrten pro Woche ins Büro keine Einzeltickets beim teuersten ÖPNV-Anbieter Deutschlands lösen sollte. Auch das Hamburger Tarifchaos schreckt direkt ab: Welche der zwei Dutzend Tarife kommt für mich infrage? Muss ich für spontane Fahrten nach Feierabend jetzt immer den Tarifplan in DIN A3 in der Hosentasche haben? Und wie sollen das eigentlich Touris, Fremdsprachler:innen oder Blinde kapieren?

Für den Test entscheide ich mich gegen das Profiticket vom Arbeitgeber für 56,38 Euro (für zwei Tarifzonen) und gegen das Monatsabo (zwei Tarifzonen für 58,50 Euro), denn eine langfristige Bindung brauche ich erstmal nicht. Stattdessen nehme ich ein Zehnerpaket Tageskarten für 59 Euro. Ich laufe jeden Tag knapp zehn Minuten zur U-Bahn, fahre knapp 15 Minuten und laufe dann nochmal knapp 10 Minuten. Reisezeit 35 Minuten, doppelt so lang wie mit dem Auto, aber dafür habe ich mehr Zeit für Podcasts und auf meiner Apple Watch sind abends alle drei Ringe geschlossen – juhu, endlich wieder! Für den Alltag ist es dennoch nichts, weil ich langfristig ein Abo bräuchte, auf dessen lange Laufzeit ich aber getrost verzichten kann, da ich perspektivisch nicht jeden Tag ins Büro fahren werde. Und die Befürchtung, dass die CW-App dauerhaft rot leuchten würde, hat sich leider ab Tag eins bestätigt.

Zwischenfazit: Ich könnte es mir grundsätzlich vorstellen, hin und wieder die U-Bahn zu nehmen, wenn es flexiblere Ticketmodelle zu fairen Preisen gäbe. Ich finde es jedoch sehr enttäuschend und nicht zeitgemäß, dass die zehn Tageskarten nach 30 Tagen ungültig werden. In meiner Heimat München hat die digitale Streifenkarte kein Ablaufdatum. Wenn ich nach sechs Monaten mal wieder in der Stadt bin, kann ich alte Streifen aufbrauchen. Vielleicht nochmal nachbessern, HVV?

„Ich wechsle schnell auf die Straße, wenn ich das Elefantengehege rieche.“

Max Wiesmüller

Also zur dritten Option: das Rad. Aus Neugier hole ich mir ein E-Bike einer Fahrradvermietung im monatlich kündbaren Abo für 49,90 Euro im Monat – und damit als günstigste Alternative in diesem Test, auch inklusive Strom (ca. 0,17 Euro pro Woche). Bei Schnee und Eisglätte startet Phase zwei meines Selbstversuchs. Schnell gewöhne ich mich an den aufspritzenden Dreck bei Regenwetter. Und würde ich mich normalerweise im Büro für schmutzige Klamotten schämen, empfinde ich dreckige Radler-Hosenbeine bald eher wie ein urbanes Ritterabzeichen denn als Ärgernis. Dem sprichwörtlichen Hamburger Wetter gebe ich mich – wie immer – geschlagen und kaufe zügig günstige Handschuhe und eine Regenhose (deren Anschaffung sich nach sechs Monaten gegenüber dem HVV-Abo amortisiert hätte).

Noch etwas lerne ich schnell: Am schönsten ist das Radfahren in Hamburg dort, wo es keinen Radweg gibt. Nur dann ist der Weg eben und ungefährlich – abgesehen von Autofahrer:innen, die regelmäßig erheblich zu dicht vorbeifahren. Kurzer Tipp, den ich vom autoverrückten Top-Gear- und Grand-Tour-Moderator und Fahrradfahrer Richard Hammond geklaut habe und selbst anwende: Fahr beim nächsten Mal einfach komplett auf die nächste Spur, als wäre das Fahrrad so breit wie ein Auto. Es gibt keinen einzigen Grund so dicht vorbeizufahren. Dann lasse ich auch alle Finger am Lenker statt dir hinterher zu winken.

Davor haben Umsteiger:innen am meisten Angst. Ist aber dank Regenhose gar nicht so schlimm. Foto: Max Wiesmüller

Noch schlimmer finde ich aber, dass andere Radler:innen, die es besser wissen müssten, ihre Räder so ansperren, dass morgendliche Fahrt durch Eimsbüttel nicht nur wegen der Schlaglöcher zur Slamlomfahrt wird. Hausbesitzer:innen, die den gelben Sack auf den Radweg schmeißen, tun ihr Übriges. Über die vielen Falschparker:innen brauche ich, glaube ich, kein Wort verlieren. Und der Endgegner sind die im Nichts endenden Radwege, etwa an Hagenbecks Tierpark, die dazu führen, dass mich Fußgänger:innen anpöbeln. Mittlerweile weiß ich, dass ich schnell auf die Straße wechsle, wenn ich das Elefantengehege rieche.

Witzig: Trotz actionreicher Pendelei und nasser Hose finde ich schnell eine immense Freude am Fahrradfahren. Der Schlüssel ist die richtige Route: Hinten durch Wohngebiet, statt vorne an der Hauptstraße, hier ein Schleichweg, da eine Parkdurchfahrt und schon sind 25 Minuten vorbei. Dank regelmäßiger Frischluftklatschen fühle ich mich einfach besser, ich empfinde Radfahren als geradezu therapeutisch.

Fazit: Ich fahre künftig hauptsächlich mit dem Fahrrad ins Büro. Und wenn das Wetter besonders schlecht ist, werde ich auch mal mit der Bahn fahren. Ich werde aber auch mein Auto behalten und vielleicht mal freitags ins Büro fahren, um direkt von dort aus ins Wochenende zu starten. Vielleicht ist Offenheit der Schlüssel zur multimodalen Verkehrsmittelwahl. Habe ich jetzt alle Probleme unserer Gesellschaft gelöst, nur weil ich mir einmal die Abopreise vom HVV und die Radwege ins Büro angeschaut habe? Nein. Ich möchte dich nur dazu motivieren Gewohnheiten aufzubrechen und zu hinterfragen, ob du wirklich mit dem besten Verkehrsmittel ins Büro fährst und ob ein wenig Abwechslung nicht auch gut tun kann. Vielleicht wirst du ja, wie ich, positiv überrascht.

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Anna-Theresa Korbutt

Anna-Theresa Korbutt

Seit einem guten halben Jahr ist sie Chefin des Hamburger Verkehrsverbunds, zuvor war sie bei der Österreichischen Bahn (ÖBB) und einem Mobilitätsprojekt in Wien. Zu Amtsantritt in Hamburg fragte sie: „Wer will schon in Fahrpläne schauen?

Richard Hammond

Richard Hammond

Der langjährige Co-Moderator der BBC-Sendung Top Gear und der Amazon-Show Grand Tour fährt zwar gerne PS-starke Autos, sorgt bisweilen als cholerischer Radfahrer mit farbenfroher Wortwahl in feinstem Britisch auf dem Land und in London für Lacher.