Straßensperren gegen Elterntaxis?
Elterntaxis, mit denen Kinder zur Schule gefahren werden, sind ein wachsendes Problem, weil sie den Verkehr für Kinder gefährlicher machen. In Köln will man dagegen nun mit Straßensperren vorgehen
Seit dem Ende der Sommerferien steigt das Verkehrsaufkommen vor den Schulen, weil Eltern ihre Kinder absetzen. Eine Hamburger Umfrage in mehr als 150 Kitas und Schulen ergab, dass die sogenannten Elterntaxis ein echtes Problem darstellen, weil sie den Schulweg nicht sicherer, sondern gefährlicher machen. Jedes vierte Kind wird mit dem Auto zur Schule gebracht und dies häufig nur aus elterlicher Bequemlichkeit oder Angst vor Unfällen. Ironischerweise steigt die Gefahr dadurch für jene Kinder, die nicht mit dem Auto gefahren werden, ergibt die Umfrage.
Trotz guter Zureden, Bitten und Beschilderungen ändern Eltern ihr Verhalten nicht. Wie also kann man die Anzahl der Autos vor den Schulen minimieren? Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn lohnt sich: In Italien gibt es diese bereits seit 1989 und auch in Großbritannien, den Niederlanden und Belgien sind sie zu finden. In den Schul- und Verkehrsausschüssen des Rats in Köln werden dieser Tage mögliche Lösungen diskutiert: Auf das Tapet bringt er sogar Straßensperren.
Bislang kennt man in Deutschland die ausgewiesenen Hol- und Bringzonen, auch Kiss and Go bekannt. Schulstraßen sollen das Prinzip ergänzen um Straßensperren: Zu Schulbeginn und Unterrichtsschluss wären die für den Autoverkehr gesperrt. Zur Umsetzbarkeit berät man seit geraumer Zeit, denn „eine alleinige Beschilderung von Durchfahrtsverboten wird nach Einschätzung der Verwaltung ohne engmaschige Kontrollen durch die Polizei zu regelmäßigen Verstößen und damit zu der Gefahr einer Scheinsicherheit für die Kinder
führen“. Tägliche, physische Straßensperren könnten jedoch aus Gründen der begrenzten Personalressourcen sowie der Vielzahl von Schulen nicht durchgeführt werden.
Als weiteren Sicherheitsaspekt verfolgt die Kölner Stadt aktuell das Ziel, vor den Schulen ausnahmslos ein Tempolimit von 30 km/h einzuführen. „Zusätzlich gibt es Ansätze, die Parkplätze vor den Schulen aufzulösen und weitere Maßnahmen durchzuführen, dass der Verkehr vor Schulen stark beruhigt wird – ohne Elterntaxis“, so Max Pargmann, verkehrspolitischer Sprecher der Kölner Volt-Fraktion.
„Ich denke und hoffe, dass es eine fast beschlossene Sache ist“
Max Pargmann, verkehrspolitischer Sprecher der Kölner Volt-Fraktion
Neben der zeitlichen Beruhigung der Schulstraßen, gab es ebenfalls den Vorschlag einer gänzlichen Verkehrsverbotszone. Pargmann ist im Gespräch mit FUTURE MOVES positiv gestimmt: „Niemand von den anwesenden Parteien hat einen großen Widerspruch eingelegt. Ich denke und hoffe, dass es eine fast beschlossene Sache ist“.
Während in Köln dieser Tage diskutiert wird, zeigt Italien seit vielen Jahren, wie man ohne physische Sperre Zufahrtsbeschränkungen kontrolliert: Dort sind die Stadtzentren selbst in Kleinstädten oft als „Zona traffico limitato“ ausgewiesen, vergleichbar mit Anliegerstraßen in Deutschland. Anders als hier werden die jedoch per Kamera überwacht und teilweise zeitlich für Durchgangsverkehr geöffnet. Eine digitale Anzeige macht’s möglich. Im auf Datenschutz versessenen Deutschland würde diese praktische Lösung natürlich zur Folge haben, dass man über die Speicherung des Kennzeichens nicht herumkäme. Köln könnte der Diskussion neuen Schwung verleihen oder sogar einen Präzedenzfall schaffen.
„Wenn wir wollen, dass gesunde, aktive Kinder zu gesunden, aktiven Erwachsenen heranwachsen, müssen wir anders denken.“
Antonio Avenoso, geschäftsführender Direktor ETSC
Unabhängig von der geplanten Lösung sieht die Stadtverwaltung „die aktive Einbindung von Schule und Elternschaft als einen wichtigen Baustein an, der maßgebend für das Gelingen solcher Vorhaben sein kann“. Da diese gut gemeinte Hoffnung bislang wenig gebracht hat, kennen viele Kinder den eigenen Schulweg nur aus dem Autofenster. Dabei sollten sie laut ADAC bereits ab der ersten Klasse an den Straßenverkehr herangeführt werden und den Schulweg selbst bewältigen, sofern die Sicherheit es zulässt. Auch der Europäische Verkehrssicherheitsrat ETSC zeigte sich trotz zurückgehender Unfallzahlen über 6.000 tote Kinder im Straßenverkehr besorgt. Dessen Direktor Antonio Avenoso merkt an: „Der Schutz von Kindern in Metallkäfigen ist ein Pyrrhussieg. Wenn wir wollen, dass gesunde, aktive Kinder zu gesunden, aktiven Erwachsenen heranwachsen, müssen wir anders denken.“
Want to know more?
Max Pargmann
Während seines Physikstudiums entdeckte Max Pargmann seine Leidenschaft für das Programmieren und vertiefte dies in seinem Masterstudium. Aktuell beschäftigt er sich neben seiner Doktorarbeit mit verschiedenen Ehrenämtern und ist unter anderem seit Januar 2021 verkehrspolitischer Sprecher der Volt-Fraktion in Köln.
Britta Ernst
Seit 2017 ist Britta Ernst brandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. 2021 übernahm sie die Schirmherrschaft der Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“, um die Selbstständigkeit im Straßenverkehr zu fördern.